Dorothy Day: Gebet und Protest
„Don’t worry of being effective!“ – Sorge dich nicht um Erfolg! Die Amerikanerin Dorothy Day, die sich ihr Leben lang für Benachteiligte eingesetzt hat, macht Mut: Es ist nie sinnlos, für Gerechtigkeit zu kämpfen. Vor 44 Jahren starb sie.
Im Dezember 1932 marschierten 25.000 Menschen nach Washington. Sie protestierten gegen die Verelendung der 15 Millionen arbeitslosen Amerikaner. Mitten im Getümmel: eine schmächtige Frau, die sich Notizen machte. Dorothy Day. Die Journalistin war eine gefährliche Frau. Einmal saß sie zehn Tage im Gefängnis, weil sie das Wahlrecht für Frauen gefordert hatte. Sie wurde vom FBI beschattet, weil sie für radikale Zeitungen schrieb. Sie stritt für die Rechte der Arbeiter, gegen den Krieg, für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, Schwarzen und Weißen.
„Wo ist die Kirche?“
Aber an diesem Tag im Dezember stellte sie eine Frage, die ihr vorher nicht eingefallen war: „Wo ist die katholische Führung?“ Wo ist die Kirche, die doch an der Seite der Armen sein sollte? Schließlich war es ihr Auftrag, den Armen die frohe Botschaft zu bringen. 1932 gab es noch keine Theologie der Befreiung. Zwar hatten die Päpste in zwei Enzykliken die soziale Frage aufgegriffen. Aber die katholischen Initiativen waren meist die Sache Einzelner, wie Adolf Kolping in Deutschland oder Giovanni Bosco in Italien. Oder Dorothy Day, die heute in den USA eine ähnliche Bedeutung hat.
Die einstige Kommunistin war katholisch geworden. Die Geburt ihrer Tochter hatte sie zum Beten gebracht. „Die Glorie der Schöpfung, der Gesang der Vögel, das Lächeln meines Babys – das hat mich so jubilieren lassen, dass ich nicht anders konnte, als laut in den Lobpreis Gottes einzustimmen“, schrieb sie. Aber auch die soziale Frage trieb sie um. Und so ging Day, nachdem sie ihren Bericht über den Hungermarsch geschrieben hatte, in die Kathedrale in Washington und betete. „Herr, zeige mir einen Weg, wie ich meine Gaben für die Arbeiter, für die Armen einsetzen kann!“
Der Herr zeigte ihr den Weg
Und der Herr zeigte ihr den Weg. Mit einem Gefährten gründete sie Heime für Obdachlose, eine Farm – und eine Zeitung: den „Catholic Worker“. Heute gibt es weltweit 160 Catholic-Worker-Niederlassungen, unter anderem in Hamburg und Dortmund. Ein paar Armenhäuser, Zeitungsartikel und Demos – nützt das den Armen etwas? „Das Gefühl der Sinnlosigkeit ist eines der größten Übel unserer Zeit“, schrieb Day. „Die Leute sagen: Was können Einzelne tun? Welchen Sinn haben unsere kleinen Bemühungen? Sie können nicht sehen, dass wir immer nur einen Schritt gehen können. Nur für die gegenwärtige Handlung sind wir verantwortlich. Aber wir können beten für eine wachsende Liebe in unseren Herzen, die unser Handeln wandeln wird. Wir wissen, dass Gott unser Tun nehmen und vermehren wird, so wie Jesus Brote und Fische vermehrt hat.“
Mit 75 Jahren wurde Dorothy Day das letzte Mal verhaftet. Mit 83 starb sie, am 29. November 1980. Vielleicht wird dieser Tag bald ein Festtag im kirchlichen Kalender. Das Seligsprechungsverfahren läuft seit dem Jahr 2000. Natürlich gibt es Hindernisse. Etwa diese anstößige Äußerung der Kandidatin Day: „Nennt mich nicht eine Heilige! So leicht möchte ich nicht abgetan werden!“
Andreas Hüser