Glaubenswelten
23.06.2025

„Der Atem beim Singen ist für mich der Heilige Geist“

Benediktiner-Pater Vianney Meister aus dem Kloster Sankt Ottilien bei München spricht im Interview über die spirituelle Kraft des Singens, seine Zeit in dem erfolgreichen Gesangs-Trio "Die Priester" - und sagt, warum auch weltliche Musik für ihn voller Glauben sein kann.     

Pater Vianney Meister OSB wurde einem breiten Publikum als Mitglied des Gesangs-Trios Pater Vianney Meister OSB wurde einem breiten Publikum als Mitglied des Gesangs-Trios "Die Priester" bekannt. Foto: © privat

„Wer singt, betet zweimal!“ – Stimmt das?

Angeblich stammt dieses Zitat vom heiligen Augustinus. So hat er es jedoch nicht gesagt; sinngemäß meinte er, dass gesungenes Gebet den Lobpreis an Gott erhöht und würdiger macht. Trotzdem ist es eine stimmige Aussage, dass Singen zweimaliges Beten ist. Wenn ich an unser gesungenes Mittags-, Abend- und Nachtgebet denke, dann erhebt das in besonderer Weise Herz und Gemüt.

Wie kamen Sie zum Singen und Tuba-Spielen?

Meine Familie ist musikalisch veranlagt. Ob Instrument oder Gesang – beides wurde gepflegt. Im Kindergarten – wie schon gesagt – lernte ich nicht nur zu singen, sondern auch Instrumente zu spielen: Blockflöte, Xylophon, Triangel. Später, als Schüler, nahm ich Gitarrenunterricht, und mit 35 Jahren stieg ich in die Blasmusik ein – zunächst mit der Trompete und ab 2009 mit der Tuba. 14 Jahre lang war ich Mitglied im Schülerblasorchester und bin immer noch in der Brüderblaskapelle aktiv.

Mit meinen beiden Schwestern habe ich beim Geschirrabspülen die Radiohits mitgesungen, und vor dem Schlafengehen ließen wir – sogar mehrstimmig – volkstümliche Lieder („Hoch auf dem gelben Wagen“, „Wenn wir erklimmen schwindelnde Höhen“ usw.) erklingen. Nach dem Stimmbruch sang ich im Kirchenchor die Bassstimme.

Was bedeutet für Sie der Atem beim Singen?

Gerade beim Psalmodieren – dieser ruhige Atemzug in der Versmitte – stellt sich die Frage: Wie findet man hier die Ruhe und Zeit?  Der Atem beim Singen ist ganz wichtig. Beim psalmierenden Gebet ist die Atempause der sogenannte Asteriscus, der die erste von der zweiten Psalmvershälfte trennt. Er ist die eigentliche Atempause innerhalb eines Psalmverses. So kann das alternierende Beten, also der Wechsel von der einen zur anderen Chorseite, im meditativen Duktus (Gesangsfluss) bleiben.

Der Atem ist für mich persönlich der Heilige Geist, der in mir und in jedem weht. Das Einatmen eröffnet über die Luftröhre den Weg für den Heiligen Geist in unser Innerstes. Er erfüllt den ganzen Menschen mit göttlichem Odem. Das Ausatmen ist das Einüben ins Loslassen des Geistes, damit er weiterwehen kann, wo er will.

     

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Singen Sie lieber auf Latein oder Deutsch?

Unser Gebet an den Werktagen ist in deutscher Sprache. Sonn- oder feiertags singen wir die Vesper (das Abendgebet) in lateinischer Sprache. Intensität besitzen beide Sprachen: Die sich wiederholenden Texte gehen einem in den vielen Jahren der Praxis in Fleisch und Blut über und prägen sich so ins Gedächtnis. Wenn ich Psalmen auswendig mitsingen kann, merke ich, wie das Gebet mich trägt – und ich das Gebet mittragen kann.

Liegt mehr Spiritualität im Lateinischen oder im Deutschen?

Geisterfüllt sind beide Sprachen. Es kommt immer darauf an, wie ich mich auf das jeweilige Beten einlasse. Mit welcher Verfassung komme ich gerade in die Gebetszeit? Kann ich da etwas loslassen und meine Emotionen wieder beruhigen, wenn zum Beispiel ein nervenaufreibender Moment hinter mir liegt?

Wo findet sich für Sie Spiritualität auch in der weltlichen Musik?

Da denke ich sofort an die Songgruppe Mr. Mister mit dem Titel „Kyrie“ von 1985. Darin spielt das göttliche Geleit auf den irdischen Wegen eine Rolle. Oder „Hymn“ aus dem Jahr 1977 von der britischen Rockgruppe Barclay James Harvest, worin Jesu Geburt in dieser Welt besungen wird. Ebenso fällt mir die kalifornische Rockgruppe Linkin Park mit „One More Light“ aus dem Jahr 2017 ein, worin – wie im biblischen Psalm 39 – die Flüchtigkeit irdischen Lebens und das Mitgefühl bzw. die Sorglosigkeit darüber besungen wird.

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Mit der Formation „Die Priester“ hatten Sie großen Erfolg. Was berührte Sie dabei am meisten?

Zwischen 2010 und 2019 habe ich diese einzigartige Erfahrung machen dürfen. Zusammen mit Stephan (Rhabanus) Petri und Andreas Schätzle zu kreieren und zu konzertieren war einfach nur ein tolles Erlebnis. Besonders die Backstage-Gespräche während der Fernsehshows waren sehr berührend: Da lernte ich Künstler kennen, die zunächst mit uns nichts anfangen konnten, dann aber – nach Tuchfühlung – aufgetaut sind und von ihrer religiösen Vergangenheit und von ihrem Glauben erzählten. Ich denke da an Peter Maffay, André Rieu oder Patricia Kelly.

Pater Vianney Meister, Chefkantor der Mönchs-Schola von Sankt Ottilien, feierte mit dem Trio „Die Priester“ große Erfolge. Ihr Debütalbum „Spiritus Dei" stieg direkt auf Platz 1 der französischen Charts und hielt sich dort wochenlang. In Deutschland erreichten ihre Alben mehrfach die Top 100, darunter „Rex Gloriae" und „Domine". Mit einer Mischung aus sakraler Musik, Klassik und modernen Arrangements erreichten sie ein breites Publikum, auch außerhalb kirchlicher Kreise.

Ein besonderer Höhepunkt war ihre Teilnahme am deutschen ESC-Vorentscheid 2013, bei dem sie mit einer Neuinterpretation des Liedes „Ave Maris Stella" den zehnten Platz belegten. Ihre Konzerte führten sie durch ganz Deutschland, und sie traten in zahlreichen TV-Shows auf. „Die Priester" gelten bis heute als musikalisches Brückenprojekt zwischen Kirche und Popkultur.


Würden Sie Jodeln als Singen bezeichnen? Und haben Sie schon einmal gejodelt?

Beim Stichwort Jodeln denke ich sofort an das Jodeldiplom von Loriot – ein unvergessliches Meisterstück. Fürs Jodeln braucht man einen intakten Zungenmuskel, der auch die Zunge rollend macht. Den perfekten Zungenschlag habe ich nicht, aber von meinem Vater habe ich es mir abgeschaut. Jodeln ist für mich nicht Singen – aber es ist eine nonverbale Ausdrucksweise, linguale Melodien über die Lippen zu bringen.

Wird im Kloster eigentlich getanzt?

Im Kloster wird nicht getanzt. Am Faschingsdienstag wiegt sich der eine oder andere Mitbruder, wenn wir mit der Brüderblaskapelle schmissige Stücke zur Unterhaltung spielen. Ich selbst schwinge gerne auf Hochzeiten das Bein – besonders, wenn ich mit der Braut tanzen darf.

Verraten Sie uns Ihr Lieblingslied und Ihren Lieblingskomponisten?

ABBA ist für mich die zeitloseste Musikgruppe. Mit ihren vielen Songs ist sie heute noch in meiner Erinnerung und meinem Herzen: „The Winner Takes It All“, „Dancing Queen“ oder „I Have a Dream“. Das sind alles Lieder, die unvergessen bleiben.

Meine Lieblingskomponisten sind Johann Sebastian Bach und Wolfgang Amadeus Mozart. Ohne sie wäre unsere Musikwelt undenkbar! Die gehören einfach zu meinem Leben dazu.

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Monika Drasch
Artikel von Monika Drasch
Musikerin, Podcasterin
Alpenrock-Fans kennen sie als die Frau mit der Grünen Geige. "Lieder zwischen Himmel und Erde" heißt ihr monatlich erscheinender Podcast auf innehalten.de.