Interview mit Bruder Felix Weckenmann
Bruder Felix Weckenmann leitet die Gärtnerei des Klosters Beuron im Donautal. In der Verbindung von Gebet und Gartenarbeit hat er hier sein persönliches Glück gefunden. Vor unserem Gespräch an einem warmen Frühsommertag hat er gerade noch die frisch gepflanzten Artischocken gegossen.
Bruder Felix, woher kommt Ihre Begeisterung für Natur und Garten?
Meine Begeisterung für die Natur ist im Lauf der Jahre gewachsen. Irgendwie unbemerkt. Ich war schon immer ein Naturmensch, war immer gerne draußen. In meinem Gärtnerberuf hatte ich ursprünglich eher das Interesse am Technisch-Kulturellen, also am Kultivieren der Pflanzen. Das habe ich heute als Leiter der Klostergärtnerei natürlich auch noch. Aber im Lauf der Jahre hat sich mein Blick geweitet. Heute denke ich, dass ich Teil eines großen Ganzen bin, also Teil der Schöpfung Gottes. Das merke ich dann, wenn ich meine Klosterzelle verlasse und auf unsere große Terrasse gehe, die mit Gartenplatten belegt ist. Und da denke ich mir jedes Mal: Zwischen diesen Plattenfugen grünt und blüht es, das ist unfassbar. Was sich da abspielt an Leben: Das ist ein eigener Kosmos! Das habe ich lange missachtet. Und mit dem, was die Natur ohne unser Zutun zwischen diesen Plattenfugen hervorbringt, was sich dort ereignet an Leben, mit dem fühle ich mich heute verbunden. In der Natur bin ich dann auch ein anderer Mensch.
Die Natur hat im Lauf der Jahre auch grundsätzlich etwas in Ihnen verändert: Sie hat Sie Gelassenheit gelehrt.
Ja, denn ich habe bemerkt, dass sich die Gräser, Blumen und Moose im Prinzip nicht um ihre Zukunft kümmern müssen. Klima und Wetter sorgen dafür, dass alles gedeiht und wir Menschen gar nicht nachkommen, dass alles immer wieder zu entfernen. Deshalb habe ich erkannt: Was in der Natur sein soll, das geschieht! Analog auf mein Leben angewandt, heißt das: Was in meinem Leben sein soll, das wird geschehen. Da ist meine Aufgabe nur, es nicht zu verhindern. Auch mir geht es immer noch so, dass ich Pläne schmiede, darum kämpfe und mich dann wundere, dass es nicht funktioniert. Und natürlich muss man hier und da auch einmal kämpfen. Aber man kann sehr viel mehr im Leben laufen lassen, als man denkt.
Die Arbeit im Garten endet nie. Oft können Sie aber etwas nicht tun, weil die Glocke Sie zum Gebet ruft. Welche Rolle spielt die Verbindung von Gebet und Arbeit in ihrem Gärtner-Dasein?
Wenn das Chorgebet meiner Arbeit im Weg stehen würde, dann stimmt etwas nicht. Natürlich gibt es Ausnahmen, für die ich das Gebet ausfallen lasse. Aber generell ist das Gebet wichtig für mich, damit ich meine beruflichen Entscheidungen für die Gärtnerei aus der richtigen Einstellung heraus tun kann. Hier habe ich festgestellt, dass ich die besten Entscheidungen treffe, wenn ich weg bin von der Arbeit. Mir kommen die besten Gedanken oft im Chorgebet. Die Zeit im Chor ist also keine verlorene Zeit. Bei mir sind Arbeit und Gebet eins, das gehört zusammen. Ich kann es letzten Endes nicht trennen. Nehmen wir zum Beispiel die Artischocken, die ich gerade gepflanzt habe: Auf sie schaue ich und gieße sie zum richtigen Zeitpunkt. Dem dienen zu dürfen, dass im Klostergarten etwas wächst, das ist für mich auch Gottesdienst.
Was die Natur aus sich heraus hervorbringt, versetzt Sie immer wieder ins Staunen. Das haben Sie sogar zu einer Lebenshaltung gemacht, die man einüben kann.
Ja, das stimmt. Wenn sich Pflanzen weiterentwickeln, geschieht das in aller Ruhe, ohne Aufregung und Lärm, aber stetig und gewissermaßen unaufhaltsam. Diese Kraft, die in der Natur steckt, wirkt gleichsam spielerisch, in jedem kleinen noch so unscheinbaren Pflänzchen. Davon kann ich für mich eine Menge lernen, wenn ich mir die Zeit nehme, genau hinzuschauen. Deshalb freue ich mich inzwischen über jedes Pflänzchen, das es wagt, unsere so penibel geplanten Kulturlandschaften zu besiedeln. Was diese scheinbar so schwachen Pflanzen zu Wege bringen, ist doch unglaublich. Für mich ist all das ein Zeichen der Lebendigkeit, des Schönen, der unbändigen Kraft der Natur. Der Natur, die die Dinge nicht macht, sondern werden lässt. Die nicht Gewalt ausübt, sondern spielerisch immer wieder Neues ausprobiert und entdeckt. Und dadurch hilft, auch das Überleben von uns Menschen zu sichern, wenn wir es nur zulassen. Und was mich als Gärtner nach über vierzig Jahren immer noch ins Staunen versetzt, ist, zu sehen, wie aus einem Samenkorn eine neue Pflanze entsteht. Ich sehe das jedes Jahr tausendfach. Die Kraft der Natur und der kultivierte Garten: Das alles kann ich täglich in einer Art Achtsamkeitsübung staunend betrachten.
So langsam geht es Richtung Hochsommer. Freuen Sie sich schon auf diese Jahreszeit?
Ja, natürlich. Im Frühjahr haben wir in der Klostergärtnerei viel Arbeit, die man eigentlich kaum bewältigen kann. Im Sommer normalisiert sich alles, da geht es dann eher um die Pflege der Pflanzen. Und wenn die Arbeit weniger wird, habe ich dann auch mehr Zeit zum Staunen. Gar nicht mehr zu staunen, wäre für mich unvorstellbar!