Ein großer Star des Jazz
Besuch bei Jazz-Legende Billy Harper
Billy Harper ist eine Jazz-Legende. Im exklusiven Interview erzählte uns der Saxofon-Virtuose aus Texas, wie er sich fit hält, worum es in der Jazzmusik geht und was Spiritualität für ihn bedeutet.

Mr. Harper, Sie sind jetzt 82 Jahre alt. Ohne Ihnen zu nahe treten zu wollen: Fühlen Sie sich wie ein alter Mann?
Überhaupt nicht. Ich gehe immer noch morgens erst mal zehn Kilometer joggen. Ich fühle mich gut. Außerdem habe ich nie getrunken, ich war immer gesund.
Andere Leute in Ihrem Alter genießen normalerweise den Ruhestand – Sie reisen immer noch um die Welt und geben Konzerte, warum?
Eigentlich habe ich nie darüber nachgedacht, warum ich das nicht tun sollte. Ich bin dazu in der Lage, und das ist mein Leben! Die Musik ist in mir immer noch lebendig, und ich muss ihr Ausdruck verleihen.
Stellen Sie sich vor, Sie treffen jemanden, der nicht weiß, was Jazzmusik ist. Wie würden Sie ihm mit Worten beschreiben, worum es beim Jazz geht?
Oh, ich habe schon einige solche Leute getroffen! Ich glaube, am wichtigsten ist es, zu verstehen: Beim Jazz spielt man das, was man fühlt. Man drückt seine persönlichen Gefühle aus. Es geht nicht so sehr um das, was der Komponist im Sinn hatte, sondern um das, was man selbst zu sagen hat – eine sehr demokratische Sache, finde ich.
Ist Jazz immer heiter und verspielt oder kann er auch traurig sein?
Aber ja, natürlich kann er auch traurig sein! Da gibt es eine ganze Bandbreite von Gefühlen. Wenn jemand eine sehr traurige Melodie komponiert oder spielt, spiegelt sich darin wider, was er in diesem Moment fühlt. Im nächsten Moment spielt er vielleicht eine fröhliche Melodie.
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Innehalten Cover 7-2025
Wenn Sie Saxofon spielen – ist das für Sie etwas Spirituelles?
Auf jeden Fall. Ich spiele nicht nur auf einer mechanischen Ebene. Wenn ich mich in der Musik ausdrücke, muss da etwas von einer höheren spirituellen Ebene kommen.
In der Musik kann ich das Gefühl haben, Gott zu berühren..
Haben Sie jemals Jazz in einer Kirche gespielt?
Ja! (lacht) Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen, deren Mann Pfarrer war. Daher war ich als Kind ständig in der Kirche, in der African Methodist Episcopal Church. Als man mich gebeten hat, Musik zu spielen, habe ich die üblichen Kirchenlieder gespielt, aber auch so etwas wie Jazz. In der Kirche habe ich vermutlich auch von klein auf gelernt, das Spirituelle zu spüren: Da waren großartige Sänger, die so richtig bei der Sache waren, und ich habe einfach mitgesungen. Und noch heute geht es mir so: Wenn man sich einstimmt und in der Musik miteinander harmoniert, dann springt ein spiritueller Funke über. Es ist wie Magie.
![Für das Exklusiv-Interview mit [inne]halten-Redakteur Joachim Burghardt nahm sich der Jazzmusiker in München extra 45 Minuten Zeit. Gleich danach brach er mit seinem Billy Harper Quintet zur nächsten Station auf seiner Europatour 2025 auf.](https://www.michaelsbund.de/out/SMB/img/spinner.gif)
Ist Spiritualität also etwas, was man lernen kann?
Der Geist ergreift manchmal Besitz von einem, ohne dass man es merkt. Wenn zum Beispiel die Eltern sagen, dass das Kind regelmäßig in den Gottesdienst gehen soll, dann tun sie das vielleicht in der Überzeugung, dass man das einfach tun sollte und dass es gut fürs Kind ist. Aber unbewusst passiert da oft noch etwas anderes, und erst später im Leben begreift man, dass man dadurch insgesamt ein spiritueller Mensch geworden ist. Meine Oma hat oft zu mir gesagt: Du wirst ein Prediger! Ich habe mich immer gewehrt und gesagt: Nein, auf keinen Fall! (lacht) Heute habe ich manchmal das Gefühl, dass ich doch ein Prediger geworden bin – einer, der mit dem Saxofon predigt, ohne Worte.
Interessieren Sie sich eigentlich auch für Politik und verfolgen die aktuellen Diskussionen rund um Krieg und Frieden oder das Verhältnis zwischen den USA und Europa?
Nein, nicht wirklich. Ich will nichts Schlechtes über die Politik sagen, aber da geht es
um den menschlichen Wunsch, zu kontrollieren und zu leiten, und das interessiert mich nicht. Ich konzentriere mich auf die Musik – da fühle ich mich sicher.
Haben Sie Pläne für die Zukunft?
Ich habe mir keinen genauen Plan zurechtgelegt. Aber ich werde Musik machen, bis ich sterbe – das ist mein Plan! Einfach weitermachen.
Welchen Rat würden Sie jungen Menschen geben?
Egal, was passiert, es geht immer weiter. Und es gibt einen Gott. Wenn du es schaffst, eine Verbindung mit ihm herzustellen, ist alles in Ordnung.
Interview und Übersetzung ins Deutsche: Joachim Burghardt