Glaubenswelten
13.05.2025


Kirchen in München

45 Kirchen an einem Tag

Als „Pilger der Hoffnung“ im Heiligen Jahr 2025 haben wir uns auf den Weg gemacht und alle Kirchen der Münchner Innenstadt abgewandert.
    

Eine versteckte Kirche für Kenner: die Redemptoristenkirche in der Kaulbachstraße. Eine versteckte Kirche für Kenner: die Redemptoristenkirche in der Kaulbachstraße. Foto: © Burghardt

45 Kirchen an einem Tag zu Fuß zu besuchen – dieses ungewöhnliche Vorhaben bedarf wohl einer Erklärung. Man könnte kritisch fragen: Ist es nicht oberflächlich, so viele Gotteshäuser quasi im Vorbeigehen „abzuhaken“? Ist das kirchlicher „Fast-Food-Tourismus“? Diese Fragen sind berechtigt – und machen die unkonventionelle Idee gleich noch spannender. Bereits vor dem Loswandern ist man schon gezwungen, über Sinn und Unsinn der Unternehmung zu philosophieren. Und wie beim klassischen Pilgern hat damit die Reise schon vor dem ersten Schritt begonnen – im Kopf.

Aber wie kam es überhaupt zur Idee? Gedanklicher Ausgangspunkt dieser „Münchner Kirchenwanderung“ war die Ausrufung des Heiligen Jahrs 2025 unter dem Motto „Pilger der Hoffnung“ durch Papst Franziskus. Dabei wird dazu ermutigt, sich auf Pilgerschaft zu begeben; mindestens geistig, noch besser im Sinne einer echten Pilgerfahrt, wofür auch im eigenen Heimatbistum mehrere offizielle „Jubiläumskirchen“ als empfohlene Ziele nominiert sind; in München die Jesuitenkirche St. Michael und der Liebfrauendom.

„Viel hilft viel“

Eine weitere Inspirationsquelle war die römische Sieben-Kirchen-Wallfahrt – eine alte Tradition, bei der sieben bestimmte Pilgerkirchen in Rom allesamt an einem Tag abgewandert werden. Warum macht man das? „Viel hilft viel“, sagt der Volksmund, und es ist ja auch von diversen Gebetspraktiken wie dem Rosenkranz, der Heiligenlitanei oder dem Herzensgebet bekannt: Aus der Aneinanderreihung vieler Einzelteile entsteht ein Rhythmus mit einer ganz eigenen „Spiritualität der Wiederholung“. Warum also nicht auch viele Kirchenbesuche aneinanderreihen?

Von hier war es kein großer Schritt mehr, eine Wanderung zu den zahlreichen Münchner Innenstadtkirchen in den Blick zu nehmen – nicht zu einer, nicht zu sieben, sondern zu allen! Das ergibt eine Pilgertour mit sowohl sportlichen als auch spirituellen Komponenten, ein heimatkundliches Abenteuer mit sakralem Sammeleifer, eine Inventur der kirchlichen Brückenköpfe im säkularen Stadtdschungel, ein Aufspüren spiritueller Haltepunkte inmitten des rastlosen Dröhnens …
   

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Start in Bogenhausen

Nach Wochen der Planung beginnt die Unternehmung bei leichtem Nieselregen in Bogenhausen, wo mein Wandergefährte und ich die alte Dorfkirche St. Georg mit ihrem wunderschönen Friedhof besuchen. Dann wechseln wir ins Lehel hinüber und ziehen am Altenheim Vincentinum vorbei, dessen Kirche seit einem Brand an Weihnachten 2024 nicht zugänglich ist. Und nun auf nach Haidhausen! Von „Maria Heil der Kranken“ im Krankenhaus rechts der Isar über St. Nikolai am Gasteig, die von außen nicht sichtbare Hauskirche im St. Josefsheim, die große Pfarrkirche St. Johann Baptist, die alte Haidhauser Kirche mit Friedhof, die Jugendkirche im Kirchlichen Zentrum und St. Elisabeth wandern wir nach St. Wolfgang. Es geht hinab in die Au zur Mariahilfkirche, den Giesinger Berg hinauf nach Heilig Kreuz, dann hinüber in die Isarvorstadt.

Auf die Hauskirche im Kreszentia-Stift folgen St. Anton und St. Andreas, bevor wir über die Theresienwiese nach St. Paul und weiter ins Westend nach St. Benedikt gelangen. Der Arnulfsteg führt uns über die Gleise nach Neuhausen, wo wir bei St. Vinzenz die Hälfte der Wegstrecke geschafft haben. Mit St. Benno und St. Joseph folgen zwei große Vorstadtkirchen, bevor wir uns die Hauskirche des Priesterseminars zumindest von außen anschauen und ins Univiertel eintauchen: Auf die Redemptoristenkirche folgen das Georgianum (mit verborgener Hauskirche Coena Domini) und St. Ludwig, dann geht’s zu den beiden St.-Anna-Kirchen ins Lehel und abermals in die Isarvorstadt. Dort wartet mit Herz Jesu ein wenig bekanntes Betonjuwel und mit St. Maximilian das „Notre-Dame der Isar“.

Nur drei Innenstadtkirchen mit Friedhof

St. Stephan am Alten Südfriedhof ist eine von nur drei Kirchen mit Friedhof, dann folgen in der geschlossenen Frauenklinik in der Maistraße und im LMU Klinikum Innenstadt zwei altehrwürdige Klinikkirchen. St. Elisabeth in der Mathildenstraße ist ostkirchlich eingerichtet, St. Bonifaz in der Karlstraße vereint auf individuelle Weise Epochen, Stile, Weltkriegsnarben und ein Königsgrab.

Schon sind wir in der Altstadt angekommen, wo es nun Schlag auf Schlag geht: Von der Dreifaltigkeitskirche ziehen wir nach St. Kajetan und über den Marienplatz nach St. Peter und nach Heilig Geist. Über St. Jakob am Anger spazieren wir zur Asamkirche und weiter zur Kreuzkirche, zur Damenstiftskirche und zur Herzogspitalkirche. In der Fußgängerzone sind der Bürgersaal und St. Michael unsere letzten Stopps, bevor unsere Pilgertour nach exakt neun Stunden im Dom zu Ende geht.
   

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Unzählige Impressionen

Auch wenn wir jede Kirche nur kurz besuchen konnten: Wir haben sie alle – sofern geöffnet – betreten, haben innegehalten, Raum und Ausstattung auf uns wirken lassen, manches auch etwas länger angeschaut. Und so schwirren uns bei der abschließenden Einkehr unzählige Impressionen durch den Kopf: moderne Orgelklänge eines probenden Organisten – eine Lektorin, die in leerer Kirche eine Lesung übt – unterschiedliche Weihrauchdüfte – der vielfach gehörte Klang einer Münze beim Fallen in den Opferstock – das karitative Mittag-essen der „Antoniusküche“ in St. Anton –die beeindruckende Pracht von St. Benno – die Vielfalt der Bau- und Kunststile – eine Chorprobe im Dom – wohltuende Ruhe …

Als ob all das noch nicht genügt hätte, bekommt dieser denkwürdige Tag noch einen unvergesslichen Schlusspunkt: Es ist der Abend des 8. Mai, und während wir bei Speis und Trank unsere Tour feiern, wird aus dem Vatikan plötzlich weißer Rauch gemeldet, habemus papam! Und wie so oft beim Pilgern lassen uns Zufälle und Fügungen schmunzeln: Haben wir uns nicht den ganzen Tag hindurch gewundert, auf wie vielen Wirtshäusern uns der „Augustiner“-Schriftzug begegnet? Und sind wir nicht zufällig genau am US-amerikanischen Generalkonsulat vorbeigewandert? Nun, jetzt ist ein US-amerikanischer Augustiner neuer Papst. Und dem senden wir Münchner Kirchenwanderer ein herzliches Servus und viele Segenswünsche nach Rom!

Als Innenstadt wurde – unabhängig von Pfarreien oder Stadtbezirken – das Gebiet innerhalb eines Radius von 2,5 Kilometern rund um den Dom definiert; das ist in etwa das alte München vor hundert Jahren. Dort gibt es 43 katholische Kirchen. Zwei davon (im Priesterseminar und im Herzoglichen Georgianum) sind nicht öffentlich, vier weitere wegen Sanierung geschlossen (Vincentinum, St. Maximilian, Frauenklinik Maistraße und Damenstiftskirche). Zusätzlich wurden als 44. und 45. Kirche in die Wanderung integriert: die kürzlich profanierte Hauskirche des Josefsheims sowie St. Vinzenz in Neuhausen (knapp außerhalb des 2,5-km-Radius). Ein paar Kirchen fanden wir verschlossen vor, 34 konnten wir tatsächlich betreten. Von Bogenhausen aus arbeitet man sich im Uhrzeigersinn schneckenförmig ins Stadtzentrum vor, kommt so an allen Kirchen vorbei und erreicht nach rund 35 Kilometern den Dom.

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Joachim Burghardt
Artikel von Joachim Burghardt
Redakteur
Immer auf der Suche nach spannenden, kontroversen und kuriosen Themen rund um Glauben und Wissen.