penelopes sch( )iff

postepos
35,00 €
(inkl. MwSt.)
Versandkostenfrei in DE
Sofort lieferbar
Buchprofile - Rezension
Freiheitsliebe und Abenteuerlust: Ulrike Draesners Meerfahrt mit Penelope ist eine fabelhafte Korrektur und Weitererzählung der patriarchalischen Odyssee.
Am Ende der Odyssee gehen Odysseus und Penelope ins Bett, der Liebes- und der Erzähllust wegen. Aber da, wo Homer sein Epos endigt, fängt es für Ulrike Draesner erst an. Sie hat schon das Nibelungenlied aus Sicht der mitkämpfenden und -leidenden Frauen nacherzählt (2016, in BP/mp nicht bespr.). Auch ihr neues Buch ist ein Postepos. Es erzählt, elektrisiert von Emily Wilsons englischer Neuübersetzung der Abenteuer des „Lord of Lies“, vom Schicksal der Penelope. Aus dem Schatten der jahrzehntelang treuselig auf den Ehemann wartenden und sich die Freier vom Leibe haltenden Ehefrau wird sie herausgeholt und zur mit allen Wassern gewaschenen Muse des mythischen Helden gemacht. Ulrike Draesner schickt ihre Figur auf eine ihrerseits abenteuerliche Reise. Mit 100 Frauen, ihren Töchtern, Freundinnen, Mägden und Sklavinnen, sticht sie in See. Aber keine Argonautenfahrt findet hier statt, kein Goldenes Vließ wird gesucht. Sondern etwas viel Persönlicheres, Eigentümlicheres: das, was die Frauen auf dem Meer zusammenhält. Es sind die Entdeckungen und Erlebnisse, die sie in ihren Erzählungen und Erinnerungen miteinander teilen, den Umgang mit Mangelwirtschaft und die Erfindung des Haushaltsbuchs, die Züchtung seltener Tierarten und das Lesen der Sterne, die Chirurgie und die Einlagerung von Gurken, das Muskeltraining an Rudergeräten und den Abschied von posttraumatisch belasteten Kriegsheimkehrern (wie Odysseus) – bis zur Landung in der venetianischen Lagune. Ulrike Draesner geht freimütig mit Homers Stories und Figuren um. Sie lässt einige beiseite und andere überleben. Sie verteilt die Rollen der Sprecher auf Penelopes Töchter (darunter Medusa) und eine aufmüpfige Magd (Melantho). Der Text von „Penelopes Sch( )iff“ (in die ungefüllte Klammer kann man ein „l“ lesen, mit dem die Autorin ihrem Postepos einen neuen ‚Schliff‘ gibt) ist in einem quicklebendigen, durch griechische Wörter und phönizische Lettern aufgerauten Deutsch geschrieben. Der homerische Hexameter wird ausgelagert auf eigene Seiten, wo er bloß als Kommaregen herabrieselt, mit ‚eingejandlten‘ Leerstellen, die wie der Wurm im Apfel (in Jandls berühmtem Gedicht) auf die unscheinbare Löchrigkeit des Mythos hinweisen. Auch solche Formexperimente machen die Lektüre zu einem großen Vergnügen. Ulrike Draesners Postepos entdeckt Penelope als listige Kriegerin, als kühne Migrantin und Abenteurerin, als Hausmutter und Liebende, als Gründungsfigur von Venedig. – Eine fabelhafte alternative Weitererzählung des klassischen Mythos und eine frauen- und freiheitsbewusste Korrektur der patriarchalischen Vorlage.
Weiterlesen

Artikelbeschreibung


Die »Odyssee« neu erzählt als Geschichte ihrer unterschlagenen Heldinnen

Wie kann man dem größten Mythos der abendländischen Kulturgeschichte angemessen begegnen? Man packt ihn in ein Gurkenglas - immerhin muss er transportiert werden.

So jedenfalls machen es Penelope und ihre Begleiterinnen, wenn Ulrike Draesner sie hinaus aufs Meer schickt, um der Welt eine alternative Erzählung zur patriarchalen Vorlage zu schenken.

Penelope - Inbegriff der treuen Gattin, makellos in der Erfüllung ihrer Rolle als bescheiden dienende Ehefrau. Ulrike Draesner wirft dieses Narrativ beherzt über Bord und ermöglicht eine Vielzahl neuer Perspektiven: auf die Person Penelope und ihre Wünsche, ihre Tatkraft, ihren Aufbruch in ein neues Leben. Auf die bis heute prägende Kraft der Frauen- und Männerbilder des alten Griechenland. Und nicht zuletzt auf die Frage danach, was gute Regierung bedeutet. Draesners Penelope ist klug, leidenschaftlich, freiheitsliebend. Als deutlich wird, dass
der so traumatisierte wie brutalisierte Kriegsheimkehrer Odysseus als Herrscher nicht mehr tragbar ist, sticht sie gemeinsam mit hundert Frauen in See. Mit Listen, die u.a. Sirenen, Großmütter und fliegende Fische enthalten, entkommt man auf dem eigens angefertigten Schiff den Verfolgern. Abenteuerlich wird die Fahrt. Nicht nur geografisch führt sie ins Ungewisse. Der Unterschied zwischen freien Helleninnen und ihren aus Afrika stammenden Sklavinnen schmilzt als erstes dahin. Immer mehr Frauen erheben die Stimme und verlangen ihre Rechte. Am Ende landet eine bunte Gesellschaft in jener Lagune an, die wir heute Venedig nennen. Es gilt, ein neues Zuhause für alle zu schaffen. Sogar die Mücken bekämpft man am besten - gemeinsam.

Ulrike Draesners Relektüre der Urerzählung abendländischer Literatur berauscht durch Furchtlosigkeit, Erfindungsreichtum, Witz und poetischen Furor. Alles gerät in Bewegung in diesem Postepos und bleibt zugleich immer in Verbindung: Sprachen, Räume,
Zeiten, Bedeutung. Die Vielstimmigkeit und Vielgestaltigkeit, die in Homers Hexametern bereits angelegt ist, werden durch Ulrike Draesner kühn und hellsichtig weitergedacht. So entsteht ein Text- und Klanggewebe, das den Mythos unter anderen Vorzeichen auf elektrisierende Weise neu belebt.

»Die Figur erschien - und mit ihr eine Idee. Ich wollte Penelopes Geschichte in Überlappung mit dem Ende der Odyssee, wie es aus der Antike überliefert ist, erzählen. Vor allem aber wollte ich von Penelope erzählen in jenem dunklen Raum, in dem üblicherweise nur noch der Abspann läuft. Im Danach. Nun, erst nun, hören wir auch ihre Version der Geschichte.«

Die Odyssee neu erzählt als Geschichte ihrer unterschlagenen HeldinnenEin sprachschöpferisches und intellektuelles Abenteuer, das seinesgleichen sucht»Die Lyrik von Ulrike Draesner ist für das Hören gemacht - sie ist Sprachmusik.« Margrit Irgang, SWR2

Produktsicherheit

Hersteller: Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH
Anschrift: Neumarkter Straße 28|81673|München|DE
Kontakt: produktsicherheit@penguinrandomhouse.de

Personeninformation


Ulrike Draesner, 1962 in München geboren, wurde für ihre Romane, Essays und Gedichte vielfach ausgezeichnet. Zuletzt erhielt sie den Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung und den Großen Preis des Deutschen Literaturfonds für ihr Gesamtwerk, das multimediale Arbeiten und Übersetzungen einschließt. Ihr Roman Die Verwandelten war für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Die Jahre 2015 bis 2017 verbrachte Draesner in England. Nach verschiedenen internationalen Gastdozenturen und Poetikvorlesungen ist sie seit April 2018 Professorin am Deutschen Literaturinstitut Leipzig. Sie ist Mitglied der Akademie der Künste Berlin und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Draesner lebt mit ihrer Tochter in Berlin.
Mehr von Draesner, Ulrike

Bewertungen

Die Bewertungen werden vor ihrer Veröffentlichung nicht auf ihre Echtheit überprüft. Sie können daher auch von Verbrauchern stammen, die die bewerteten Produkte tatsächlich gar nicht erworben/genutzt haben.