Achtsamkeit
13.05.2024


Alltagsspiritualität

Was im Leben wichtig ist: Spirituelle Lehrer und Abhängigkeit

Der 70-jährige Bestsellerautor und spirituelle Lehrer, Pierre Stutz, antwortet auf spirituelle Fragen der jungen Moderatorin Michelle Mink. Dieses Interview basiert auf der sechsten Folge des Video-Podcasts „Was im Leben wichtig ist“.

Foto: © SMB

Michelle Mink: Lieber Pierre, Du bist ein Bestsellerautor und bewegst Menschen, mit dem was schreibst. Ich war auch auf einer Buchvorstellung von Dir und habe gesehen, wie Dir alle gebannt zugehört haben und sich danach um Dich geschart haben. Ich erlebe Dich ja auch als charismatische Persönlichkeit. Spürst Du als spiritueller Lehrer, die Gefahr, andere von Dir abhängig zu machen?

Pierre Stutz: Das nehme ich schon wahr. Auf der einen Seite bin ich dankbar, Resonanz zu spüren, dass meine Worte andere Menschen berühren können. Für mich ist es immer das schönste Kompliment, wenn Leser mir schreiben, sie hätten das Gefühl, ich hätte dieses Buch nur für sie geschrieben, weil sie darin einen Teil ihres Lebens wiederfinden. Und dann gebe ich das an den Himmel weiter. Ich mache wirklich diese Geste und deute mit der Hand nach oben, weil ich das abgeben möchte. Denn ich will nicht, dass bei jemandem eine Abhängigkeit von mir entsteht. Das fordert mich heraus, achtsam zu sein und mich selbst auch in Frage zu stellen. Aufrichtig zu schreiben ist harte Arbeit und wenn es mir gelingt, dann verstehe ich das auch als ein Geschenk. Dadurch möchte ich meine Person in einem guten Sinne relativieren.

Wie stark dürfen spirituelle Lehrer und Lehrerinnen Menschen beeinflussen, die zu ihnen kommen? Diese Menschen wollen sich ja bewusst und freiwillig an jemandem orientieren.

Stutz: Um ich selbst zu werden, brauche ich immer wieder Inspiration. Die kann ich der Bibel finden, in einem Roman oder durch einen Menschen, von dem ich spüre, dass er Kräfte in mir weckt. Da werden, wie Jesus von Nazaret sagt, Talente geteilt und verdoppelt. Dabei muss aber die zentrale Grundhaltung sein: es ist eine Einladung ist, der andere ist frei. Ich möchte darauf vertrauen, dass der andere selbst seinen Weg findet. Ich sehe mich als Augenöffner, der Menschen ermutigt, nicht auf das Negative fixiert zu bleiben, sondern zu entdecken, was alles schon gewachsen ist im Leben. Ich bestärke die Menschen, ihrer Intuition noch mehr zu vertrauen, kritisch zu sein und sich nicht von anderen blenden zu lassen.

Wie erkenne ich bei mir selbst, oder auch bei den Menschen in meinem Umfeld, dass sie in einer ungesunden Beziehung zu ihrem spirituellen Lehrer stehen? Soll ich mich da einschalten?

Stutz: Ich würde es tun. Das gilt aber für jede „toxische“ Beziehung. Ich glaube, da darfst du dem anderen sagen: Ich habe ein ungutes Gefühl, wie du dich gerade entwickelst, ich erkenne dich immer weniger. In Freundschaften ist es wichtig, einander etwas zu spiegeln. Beim anderen muss ankommen: Weil du mir wichtig bist, möchte ich dir raten, da genauer hinzuschauen.

(Redaktion: Alois Bierl)

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Michelle Mink
Artikel von Michelle Mink
Volontärin
Arbeitet crossmedial im Michaelsbund und wird an der Journalistenschule ifp ausgebildet.