"Kommunizieren durch Musik
macht glücklich"
Elisa Gogou ist Dirigentin und wird ab der Spielzeit 2026/27 neue Generalmusikdirektorin am Landestheater Niederbayern. Wir haben mit der Griechin über ihren musikalischen Werdegang, die Interaktion mit dem Publikum und Spiritualität in der Musik gesprochen.

Wie sind Sie zur Musik gekommen?
Meine erste Begegnung mit der Musik war bestimmt im Bauch meiner Mutter. Sie hat ununterbrochen griechische Lieder gesungen, sogar im Meer beim Schwimmen. Mein erstes Instrument war ein Akkordeon, ein Geschenk meines Vaters. Ich war fünf Jahre alt. Ich hatte dann regelmäßig Volksmusik-Unterricht von einem Bouzouki-Spieler. Viele Jungs haben damals dieses Instrument gelernt. Ich war in einer Gruppe von mindestens 40 Jungen, die Bouzouki spielten, mit meinem Akkordeon das einzige Mädchen.
Ich war fasziniert vom Akkordeonspielen. Während meine Familie Siesta machte, legte ich das Akkordeon auf mein Bett, habe die Tasten gedrückt und mir die Töne vorgestellt, um meine Familie nicht zu stören. Vielleicht war das eine Übung für mein später entdecktes absolutes Gehör. Später, mit acht Jahren, bin ich zum Klavier gewechselt.
Was hat Sie zum Dirigieren gebracht?
Die Einsamkeit, die ich als Pianistin beim Üben und Auftreten erlebt habe. Da bist nur du und der Flügel. Eine sehr persönliche Sache: Die Zuhörer dürfen deine intimsten Gefühle erfahren. Bei der Kammermusik war das anders. Als Kind habe ich jeden Tag im Konservatorium mit Freunden Musik gespielt. Ganz spontan, während der langen Pausen, bis das nächste Fach anfing. Das habe ich immer sehr genossen. Und dann, als ich als Solistin mit dem Orchester spielte, in der Mitte des Geschehens sein durfte und den wunderbaren Klang des Orchesters so nah spürte, wusste ich, dass ich das unbedingt wieder erleben wollte. Das gemeinsame Musizieren. Kommunizieren durch Musik macht glücklich.
Wie überträgt man die eigene Begeisterung für die Musik aufs Orchester?
Die Orchestermusiker finden sowieso Begeisterung in der Musik. Davon gehe ich aus, sonst würden sie einen anderen Beruf wählen. Wenn wir zusammen musizieren, atmen wir gemeinsam, kommunizieren mit den Augen, mit Körperbewegungen, mit Gesichtsausdrücken.
In den Proben vermittle ich oft meine eigenen Bilder oder Gefühle, um den Klang zu kriegen, den ich mir vorgestellt habe. Oder ich verrate interessante Informationen über den Komponisten. Das alles füttert unsere Fantasie und bringt uns der Verwirklichung des gewünschten Klanges näher. Spannend wird es bei langen und schwierigen Opern, wo eine Menge Konzentration und Spannung verlangt ist. Da müssen wir alle die Energie gut einteilen.
Wie spürt man, dass der Funke auf das Publikum überspringt?
Meistens merken wir Musiker in den ersten zehn Minuten einer Aufführung, wie das Publikum drauf ist. Das hängt von sehr vielen Faktoren ab. Eine Nachmittagsvorstellung ist anders als eine am Abend, Kinder reagieren anders als Erwachsene. Und letztendlich bringt jeder Zuschauer seine individuelle Energie in die Vorstellung mit ein. Oft überträgt sich die Gemütslage von uns Musikern direkt ins Publikum. Es gibt auch Vorstellungen, bei denen man denkt, das Publikum sei gefühlsmäßig unbeteiligt – das stimmt aber nicht. Absolute Stille im Zuschauerraum, wo sogar der eigene Atem zu laut wirkt, hat oft mehr Bedeutung als laute Bravo-Rufe.
Es gibt einen „Vertrag“ zwischen Publikum und Bühne: Das Publikum schenkt uns zwei kostbare Lebensstunden seiner Konzentration, während wir auf der Bühne wirken. Stellen Sie sich vor: das Zusammenfinden von tausend Menschen, einander unbekannt, in der Stille … das ist ein Ritual!
Fastenzeit Normalerweise verzichten wir in der Fastenzeit auf etwas. Wie wäre es, in diesem Jahr mal das Gegenteil zu tun - und besonders verschwenderisch zu sein? Zu verschwenden gäbe es viel: Zeit und Geld, Freude und Liebe, Kraft und Hoffnung. Ideen wie so etwas aussehen könnte, finden Sie in der aktuellen Ausgabe! Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.[inne]halten - das Magazin 6/2025
Innehalten Cover 6-2025
Im Wort Begeisterung steckt „Geist“. Wie viel Spiritualität liegt für Sie in der Musik, im eigenen Musizieren, im Dirigieren?
Unzählige Stücke mit spirituellem Thema sind geschrieben und vertont worden, von Bach, Bruckner, Mahler ... Die Spiritualität kann auch ein Zustand sein, der nicht immer mit dem Glauben an Gott zu tun hat. Eine meine Lieblingsopern ist „Król Roger“ von Szymanowski geworden. Die Figur des Hirten ist dem Atheismus gewidmet und seine Musik ist von Spiritualität übervoll. Auch der 3. Satz von Beethovens 9. Sinfonie, obwohl Beethoven nicht besonders religiös war. Ich persönlich befinde mich in einem „spirituellen Modus“, wenn ich allein zu Hause bin und Musik von Bach oder Schubert am Klavier spiele.
Vor mehreren Jahren ist mir beim Dirigieren etwas Merkwürdiges und Wunderschönes passiert. Wir spielten die Frühlingssinfonie von Schumann. In dem Theater, wo die Türen und Fenster sehr weit weg von der Bühne waren, flog ein Schmetterling lange Zeit um mich herum und setzte sich dann auf meine rechte Hand. Das Publikum hielt überrascht den Atem an. Ich war berührt. Kurz zuvor war mein Vater gestorben. Er glaubte daran, dass die Seelen der Verstorbenen sich in Schmetterlinge verwandeln. In diesem Augenblick war ich sicher, dass er bei mir war. Oder war das alles nur ein Zufall?
Sind Konzerte in Kirchen anders als im profanen Konzertsaal?
Vom spirituellen Aspekt für mich während des Dirigierens nicht, aber bestimmt für viele Zuschauer. Die Kirche ist ein Ort des seelischen Friedens und des Gebets. Diese werden durch die Wirkung der Musik mehrfach verstärkt. Was ich aber sicherlich spüre, ist, dass jede Kirche, genau wie jeder Konzertsaal, ihre eigene Energie hat. Und das genau beeinflusst auch die Musiker.
Kann Musik Frieden stiften? Muss sie das sogar?
Diese Frage empfinde ich als zu abstrakt, um sie umfassend beantworten zu können. Folgendes Zitat von Professor Peter Bubmann kommt meinen Vorstellungen von einer Antwort jedoch nahe:
„Manche musikalisch-kulturellen Aktivitäten verstehen sich bewusst als Friedensarbeit oder Friedenserziehung, etwa wie das West-Eastern Divan Orchestra oder wenn Festivals die interkulturelle und interreligiöse Begegnung verschiedener Musikwelten inszenieren und auf eine in differenzierter Vielfalt versöhnte ,World Music‘ abzielen. Musik kann schließlich als Bildungsprozess friedensfördernd wirken (innerlicher Frieden, Gewaltvermeidung, sozialer Frieden, Sinneserfüllung). Musik kann Schlüsselkompetenzen fördern, die Frieden nahebringen.“ (Zitat von Peter Bubmann, Professor für Praktische Theologie an der Uni Erlangen)
Bayern ist reich an musikalischer Tradition, großen klassischen Komponisten, aber auch wertvoller Volksmusik. Auch in Griechenland findet sich beides. Haben Sie schon Volksmusik gehört hier in Bayern? Wenn ja, mögen Sie sie??
In Bayern noch nicht, aber an anderen Orten in Deutschland. Ich mag jede Art von Volksmusik, unabhängig von Region, Land oder Kontinent. Durch sie kann ich in die Seele der Menschen und die Geschichte ihrer Gegend eintauchen. Ich freue mich darauf, die bayerische Volksmusik kennenzulernen.
Verraten Sie uns Ihre Lieblingsmusik?
Janis Joplin und Rembetiko!