Krisen und Chancen
06.01.2025


Mit Musik und Bewegung gegen Einsamkeit

Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl – sie beeinflusst Körper und Geist. Besonders im Winter suchen viele nach Strategien, um sich besser zu fühlen. Musiktherapeutin Simone Plechinger erklärt, wie Musik, Bewegung und Selbstfürsorge helfen, Einsamkeit zu überwinden und neue Kraft zu schöpfen.

Foto: © contrastwerkstat/AdobeStock

Wenig Helligkeit, graue Tage und Nieselregen – was liegt da näher, als sich zurückzuziehen. Wer sich ohnehin einsam fühlt, für den kann der Winter zur Herausforderung werden. Politische Wirren, Extremwetter und Kriege sorgen zudem für Verunsicherung und schlechte Stimmung. „Medien sind voll von dem, was herausfordernd ist und nicht gut läuft", sagt Simone Plechinger. Gerade deshalb ist es aus Sicht der Kelkheimer Musiktherapeutin wichtig, eigene Strategien gegen Einsamkeit zu haben.

„Einsamkeit ist mehr als ein Gefühl", stellt sie klar. Plechinger zitiert das Einsamkeitsbarometer, wonach über 60 Prozent der unter Einsamkeit leidenden Menschen eine unterdurchschnittlich schlechte körperliche Verfassung angaben. Der Zustand belaste nicht nur die Psyche, sondern ziehe körperliche Folgen nach sich – Bluthochdruck, Schlafstörungen, Ängste.

Diese förderten körperliche und geistige Abbauprozesse. Dadurch hätten die Betroffenen „wenig Energie, nach draußen zu gehen, weil sie von den Belastungen des Alltags umklammert sind". Dazu zählen auch Menschen, die sogenannte Care-Arbeit leisten, weiß Plechinger, die unter anderem in einem Hospiz arbeitet. Ein Teufelskreis, der sich aus ihrer Erfahrung aber aufbrechen lässt.


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Musik trägt zum Wohlbefinden bei

Für die Musiktherapeutin kann Musik dabei eine große Rolle spielen. Diese versetze Menschen in eine andere Stimmung, „so können wir gezielt aus dem Einsamkeitserleben rauskommen", erklärt sie. Wer angenehmen Melodien lausche, bei dem vernetzten sich Nervenbahnen neu. Auch Singen oder Summen tragen demnach zum Wohlbefinden sei. Wohltuende Musik sei „intensiv mit Emotionen verknüpft" und mache Lust, sich zu bewegen.

Beim Tanzen etwa würden nicht nur Glückshormone ausgeschüttet; es sorge auch für einen „Synapsenvernetzungsboost". Es gebe keine bessere Prävention gegen eine Demenzerkrankung. Zudem würden beim achtsamen Wahrnehmen von Klängen auch Angst- und Schmerzerleben reduziert. Musik könne deshalb Medikamente sinnvoll ergänzen, sagt Plechinger.

Kraft und Selbstwirksamkeit erleben

Einsamkeit berühre immer auch Fragen der Lebensqualität und der Sinnhaftigkeit, sagt die Expertin. Deshalb sei es wichtig, wieder „Kraft und Selbstwirksamkeit" zu erleben. Sie rät, „sich Beziehungen von guter Qualität zu schaffen und zu erhalten und Freundschaften zu pflegen". Jüngere Menschen sollten sich früh emotionale Unterstützung suchen – dies könne auch der Rückhalt in einem tollen Team bei der Arbeit sein. Es gelte, „den sozialen Rückhalt nicht zu verlieren und im Blick zu behalten". Plechinger bezeichnet sich als Fan von "Auch wenn..."-Sätzen. „Ich kann beispielsweise sagen: 'Auch wenn die Zeiten herausfordernd sind, kann ich mir bewusst etwas Gutes tun'".

Selbstfürsorge kann Einsamkeit lindern

Auch Selbstfürsorge wie gute Ernährung und ausreichend Bewegung können Einsamkeit lindern. In asiatischen Ländern werde deshalb Menschen ab 60 Jahren automatisch ein entsprechendes Vorsorgeprogramm angeboten. „Man weiß, dass es keine bessere Prävention gibt, als wenn man sich bewegt", erst recht gemeinsam mit anderen. Dabei zähle jede Art von Bewegung – Spazieren gehen, Radfahren, bewusst die Treppe statt des Aufzugs nehmen. Gegen die Grübelfalle helfen laut der Therapeutin auch alle Tätigkeiten, bei denen man intensiv die Hände nutze: schreiben, malen, backen, stricken. All das bringe einen ins Hier und Jetzt.


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Plechinger ermuntert auch dazu, immer wieder einmal etwas Neues auszuprobieren, um Kontakte zu knüpfen – eine neue Sprache zu lernen oder allein in ein Café zu gehen und mit einer fremden Person ins Gespräch zu kommen. „Es geht darum, sich auf echte Begegnungen einzulassen."

Lebensqualität wird aus ihrer Erfahrung von Faktoren bestimmt, die man sich nicht kaufen kann: Liebe, Geborgenheit, den Austausch mit Freunden. All das lasse keine Einsamkeitsgedanken aufkommen.

„Wir brauchen unfassbar viel an sozialem Zusammenhalt und sollten mehr auf positive Momente und das Miteinander schauen."

Aber wie mit anderen Menschen in Kontakt kommen, wenn man beispielsweise im Alter nicht mehr so mobil ist oder bereits in einer Senioreneinrichtung lebt? Plechinger verweist auf die Wiesbadener Initiative "Die Gute Stunde", die es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen über kulturelle Angebote analog und digital in Kontakt zu bringen und sich darüber auszutauschen. „Wer nicht aus dem Haus gehen kann, kann sich einklinken" – ob Vortrag, Lesung oder Wohnzimmerkonzert.

(kna)

KNA
Artikel von KNA
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