Brauchtum zu Weihnachten
Das Ritual des Krippenaufbaus
Die Weihnachtskrippe verbindet Tradition, Glauben und Familiengeschichte. Sie dient als Verkündigung der Weihnachtsbotschaft, fördert Kreativität und lässt Erinnerungen an vergangene Generationen lebendig werden. Und wer möchte, kann mit dem Aufbau der Krippe bereits im Advent beginnen, schlägt Brauchtumsexperte Fabian Brand vor.
Krippenaufbauen: Für viele Menschen ist das ein liebgewonnenes Ritual, das sie alljährlich kurz vor dem Weihnachtsfest vollziehen. Die Krippe gehört zu Weihnachten dazu, ebenso wie der Christbaum oder „Stille Nacht, heilige Nacht“. Und in manchen Haushalten wäre ein Weihnachten ohne Krippe nahezu undenkbar. Die figürliche Darstellung der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem hat einen besonderen Wert für Viele. Und nebenbei ist das Aufbauen der Krippen auch noch eine schöne Möglichkeit, um sich auf Weihnachten einzustimmen und sich auf Weihnachten vorzubereiten.
Die Weihnachtskrippe: Ursprung und Bedeutung eines jahrhundertealten Brauchs
Die Weihnachtskrippe ist eine recht späte Erfindung. Immer wieder wird dabei auf den heiligen Franz von Assisi verwiesen, der im Jahr 1223 in Greccio ein Weihnachtsspiel aufführte. Menschen und Tiere schlüpften in die Rollen der Figuren aus dem Lukasevangelium und inszenierten die Weihnachtsgeschichte an jenem Abend. Das sei die Geburtsstunde der Krippe gewesen, heißt es häufig. Doch eigentlich ist das, was Franziskus in Greccio aufgeführt hat, eher ein Krippenspiel als eine Weihnachtskrippe im heutigen Sinn. Die älteste Krippe mit Figuren, wie wir das noch heute kennen, befindet sich wohl in der Kirche Santa Maria Maggiore in Rom. Papst Nikolaus IV. hat den Künstler Arnolfo di Cambio beauftragt, eine Szene der Anbetung der Magier zu schaffen. Wohl um das Jahr 1291 sind die aus Carrara-Marmor gefertigten Figuren dann in die römische Kirche gekommen.
In vielen Haushalten besitzt die Krippe einen hohen Stellenwert, auch wenn viele Krippenfiguren längst nicht so alt sind, wie die Figuren aus Santa Maria Maggiore. Aber mit den meisten Weihnachtskrippen ist eine Lebensgeschichte verbunden: Oftmals stammen die Figuren aus dem Besitz von Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten. Man kennt die Krippe noch aus der eigenen Kindheit und verbindet viele Erinnerungen damit. Häufig wurden auch der Krippenstall oder anderes Krippenzubehör selbst angefertigt. Die Wertschätzung für solche Krippen ist oft enorm hoch: An Weihnachten baut man mit der Krippe nicht nur die Szene der Geburt Jesu auf, sondern man greift zugleich auf ein Stück Erinnerung zurück. Man holt eine andere, längst vergangene Zeit in die Gegenwart. Und man wird sich dabei der Menschen bewusst, die an dieser Krippe mitgearbeitet oder sie vor vielen Jahren selbst aufgestellt haben.
Erinnerungen, Kreativität und Familiengeschichte beim Krippenbauen verbinden
Die Wertschätzung der eigenen Weihnachtskrippe ist deswegen oft sehr hoch. Mit der Krippe wird dann nicht nur an das Geschehen in der Heiligen Nacht von Betlehem erinnert, sondern zugleich eine ganze Familiengeschichte repräsentiert. Häufig wurden Krippenfiguren auch einzeln nach und nach angeschafft: Dann ist mit jeder Figur ein bestimmter Lebensabschnitt verbunden. Zu jeder einzelnen Figur kann man dann eine doppelte Geschichte erzählen: Die Geschichte, die jener Figur in den Weihnachtserzählungen der Bibel zukommt, und die Geschichte, die das eigene Leben mit dieser Figur verbindet. Krippenaufbauen ist deswegen immer auch biografische Arbeit. Hier kommt die eigene Lebensgeschichte zum Vorschein, mit der Krippe kann man Geschichten über das eigene Leben erzählen. Und wenn die Krippe ein Erbstück von liebgewonnenen Menschen ist, werden auch diese an Weihnachten wieder präsent. In der Krippe, die in der Nähe des Christbaumes aufgebaut wird, sind Menschen an Weihnachten gegenwärtig, die vielleicht schon lange verstorben sind. Das Familienfest Weihnachten wird so zu einem Tag, das Generationen verbindet und auch über den Tod hinaus Verbindung stiftet.
Wer eine Krippe aufbaut, der setzt sich wirklich mit der Weihnachtsbotschaft auseinander. Denn Krippenbauen ist ein Heiliges Spiel: Hier wird man selbst zum Regisseur der Heiligen Nacht, hier kann man eintauchen in das Geschehen, das sich vor über zweitausend Jahren ereignet hat. Eine Krippe aufbauen bedeutet: Sich Gedanken machen über das, was in den Weihnachtserzählungen des Neuen Testaments überliefert ist. Man muss überlegen, welche Figur wohin gestellt wird. Die Inszenierung ist ein langer Prozess, der die eigene Kreativität fordert. Man muss schon selbst mittenhineinspringen in das Geschehen von Bethlehem, um eine Krippe aufzubauen. Hilfreich ist es, sich in die unterschiedlichen Personen und Charaktere hineinzuversetzen: Wie mag sich Josef gefühlt haben? Wie ist es den Hirten ergangen? Wo könnte der richtige Ort für Ochs und Esel sein? Wer Antworten auf diese Fragen sucht, kann eine Krippe so aufbauen, dass sie lebendig wirkt. Denn es ist beim Krippenbauen nicht damit getan, die Figuren schnell hinzustellen. Sondern die Krippendarstellung soll den Betrachter packen, sie soll ihm vermitteln, dass es sich wirklich um die Abbildung eines lebendigen Geschehens handelt.
Krippenbauen ist schöpferisches Tun, ist spielerische Auseinandersetzung mit dem Evangelium und der ganzen Botschaft Jesu. Deshalb ist das Krippenbauen auch für Kinder so spannend: Durch das eigene Eingreifen und Mittun erhalten sie ihren Teil an dieser Botschaft Jesu. Sie sind nicht nur Zuhörende oder Zuschauende, sondern sie werden selbst ein aktiver Teil im Evangelium. Das Evangelium wird für sie erfahrbar und mit den Händen greifbare Wirklichkeit. Wer deshalb Kindern die Botschaft von Weihnachten vermitteln will, kann das zum Beispiel über das gemeinsame Aufbauen einer Krippe tun. Man kann sogar noch einen Schritt weiter zurückgehen und zusammen mit Kindern einen Krippenstall zimmern oder eine Krippenlandschaft aufbauen. Bei allem gibt es viele Möglichkeiten, um Kinder aller Altersstufen gut einzubinden. Und nebenbei kann man beim Bauen erzählen, was sich in der Heiligen Nacht von Bethlehem ereignet hat und warum dieses Geschehen bis heute für uns eine besondere Bedeutung besitzt.
Doch nicht nur für die Kinder, auch für Erwachsene ist das Krippenaufbauen ein schönes Ritual, um sich auf Weihnachten vorzubereiten und einzustellen. Denn Krippenbauen beginnt nicht erst mit dem 24. Dezember! Wer eine größere Krippe sein Eigen nennt, der braucht dazu viele Utensilien und Requisiten, um die Weihnachtsgeschichte gut inszenieren zu können. Das ganze Jahr über kann man an die Krippe denken: Wenn man zum Beispiel im Urlaub in den Bergen einen schönen Stein findet oder bei anderer Gelegenheit über einen besonderen Ast stolpert. All das sind Dinge, die später in der Krippe ihre Heimat finden können. Als kreativer Krippenbauer kann man fast alles verwenden, was die Natur anbietet. Freilich unter der Beachtung der geltenden Gesetze und Vorschriften: Nicht alles darf man einfach so mitnehmen, einiges sollte man auch liegen lassen, weil es zum Beispiel für die Tiere des Waldes eine Nahrungsquelle darstellt.
Die Krippe schon im Advent lebendig werden lassen
Man kann mit dem Krippenaufbauen konkret auch schon am Ersten Advent beginnen: Wer das Glück hat, eine große Krippe mit vielen Figuren zu besitzen, der kann zum Beispiel unterschiedliche Szenen aufstellen. Beginnend mit der Verkündigung des Engels an Maria, dann die Begegnung von Maria und Elisabeth, die Herbergssuche und so weiter. Der Vielfalt an Szenen sind keine Grenzen gesetzt! Und selbst wer kein großes Figurenarsenal besitzt, kann schon frühzeitig mit dem Krippenbau beginnen. Jeden Tag kommt dann ein kleines Requisit dazu: Am ersten Tag wird die Grundplatte aufgestellt, dann folgen Moos und Tannengrün, dann der Stall, später nach und nach die einzelnen Figuren. Dieses Krippenbauen kann jeden Tag eigens von einer kleinen Feier begleitet sein: Die Kerzen am Adventskranz werden entzündet, man singt gemeinsam ein Adventslied, hört einen kurzen Bibeltext und baut an der Krippe weiter. So wird das Aufstellen der Krippe zu einem Ritual, das die ganze Adventszeit durchzieht und auf Weihnachten einstimmt.
Es ist schön, wenn die Krippe in vielen Haushalten zu Weihnachten dazugehört. Denn sie ist nicht nur ein Gegenstand, den man aufbaut, sondern sie ist Verkündigung. Sie verknüpft unser eigenes Leben mit dem Leben des Jesuskindes, das in der Krippe liegt. Die Heilsgeschichte Gottes und unsere eigene Lebensgeschichte werden in der Krippe eins: Gott wird Mensch – und das hat Bedeutung für unser Leben. Das lässt sich an der Krippe Jahr um Jahr neu ablesen.