Glaubenswelten
05.12.2024

Zeichen der Hoffnung – Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame de Paris

Am Wochenende öffnet die Kathedrale Notre-Dame de Paris nach fünf Jahren intensiver Restaurierungsarbeiten wieder ihre Pforten. Die Vorfreude ist groß, auch bei den gut 10.000 Franzosen, die in München leben. Marc Grosstephan ist einer von ihnen, er leitet die Gemeinde der französischsprachigen Katholiken. Für den Priester hat die Wiederherstellung der gotischen Kathedrale nach dem verheerenden Brand auch eine geistliche Dimension.

Letzte Vorbereitungen für die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Letzte Vorbereitungen für die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame de Paris. Foto: © IMAGO/Starface

Monsieur Grosstephan, die Wiedereröffnung der Kathedrale Notre-Dame wird ein großes Ereignis sein. Wie geht es Ihnen persönlich damit?

Ich war vor zwei Jahren in Paris und habe die Kathedrale gesehen, wie sie in einem Korsett aus Metall eingerüstet war. Wenn nun das Gerüst fällt, wird man erst entdecken können, wie die Restaurierungsarbeiten die Kirche im Innern verändert haben. Das wird natürlich eine große Überraschung sein.

Wieso ist die Wiedereröffnung von Notre-Dame für die Franzosen so wichtig?


Die Kirche war immer ein Identifikationspunkt für alle Franzosen. Sie ist das Sinnbild Frankreichs. Selbst laizistische Franzosen haben nach der Katastrophe viel für Notre-Dame gespendet. Der Brand hat die Leute schon sehr tief berührt, auch wenn sie keine Franzosen sind. Ja, Notre-Dame ist wirklich die Herzkammer Frankreichs. Das Erste, das Charles de Gaulle, der im Zweiten Weltkrieg den Widerstand gegen die deutsche Besatzung anführte, gemacht hat, als Paris befreit worden ist: Er ist nach Notre-Dame gegangen. Notre-Dame ist der zentrale Punkt, von dem aus alle Distanzen in Frankreich berechnet werden.  Die Kirche ist das schlagende Herz von Frankreich.

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Marc Grosstephan. Marc Grosstephan. Foto: © SMB/Burkhard

Die Restaurierung hat viel Geld gekostet. Das hat auch Kritik hervorgerufen.

Ja, um die Finanzierung des Wiederaufbaus ist eine regelrechte Polemik ausgebrochen, denn in Frankreich gibt es viele Kirchen, und viele Dörfer können diese nicht mehr unterhalten. Die Kulturministerin hat deshalb vorgeschlagen, man solle zukünftig für die Besichtigung von Notre-Dame einen Eintritt in Höhe von fünf Euro verlangen. Bei rund 15 Millionen Touristen, die Notre-Dame jedes Jahr besichtigen, könnte man mit dem Erlös viele Kirchen in Frankreich retten. Frankreich ist ein laizistischer Staat, und die meisten Gotteshäuser gehören der öffentlichen Hand. Da ist es nicht einfach, alle Kirchen in Schuss zu halten. Bislang haben die kirchlichen Verantwortlichen der Kathedrale ein Eintrittsgeld abgelehnt. Man will die Kathedrale vor allem als ein Ort des Gebets offenhalten. Jetzt wird man sehen, ob es eine Möglichkeit gibt, eine gemeinsame Lösung zu finden.

Wie würden Sie die Rettung Notre-Dames geistlich deuten?

Vor allem als ein Zeichen der Hoffnung. Der Wiederaufbau ist vielleicht auch eine Versinnbildlichung, dass die Kirche als Gemeinschaft aller Gläubigen unzerstörbar bleibt, und man sie deshalb immer wieder aufbauen kann. Auch wenn sie schwierige Momente erlitten hat, kann man wieder etwas Kreatives aus ihr machen.

Wie wird die Wiederöffnung bei Ihnen in der französischsprachigen Gemeinde gefeiert?


Wir werden am 8. Dezember einen feierlichen Gottesdienst halten und am Ende das große Magnifikat singen, das famose, das in dieser Kathedrale nach königlicher Tonart gesungen wird.

Interview: Linda Burkhard

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Paul Hasel
Artikel von Paul Hasel
Redakteur, Channel-Management