Unser tägliches Fleisch gib uns heute
Fleischlose Kost liegt im Trend, trotzdem landen in Deutschland pro Jahr rund 750 Millionen Tiere beim Schlachter. Zwar legen immer mehr Fleischesser Wert auf Haltungsform und Produktionsbedingungen, doch die wichtigste Frage bleibt: Kann man guten Gewissens Tiere töten?
Mit beiden Armen greift Jonas Hummel in einen großen weißen Kunststoffeimer. Bis zu den Ellenbogen reicht die Masse aus Blut und Fleischstücken. Mit den Händen und einem Becher schöpft der Metzgermeister sie in durchsichtige Kunststoffhäute. Presssack für die Wirtschaft und den Hofladen im Kloster Plankstetten aus der hauseigenen Metzgerei. Sechs Schweine hat der 25-Jährige an diesem Morgen geschlachtet.
Mit einer elektrischen Zange betäubt er die Tiere zunächst hinter den Ohren. Dann versetzt er ihnen mit einer weiteren Elektrode einen Stromschlag an der Brust. „Quasi wie ein Herzinfarkt“. Zweimal in der Woche macht Hummel das. Er stammt aus einer Metzgerfamilie. Schlachten war für ihn schon immer allgegenwärtig. Doch trotz der Routine ist Tiere zu töten für ihn nichts Triviales. „Es gibt ja sein Leben, damit wir etwas zu essen haben“. Respektvoll mit ihnen umzugehen und sie bis zum Schluss gut zu behandeln, ist dem jungen Mann deshalb wichtig.
„Eigentlich mag ich die Tiere“
An Edelstahlhaken hängen die Schweinekeulen jetzt an einer Schiene von der Decke des weiß gekachelten Schlachtraums. Aus ihnen macht Hummel Klosterschinken. Sie sind so frisch, dass das Fleisch noch warm ist. Nur gut zwei Kilometer mussten die Tiere vom klostereigenen Bauernhof in die klostereigene Metzgerei transportiert werden. Das soll ihnen Stress ersparen. Seit dreißig Jahren wirtschaftet man in Plankstetten ökologisch. Kriterien, die für Konsumenten immer wichtiger werden, um das Schlachten der Tiere vertreten zu können.
Bereut hat Hummel seine Berufswahl nie. Dass Fleischkonsumenten die unangenehme Arbeit auf ihn abwälzen, sieht er nicht so. Ihm ist wichtig, dass kompetente Fachkräfte das Schlachthandwerk ausüben. Trotzdem findet er nicht alles am Metzgerberuf schön. „Das Schlachten macht mir persönlich am wenigsten Spaß – eigentlich mag ich die Tiere ja“. Gerade in der Kindheit, als er die Arbeit des elterlichen Betriebs kennenlernte, war das nicht immer leicht. Rotz und Wasser habe er da geweint, „aber es gehört halt dazu“. Doch wozu eigentlich?
Rinder als Landschaftspfleger
Bruder Hrabanus arbeitet gut zwei Kilometer von Kloster und Metzgerei entfernt auf dem Staudenhof, der Landwirtschaft der Benediktinerabtei Plankstetten. Tiere zu halten und folglich auch zu schlachten, gehört für den 27-Jährigen zum „Gesamtsystem Schöpfung“. Für das habe Gott dem Menschen in der Genesis die Verantwortung übertragen. Nur einzelne Teile des Systems zu bewirtschaften, würde den Kontext der Schöpfung verkennen. Darum gibt es auf dem Staudenhof neben Ackerwirtschaft auch eine Viehzucht. Knapp 400 Schweine und etwa 80 Mutterkühe leben hier mit ihren Kälbern. Einmal pro Woche wird ein Ochse geschlachtet.
Abgesehen vom Fleisch, das die Rinder am Schluss liefern, übernehmen die Tiere zu Lebzeiten eine wichtige Rolle im Ökosystem des Bauernhofs, erklärt Hrabanus. Wie auch die Schafe helfen sie dabei, Verbuschung auf den Weiden zu bekämpfen und somit Flächen für bodenbrütende Vogelarten offenzuhalten. „Sie betreiben quasi Landschaftspflege – oder wie wir sagen: Ökosystemleistungen“. Sogar eine Kooperation mit dem Landesbund für Vogelschutz (LBV) gibt es, bei der Rinder vom Staudenhof auf LBV-Wiesen zum Wohl der Vögel weiden dürfen. Diese Haltungsform sei der entscheidende Faktor für eine aus christlicher Form vertretbare Mast, betont Hrabanus. Sie muss dem Schöpfungskontext gerecht werden: möglichst viel Weide, möglichst wenig Stall.
Mit allen Ressourcen würdevoll umgehen
Zusätzlich trägt die
Mast dazu bei, die Wirtschaft des Klosters zu stützen – und die Mönche
zu verköstigen. Dabei sieht die Regel des heiligen Benedikts eigentlich
vor, dass die Ordensgemeinschaft sich vegetarisch ernährt. Dass die
Benediktiner in Plankstetten trotzdem Viehwirtschaft und eine Metzgerei
betreiben, verursacht bei Bruder Hrabanus keine Bauchschmerzen. Das
umfassende Bild, das die Mönche heute von der Natur haben, war dem
Ordensgründer vor knapp 1500 Jahren nicht bekannt. Inzwischen wisse man,
dass ein Großteil der dem Menschen anvertrauten Schöpfung für ihn nicht
unmittelbar nutzbar sei. „Mit Wäldern und Wiesen kann unser Magen
nichts anfangen, darum erschließen wir sie durch einen tierischen Magen
und ermöglichen zugleich die Ökosystemleistungen“.
Ähnlich
betreibt der Klosterbauernhof auch die Schweinehaltung. Die Tiere können
für Menschen ungenießbare Lebensmittel noch fressen. Das Fleisch der
Tiere dient wiederum als menschliche Nahrung. So tragen die Tiere – und
ihr Tod – nach der Philosophie der Plankstettener Benediktiner dazu bei,
mit Lebensmitteln nachhaltig umzugehen: Möglichst wenig wegschmeißen,
möglichst alles nutzen. An das Gesamtsystem Schöpfung denken,
kreisläufig wirtschaften. Am Schluss werden deshalb alle Hoftiere
geschlachtet. Auch die Muttertiere. Für Frater Hrabanus liegt darin eine
wichtige Verantwortung für die Würde der Tiere.
Fleischkonsum vom Schöpfungskontext her gedacht
„Es
ist ja kein Töten aus Spaß oder Freude, sondern die Vollendung eines
Lebens und der Ressourcennutzbarkeit im Gesamtsystem Schöpfung“. Alles
Leben hat demnach einen Auftrag mit einem Ziel. Der Mensch hat die
Aufgabe, sich um die Schöpfung zu kümmern, Tiere die Aufgabe, den
Menschen zu ernähren. An Altersschwäche zu sterben, wäre also ein
unwürdiges Ende für die Hoftiere, da sie dann nicht mehr verwertbar
wären und auf dem Müll landen würden.
Fleischkonsum und folglich
auch das Töten der Tiere – das ist für Frater Hrabanus im
Schöpfungskontext vertretbar, wenn es verantwortungsvoll geschieht. Eine
Philosophie, der allerdings der Glaube an eine Schöpfung und eine
Schöpfungsordnung zugrunde liegt. Das echte Leben und das eigene
Konsumverhalten in diesem Schöpfungskontext zu denken, ist für die
meisten Menschen schwieriger als für den Benediktiner, der „immer im
Gebet ist“. Dennoch kann man sich von den Mönchen von Plankstetten etwas
abschauen: Darauf achten, wo das Fleisch herkommt und insgesamt nicht
maßlos essen. Hrabanus empfiehlt dafür die kirchlichen Fastentage.
Zumindest Mittwoch und Freitag kein Fleisch.