Glaubenswelten
07.04.2025

Zen, Weihrauch und Tätowierungen

Frank Berzbach ist Philosoph und Autor sehr erfolgreicher spiritueller Bücher. Gerade hat er ein neues veröffentlicht: „Das Alphabet der Lebenskunst“. Darin schildert er, was sein Leben bereichert hat und ihm Tiefe gibt. Scheinbar Gegensätzliches steht da harmonisch nebeneinander. Innehalten.de hat den Autor in seiner Kölner Wahlheimat getroffen.

Frank Berzbach in seinem Kölner Büro. Frank Berzbach in seinem Kölner Büro. Foto: © Bierl/SMB

Was andere Leute als Kettchen um den Hals hängen haben, trägt Frank Berzbach an den Fingern seiner linken Hand. Darauf sind ein Kreuz, ein Herz und ein Anker tätowiert. Sie stehen für Glaube, Liebe, Hoffnung – der Kurzformel für das Christentum. Der 53-jährige Autor trägt sie immer bei sich und niemand kann sie ihm wegnehmen. Ebenso wenig kann er sie einfach ablegen, wie andere das Kettchen mit den drei Symbolen, das immer noch gern zur Erstkommunion, Firmung oder Konfirmation verschenkt wird. 

In seinem neuen Buch „Das Alphabet der Lebenskunst“ schreibt Berzbach zum ersten Mal über seine Tätowierungen, nennt sie ein „Mittel der Kommunikation“. Was ihn bewegt, was ihn geprägt hat und was er liebt, das trägt er teilweise sichtbar auf der Haut, alles, was ihn ausmacht: „Rock ´n Roll, christliche und buddhistische Symbole, Erinnerungen an Menschen, die mir wichtig sind, das sind so die Motive“, erzählt Berzbach, der an der Technischen Hochschule Köln Literatur und Philosophie unterrichtet.

Zen-Buddhismus ist alles andere als Wellness

In seinem Büro stehen Schallplatten von Bach neben denen der Beatles, Kunstpostkarten hängen neben Plakaten von Rockkonzerten und auf einem Bücherstapel liegt obenauf ein Erzählklassiker aus dem 19. Jahrhundert: „Der Schimmelreiter“ von Theodor Storm. Berzbach bewegt sich ohne Scheu zwischen den unterschiedlichsten Kulturen, und dazu zählen eben auch Tätowierungen. Ohne Schmerzen war dieses „Mittel der Kommunikation“. nicht zu haben: „Das Stechen von Tattoos tut richtig weh.“ Wie so vieles, was einem Menschen mehr Erkenntnis über sich, die Welt und Gott vermittelt, ihn im und durchs Leben leitet. 

Frank Berzbach hat sich über 15 Jahre strengen Zen-Übungen unterworfen. Er erinnert sich noch daran, wie ihn anfangs das stundenlange Sitzen an den Rand seiner Kräfte gebracht hat, an das frühe Aufstehen und das endlose Starren auf eine weiße Wand. Berzbach wundert sich öfter, wenn Europäer aus Unkenntnis den Zen-Buddhismus auf ein schönes Gefühl reduzieren. „Es geht nicht um Wellness und schon gar nicht geht es um esoterisches Gerede, es ist eine strenge und unerbittliche Übung“. Das Ziel sei, „den Geist zu klären und sich konzentrieren zu können, es ist ein absichtsloser leerer Raum.“ In diesem leeren Raum war für Berzbach Platz, um von sich Abstand zu nehmen.

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Allergisch gegen Frauenverachtung

Der 1971 im Bergischen Land geborene Schriftsteller erlernte zuerst einen technischen Beruf. Dann allerdings entdeckte er, „dass ich nicht mein ganzes Leben unter Ingenieuren verbringen möchte“. Zumindest diejenigen, die er damals kennenlernte, „hatten sehr einseitige technische Sichtweisen, lehnten Kunst und Literatur ab und waren eher frauenverachtend“. Gerade letzteres kam und kommt bei Berzbach gar nicht an. Er schätzt Frauen als lebenskluge, geistreiche und selbständige Persönlichkeiten. Und weil er sich stark mit ästhetischen Fragen auseinandersetzt, tut es ihm weh, wenn ihre Schönheit, „die früher Gegenstand der Kunst war, den Werbern oder der Pornoindustrie“ überlassen wird. So steht es in „Das Alphabet der Lebenskunst“, wo unter dem Buchstaben F  der Feminismus mit einem Satz abgehandelt wird: „Auch bei großer Vielfalt feministischer Perspektiven gilt: Männer, die Frauen erklären, was Feminismus ist, haben ihn nicht verstanden.“ An dieser kurzen Formulierung hat er lange gearbeitet. Einerseits ist ihm das Thema so wichtig, dass er es in seinem „Alphabet“ nicht auslassen wollte, andererseits „erklären Männer den Frauen sowieso generell viel zu viel“.

[inne]halten - das Magazin 9/2025

Papst Franziskus ist tot.


Ein Pontifikat des Zuhörens, der Barmherzigkeit und der Nähe ist zu Ende gegangen.

In unserer aktuellen Ausgabe von [inne]halten blicken wir zurück auf das Leben und Wirken von Papst Franziskus, auf seine Zeichen der Demut, seine Reformimpulse und seine Botschaft an die Welt.
Wir ordnen ein, was nun geschieht – vom Abschied bis zur Wahl seines Nachfolgers.

Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.

Lust am Geheimnis

Nicht erklären kann sich Berzbach allerdings, warum seine katholische Kirche Frauen nicht viel stärker zur Entfaltung kommen lässt. Ja, „seine“ katholische Kirche. Denn an der hängt Berzbach mit Hingabe, trotz oder vielmehr wegen seiner Erfahrungen mit dem Zen-Buddhismus. „Durch ihn bin ich jedenfalls deutlich katholischer geworden, auch wenn ich meinen Glauben seit der Kindheit nie verloren habe.“ Gerade die fernöstliche Meditationslehre habe ihn an seine religiösen Wurzeln erinnert. Und seine Lehrer haben ihn davor gewarnt, sie zu kappen, weil er sich damit selbst bekämpfen würde. Besonders Klöster und Ordensleute haben ihn immer angezogen. „Weil sie ernst machen mit dem Glauben als Lebensform in einer sehr klaren Entscheidung, und das find ich erstmal beeindruckend.“

Dabei sei sein Elternhaus gar nicht sehr kirchlich gewesen: „Ich bin auch nie gezwungen worden zur Messe zu gehen, sondern war immer freiwillig und gern dort.“ Berzbach schreibt das der Ästhetik zu, die im Gottesdienst sein Innerstes anrührt: „Das Geheimnisvolle, der Weihrauch, die Gewänder, der Ausdruck der Körperhaltungen – deswegen gehe ich da hin.“ Und in der Theologie der Kirche und ihrem sichtbaren Ausdruck in der Messe findet Berzbach Herausforderungen, „die sich rational nicht vollständig verstehen lässt, etwa die Wandlung von Brot und Wein oder die Dreifaltigkeit“. Das lasse sich in Gesten und Symbolen eben besser annehmen als mit den Mitteln der Vernunft. Und Berzbach zitiert den Kirchenvater Augustinus: „Wenn ich es verstehe, dann ist es nicht Gott.“ 

Lesen, eine westliche Meditationstechnik

Als Philosoph stößt er ständig auf die paradoxe Herausforderung mit den Mitteln des Verstandes an die Grenzen des Verstandes und auf etwas Größeres zu stoßen. Darum fesseln Berzbach auch Mystiker und Theologen wie Karl Rahner, „der an vielen Stellen so schreibt wie ein Philosoph“ und den er leidenschaftlich liest. Wie überhaupt Bücher eine Schlüsselstelle bei Berzbach einnehmen. In jedem Kapitel seines neuen Werks finden sich Hinweise auf Schriftsteller und Dichter, die ihn inspiriert haben. Dabei sei er „kein Bildungsbürgerkind“ gewesen und hält das sogar für einen Vorteil: „Mich hat niemand dazu gedrängt, mir bestimmte Bildungsgüter anzueignen, dadurch war ich frei, das selbst zu entdecken.“  Über das Lesen hat er als Philosoph und Autor viel nachgedacht, und nennt es „eine westliche Meditationstechnik“. Wer sich in ein Buch vertieft, gewinnt schließlich Abstand von sich selbst, schafft einen neuen Raum in sich, der etwas Neues aufnehmen kann.

Berzbach, Frank Das Alphabet der Lebenskunst
BENE! VERLAG, 2025
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Ein Gott der Liebe

Vieles steht bei Berzbach nebeneinander, „was ich auch gar nicht vermischen, aber zwischen dem ich Verbindungen herstellen will“. Das klare Denken neben den mystischen Gefühlen, die Lust am Sichtbaren und seiner Ästhetik, neben der Anziehung durch das Unsichtbare, das Christentum neben dem Zen-Buddhismus. Und wenn Berzbach das auch nicht in einer Konkurrenz zueinander sieht, macht er sich die Unterschiede deutlich und trifft dann Entscheidungen: „Ich habe eine christliche Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, während der Buddhismus nur einen Kreislauf von gar nicht wünschenswerten Wiedergeburten kennt, die irgendwann einmal enden.“ Eine Hoffnung und ein Glaube, die mit einem Gott der Liebe zu tun hat. Die Erinnerung daran trägt Berzbach an seiner linken Hand.

Alois Bierl
Artikel von Alois Bierl
Chefreporter und Kolumnenautor
Beschäftigt sich mit wichtigen Trendthemen wie Spiritualität.