Trauernde Kinder und ihr Radio ins Weltall
Die Autorin Karen Köhler und die Illustratorin Bea Davies haben den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2025 erhalten. In „Himmelwärts“ erzählen sie die Geschichte eines Mädchens, das seine Mutter verloren hat und wie sie mit ihrer Freundin nach Spuren der Verstorbenen im Weltall sucht.

Tonis Mutter ist an Krebs gestorben. In ihrem Tagebuch schreibt die Zehnjährige von der schlimmen "Vermissung". Um diese Traurigkeit zu lindern, baut ihre physikbegeisterte Freundin YumYum ein Radiogerät. Damit sie im Garten hinter Tonis Haus in den Himmel funken können, wo die Mama ja jetzt sein soll, wie die Erwachsenen sagen. Und YumYum mir ihrer scharfen Logik meint, es könnte ja etwas an dem Naturgesetz dran sein, dass im Weltallkeine keine Energie verloren gehen kann. Also auch nicht die einer toten Mama. Und vielleicht lässt sie sich mit Radiowellen einfangen und vielleicht gibt Tonis Mutter sogar eine Antwort. „Ich zeige eine Wunde, einen schlimmen Verlust und wie ein Kind durch diesen Schmerz hindurchgeht“, sagt die Autorin Karen Köhler, die für ihre Erzählung „Himmelwärts“ den Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis 2025 erhalten hat.
Verschränkung von Bild und Erzählung
Die Jury hat das Buch aus 139 Einsendungen von 47 Verlagen ausgewählt. Das Buch ist auch von den Illustrationen der Comic-Künstlerin Bea Davies geprägt, die dafür ein ausgeklügeltes Farbkonzept entwickelt hat. In Rückblenden zeichnet sie, wie Toni ihre sterbenskranke Mutter erlebt hat. Daneben stehen Bilder der Nacht, in denen sich immer mehr Sterne ausbreiten und in der Toni und YumYum das selbstgebastelte Radiogerät ausprobieren: „Ich wünsche mir, dass die Bilder eine Atmosphäre schaffen, in der die Phantasie der Betrachter sich frei entfalten kann.“ Darum hat Bea Davies darauf verzichtet, die Gesichter der Protagonisten des Buches zu zeichnen. Auch diese Verschränkung von Bild und Geschichte hat die Jury des katholischen Kinder- und Jugendbuchpreises von „Himmelwärts“ überzeugt.
Karen Köhlers Erzählung ist aus einem Bühnenstück für das Theater Ingolstadt hervorgegangen. Dabei hat sie die Offenheit der Kinder, wie das den mit Tod und Ewigkeit in einem unendlichen Universum sei, angerührt. Fragen „die Erwachsene viel stärker beiseiteschieben und mit viel Aktionismus betäuben“, sagt die Autorin. Junge Leserinnen und Leser ab zehn Jahren bewegen diese Fragen aber zutiefst, auch wenn sie danach wieder an Fußball denken, wie Toni und YumYum.
Trost durch die Freundin und eine Astronautin
In ihrer Geschichte greift Karen Köhler auf eine sehr persönliche Erfahrung zurück. Sie hat das Buch kurz nach dem Tod ihres eigenen Vaters geschrieben, der keine religiösen Bindungen hatte. Sie erkennt darin auch eine gesellschaftliche Tendenz, „sich von der Religion wegzubewegen“. In der Sterbebegleitung ihres Vaters hat sie erlebt, „dass keine Rituale mehr greifen und die Gesellschaft ein bisschen haltlos im Umgang mit dem Tod ist“. Deshalb müssen die beiden Mädchen auf eigene Faust Erklärungen auf die Frage nach dem Jenseits suchen.
Entsprechend spielen theologische oder kirchlichen Antworten keine Rolle
in „Himmelwärts“. Trost erfährt Toni vor allem durch ihre Freundin
YumYum. Und durch eine Astronautin auf der Internationalen Raumstation
ISS, die sie tatsächlich mit ihrem selbstgebastelten Radio erreichen. In
einem Gespräch durch die Nacht erzählt die Astronautin Zanna den
Mädchen vom All, vom Wunder der Erde und wie sehr sie sich oft wünscht,
bald wieder dort zu sein. Denn das Leben mit seinen Gerüchen,
Geschmäckern und seiner Schwerkraft lässt sich eben nur dort erfahren.
Karen Köhler vertröstet die Leser nicht mit traditionellen
Jenseitsvorstellungen und erzählt in einem packenden, aber lockerem Ton.
[inne]halten - das Magazin 12/2025

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Überrascht von kirchlichem Preis
Deshalb war sie überrascht einen kirchlichen Preis für ihr Buch zu gewinnen, „weil in dem Buch die Kinder Religion zunächst einmal ablehnen“. So ist YumYum fest davon überzeugt, dass es keinen Gott, sondern nur „Gravity“, also Schwerkraft gibt. „Außerdem wird in dem Buch gegendert, es wird eine Sprache verwendet, die frech ist, manchmal flapsig und auch über Grenzen hinausgeht“. Darum findet die Karen Köhler die Entscheidung der Jury für das Buch „mutig“, über die sie sich gleichzeitig „sehr gefreut“ hat.
Für so mutig hält der Juryvorsitzende Weihbischof Robert Brahm die Auszeichnung für „Himmelwärts aber gar nicht: „Man muss, da zwischen den Zeilen lesen.“ Wer das tue, finde eine große spirituelle Offenheit in „Himmelwärts“. Und Jurymitglied Claudia Pecher vom Büchereifachverband Sankt Michaelsbund ergänzt, „dass das Buch Kinder ermutigt, mit Gefühlen von Trauer umzugehen und mit anderen Menschen durchzustehen“. „Himmelwärts“ nehme „die Lebenswelt der zehnjährigen Protagonistinnen ernst und behandelt ihre existentiellen Fragen auf Augenhöhe“.
Physik und Lebenskraft
Dazu gehört auch, dass Toni und YumYum nicht akzeptieren, dass Verstorbene einfach verschwunden sein sollen. Sie bleiben für die Lebenden wichtig. Ebenso zeigt das Buch wie Leben, Tod und Unendlichkeit selbst in einem streng naturwissenschaftlich geprägten Zeitalter ein Geheimnis bleiben. Karen Köhler, die sich leidenschaftlich mit Quantenphysik befasst und sich einen „Astronomie-Nerd“ nennt, hält sich da an große Berühmtheiten: „Auch Nils Bohr oder Albert Einstein sind an Punkte gekommen, an denen sie sagen, da ist etwas, was mit der Physik allein nicht zu erklären ist.“ Und sie weist auf neue Forschungen hin, „dass zwei weit voneinander liegende, aber miteinander verschränkte Quanten simultan, also genau gleichzeitig dieselben Bewegungen ausführen: rührt sich das eine, rührt sich auch das andere“. Da müsse es „eine Art von Bewusstsein geben, eine Art von alles einender Kraft, nennen wir es Lebenskraft“.
Zu dieser Lebenskraft gehören auch Liebe und Zuwendung. Die erfährt Toni in ihrer Trauer: Sie werden vermittelt durch ihre Freundin YumYum, ihren Vater und sogar durch die tausende von Kilometern entfernte Astronautin Zanna. Und wenn Liebe die Haupteigenschaft Gottes ist, dann entdecken religiöse Leserinnen und Leser ihn auch in dieser außerordentlichen Erzählung, die mit dem Katholischen Kinder- und Jugendbuchpreis ein besonderes Qualitätssiegel trägt.