Zum Abschied ein Lächeln
Ein Mensch, den man liebt, ist gestorben. Man glaubt, nie wieder froh sein oder gar lachen zu können. Als Trauerclownin erlebt Kathrin Thiemann bei Hinterbliebenen, dass Humor trotzdem heilen kann, wenn er behutsam ist.
Als Physiotherapeutin hat Kathrin Thiemann auf der Palliativstation des Marburger Universitätsklinikums gearbeitet und sich ehrenamtlich zur Klinik-Clownin "Prinzessin Fadenschein" weitergebildet. Die 64-Jährige besucht Menschen auf Onkologie-Stationen, auf Festen und zu Humor-Workshops in beruflichen und privaten Teams. Als Trauerclownin "Rita Remember" tritt sie auch auf Beerdigungen und Trauerfeiern auf. Im Interview spricht sie über Humor in schwierigen Momenten.
Frau Thiemann, Trauerclownin ist kein alltäglicher Beruf. Wie sind Sie dazu gekommen?
Dass es Trauerclowns gibt, habe ich von einer niederländischen Clownin gehört. Insgesamt gibt es nur wenige Trauerclowns; in Deutschland sind wir wohl nur fünf oder sechs. In den Benelux-Staaten ist die Idee weiter verbreitet. Ich bin bereits seit 2010 in meiner Freizeit als Clownin "Prinzessin Fadenschein" unterwegs, habe früher hauptberuflich als Physiotherapeutin auf einer Palliativstation gearbeitet. Als ich von den Trauerclowns erfuhr, sah ich diese wunderbare Möglichkeit, meine beiden Aufgaben zu vereinbaren.
Trauern und Clowns - das passt auf den ersten Blick schwer zusammen. Wie machen Sie es trotzdem passend?
Ja, der Bereich des Sterbens und des Todes ist von einer großen Ernsthaftigkeit geprägt. Es kommt darum für einen Trauerclown auf den Moment an, der stimmig ist. Meine Clownfigur "Rita Remember" kommt zum Beispiel darum ohne Worte aus. Ich spiele rein pantomimisch und bevorzuge Hintergrundmusik. Dabei habe ich die trauernden Menschen, für die ich das mache, genau im Blick. Inzwischen kann ich sehr gut erfassen, wenn jemand überfordert ist. Dann mache ich ein vorsichtiges Angebot oder halte besser Abstand.
Wie läuft ein Einsatz als Trauerclownin ab?
Bisher habe ich vor allem auf Jahres-Trauerfeiern gespielt, etwa beim Ambulanten Hospizdienst der Malteser hier in Marburg. Da gibt es ein besonderes Abschiedsritual für alle Angehörigen, die in dem Jahr einen Menschen verloren haben, den die Malteser betreut haben. In diesem Jahr ging es um Trittsteine, die symbolisch für jene Hilfe standen, die die Angehörigen in der Zeit des Abschieds und des Todes ihres geliebten Menschen erfahren haben. Ich habe dies in meinem Spiel verkörpert und mich dann von Trittstein zu Trittstein "gehangelt".
Auf einer persönlichen Beerdigung habe ich bisher nicht gespielt. Die Hemmschwelle, mich anzufragen, ist vermutlich für Trauernde recht hoch. Einem solchen Auftritt wird ein Gespräch vorausgehen, sodass ich die erkrankte Person persönlich kennenlernen kann. In meinem Spiel geht es dann um eine positive Rückschau auf dieses Leben. Ich möchte in meiner Pantomime über das Gute im vergangenen Leben erzählen. Davon, was diesem Menschen gelungen ist und womit er Spuren in den Herzen der anderen hinterlassen hat. Einige dieser Gespräche habe ich bereits geführt. Glücklicherweise sind diese Menschen jedoch nach wie vor gesund.
Ist "Rita Remember" ein Clown, wie man ihn sich klassischerweise vorstellt?
Vermutlich nein. Ich verzichte bewusst auf starke, übertriebene Schminke, die einige Clowns sonst auszeichnet. Wenn die Mimik schwer erkennbar ist, haben manche Menschen Angst vor ihnen. Mein Publikum soll sich auch niemals veräppelt fühlen. "Rita Remember" ist freundlich. Sehr fein, sehr leise, und auch sehr traurig manchmal. Sie kommt mit einem langen schwarzen Mantel, einem eleganten Hut und einer roten Nase. Die Atmosphäre ist auch anders, weil sie nicht spricht. Aus den pantomimischen Bildern können die Trauernden ihre ganz eigenen Erinnerungen an die verstorbene Person herauslesen.
Haben Sie bei Ihren Auftritten das Gefühl, dass das Publikum etwas mitnimmt?
Ganz bestimmt, das zeigen die spontanen Rückmeldungen deutlich. Manchmal ist man ja auf Beerdigungen und hört Trauerreden - und denkt: Naja, ich habe die Person ganz anders erlebt. Wenn die Menschen mich aber in meinem Spiel beobachten, dann können sie sich ihre eigenen Bilder herausfiltern und auch, was zu ihrer aktuellen, ganz persönlichen Trauer passt.
Haben Sie manchmal Hemmungen, verzweifelten Menschen auch noch mit einer indirekten Art von Humor zu kommen?
Es ist immer wichtig, die Menschen zu beobachten und zu schauen, was sie wohl gerade brauchen. Aber ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass ich als Clownin einen kurzen Moment für einen Fokuswechsel eröffnen kann.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Ich erinnere mich an eine Frau auf einer Chemostation für Erwachsene, die ich in meiner Figur der "Prinzessin Fadenschein" besucht habe. Jeder dort vom Pflegepersonal sagte mir: "Da musst du gar nicht hineingehen, diese Frau ist ganz depressiv, die weint den ganzen Tag." Ich dachte mir, dass ich es wenigstens versuchen möchte. Aber wissen Sie, was? In dem Moment, als ich die Tür öffnete und mit meiner roten Nase um die Ecke schaute, hat sie aufgehört zu weinen. Es war, als hätte jemand einen Schalter betätigt. Und sie hat wirklich Freude an dem Spiel gehabt.
Das hat mir gezeigt: Als Clownin darf ich den Menschen einfach mal Abstand schenken - und damit vielleicht anschließend eine Chance auf eine andere Sichtweise. Sicherlich war sie später auch wieder traurig und depressiv. Aber für einen Moment konnte ich sie da herausholen.
Hilft der Einsatz einer Trauerclownin, den Tod aus der Tabu-Ecke zu holen?
Auf jeden Fall. Wir alle sind schnell verunsichert durch das Thema Tod. Darum ist es mir ein Anliegen, den Humor mit einzubringen. Denn Sterben ist das, was wir alle am Ende tun werden. Das ist auch der Grund, warum ich sogenannte Letzte-Hilfe-Kurse anbiete - nicht als Clownin -, um Menschen zu zeigen, wie man mit Sterben und Tod umgehen kann. Der Tod ist zwar ein Tabuthema, aber es tut sich ganz viel. Besonders Menschen, deren Profession er ist, wie im Hospizdienst, können oft wirklich gut damit umgehen. Es wird viel gelacht in Hospizen, obwohl an diesen Orten auch viel Trauer ist.
Interview: Elisabeth Friedgen