Achtsamkeit
31.03.2024

Spirituelle Fotografie: Bilder, die zum Nachdenken anregen

Die Fotografin Andrea Göppel versucht mit ihrer Arbeit einen Gegenpol zur schnelllebigen Insta-Welt zu schaffen: Fotos zum Innehalten statt zum Weiterwischen, Fenster zu sich selbst statt ins Leben anderer.

Eine Schildkröte kriecht am Strand ins Meer, hinterlässt eine Spur im Sand, im Hintergrund sanfte Wellen. Eine Schildkröte kriecht am Strand ins Meer, hinterlässt eine Spur im Sand, im Hintergrund sanfte Wellen.

[inne]halten: Auf Instagram wird jeder zum „Fotografen“ – wie unterscheiden sich Ihre spirituellen Fotos von der Bilderflut auf Social Media?
Andrea Göppel: Auf Instagram entscheidet man innerhalb von Sekunden: Spricht mich etwas an oder wisch ich weiter? Die spirituelle Fotografie will sich davon absetzen und dem Auge mehr Zeit geben. Meine Bilder sollen nichts Offensichtliches eins zu eins wiedergeben. Ich will mit ihnen dazu anregen, weiter zu denken, mehr Tiefe zu erreichen. Fotos auf Instagram sind meist ein Fenster in das Leben der anderen. Mit meinen spirituellen Bildern will ich Menschen ein Fenster in sich selbst hinein öffnen.

Welche Kriterien muss ein Bild erfüllen, um dieses Ziel zu erreichen?
Göppel: Im Gegensatz zu den meisten Social-Media-Fotos sind auf meinen spirituellen Bildern fast nie Menschen. Dem Betrachter soll niemand im Weg stehen, wenn er in das Bild hineingeht. Andere Personen im Bild würden ablenken. Ich will den Betrachter einladen, selbst im Bild spazieren zu gehen.


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Gerade haben Sie die Bilder zum neuen Buch des Erzabtes von St. Ottilien Wolfgang Öxler beigesteuert, wie war der Entstehungsprozess?
Göppel: „Bleib deiner Sehnsucht auf der Spur“ ist schon der der dritte Band, den wir gemeinsam erarbeitet haben. Meist bekomme ich von Erzabt Wolfgang die spirituellen Texte und beim Lesen entstehen dann schon die ersten Bilder vor meinem inneren Auge. Einerseits Fotos, die ich bereits gemacht habe und die mir zu einem Impuls passend scheinen, zu einem großen Teil aber auch Ideen für neue Bilder. Das ist ein Prozess, in dem ich die Texte mehrmals lese. Dabei versuche ich die Ideen von offensichtlichen Motiven hin zu tiefgründigeren Fotos zu entwickeln, wie sie meiner schon genannten Vorstellung von spiritueller Fotografie entsprechen. Ich will den Text nicht mit dem naheliegendsten Bild verknüpfen, sondern um die Ecke denken und eine Metaebene erreichen.

Wie gelingt Ihnen das?
Göppel: Das ist für mich immer wieder eine Art Reise, bei der ich mich sehr auf meine persönliche Intuition verlasse. Ein paar Mal sind so auch komplett neue Bildkonzepte entstanden, für die Erzabt Wolfgang dann noch neue Impulse geschrieben hat. Unser Ziel ist es, dem Leser durch das Zusammenwirken von Bildern und Texten einen spirituellen Prozess zu ermöglichen. Die Bilder sollen den Text vertiefen, dabei helfen, ihn zu rekapitulieren und ihn beim Leser zu verankern. Aber ich will mit weniger offensichtlichen Motiven auch dazu einladen, sich ein eigenes Bild zu machen. Besonders glücklich macht es mich, wenn Leser zurückmelden, dass sie durch die Fotos mit wacheren Augen für kleine Details durch Leben laufen.

Beim Bild zum Vorwort des neuen Buches haben Sie die vom Erzabt genannten Steine trotzdem recht plakativ ins Bild genommen.
Göppel: Ich wollte dabei die im Titel genannte Spurensuche aufgreifen und das Bild der unterschiedlichen Steine – Meilensteine, Edelsteine – fortführen. Erzabt Wolfgang vergleicht diese Spurensuche mit einem Mosaik, ich wollte noch eine andere Perspektive bieten: Dabei bilden sehr unterschiedliche Steine gemeinsam eine Linie. Dass die weißen Streifen auf den einzelnen Steinen gemeinsam ein klares Muster bilden, erkennt man erst, wenn man alle Steine gemeinsam betrachtet. Dieses Stillleben hatte ich im Kopf, als ich beim Spazierengehen die passenden Steine gesammelt habe. Dann habe ich die Idee mit den Steinen nachgebaut und fotografiert. Das nimmt etwa zwei bis drei Tage in Anspruch, in denen ich sehr viel herumexperimentiere und versuche, mich an Lichtsetzung, Schärfe und Perspektive heranzutasten. Irgendwann kommt dann der Punkt, an dem ich spüre: Jetzt passt es. Im Idealfall löst das Bild dieses Gefühl auch beim Betrachter aus.

Öxler, Wolfgang Bleib deiner Sehnsucht auf der Spur
HERDER, FREIBURG, 2023
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Korbinian Bauer
Artikel von Korbinian Bauer
Redakteur und Mitglied des Contentdesk
Recherchiert, schreibt und moderiert sozialpolitische und theologische Geschichten.