Achtsamkeit
23.10.2025


Buchtipp

Weg für Zweifler und andere gute Christen

Die evangelische Pfarrerin Maria Reichel hat ein Buch über die moderne Meditationsform des „Centering Prayer“ verfasst.
    

Das Centering Prayer sollte morgens und abends jeweils 20 Minuten praktiziert werden. Das Centering Prayer sollte morgens und abends jeweils 20 Minuten praktiziert werden. Foto: © AdobeStock/ipopba

Ein Pressesprecher könne nur für eine Regierung sprechen, mit der er in ständigem Austausch stehe. Davon ist Maria Reichel überzeugt. Die fränkische Lutheranerin war bis Sommer vergangenen Jahres Pfarrerin auf dem Schwanberg bei Würzburg. „Wie viel Zeit und Aufmerksamkeit richten wir als Pfarrpersonen und kirchlich Wirkende auf die Pflege unserer persönlichen Beziehung zu Gott?“, fragt sie in ihrem kürzlich erschienenen Buch über das Centering Prayer nach Thomas Keating. Diese Gebetsform ist in den 1970er Jahren in einem US-amerikanischen Trappistenkloster entstanden.

„Um uns für Gott zu öffnen und für sein Wirken durch uns empfänglich zu werden, brauchen wir freie Hände, Zeit und Raum. Wenn jede Minute mit Aktivität verplant ist und wir in Gedanken schon immer beim Übernächsten sind, ist es viel schwieriger, mit Herz und Verstand offen zu sein für Gott“, führt die evangelische Christin aus. Wie der Trappist Keating empfiehlt sie, das Centering Prayer zweimal täglich 20 Minuten zu praktizieren – nach Möglichkeit am Morgen und am späteren Nachmittag oder frühen Abend. Man könne zu Beginn auch kürzer oder nur einmal täglich meditieren, wie sie selbst es handhabte, als sie ihre vier kleinen Kinder versorgen musste.

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Die Tür schließen

Zunächst sei es hilfreich, sich einen ruhigen Ort zu suchen, in der eigenen Wohnung oder, wenn man dort schlecht Ruhe finden könne, auch außerhalb – am besten zu einer festen Uhrzeit an einem festen Platz. Dort könne man Matte oder Decke, Gebetshocker oder -kissen verwenden. Genauso gut könne man auch auf einem Stuhl sitzen. Wichtig sei in jedem Fall eine aufrechte Haltung.

Als Nächstes gehe es darum, „die Tür zu schließen“ – also sich von dem zu lösen, was einen gerade beschäftige. Dazu schließt man die Augen und wählt ein eine oder zwei Silben langes Gebetswort, beispielsweise „Amen“, „Schalom“, „Jesus“, „Abba“, „Friede“, „Liebe“ oder einfach „Ja“. „Wir lassen das heilige Wort in unser Inneres eintreten, so behutsam, als ob eine Feder auf ein Stück Watte niedersinkt“, schildert das Buch diesen Schritt. Wenn Gedanken kämen, solle man ganz sacht zu diesem Gebetswort zurückkehren: „Sprich das Wort in dir so sanft, wie eine Feder auf ein Stück Watte fällt.“

[inne]halten - das Magazin 23/2025

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Auf Gott ausrichten

Anders als im Zen gehe es beim Centering Prayer nicht nur um Achtsamkeit und das Zur-Ruhe-Kommen von Gedanken, sondern – ähnlich wie beim Herzens- oder Jesusgebet – um eine Ausrichtung auf Gott und die Zustimmung dazu, „dass ,er‘ im eigenen Inneren gegenwärtig sein und an mir wirken darf“. Am Ende der Gebetszeit bleibt man noch etwa zwei Minuten mit geschlossenen Augen in Stille sitzen. „Dies hilft, dass die Haltung und das, was in der Übung geschieht, sich allmählich mit dem alltäglichen Dasein verbindet“, erläutert Reichel. Denn das „Centering Prayer“ sei „kein Selbstzweck“. Vielmehr diene es dazu, „in der Stille die Haltung der Offenheit für Gott einzuüben, um sie dann im Alltag zu leben“.

„Mutig, stark und beherzt – so könnte ich beschreiben, was die Praxis des Centering Prayer bei mir bewirkt. Ich werde empfänglicher für das, was ansteht und weiterführt. Das ist nichts, was ich selbst machen kann. Gerade wo ich loslasse oder scheinbar nichts tun kann, passiert es, dass etwas mit mir geschieht“, verrät die pensionierte Pfarrerin – und stellt klar: „Durch das Lesen allein lässt sich das Wesentliche nicht vermitteln, denn es ist ein Übungs- und Erfahrungsweg.“ 

Wer mit dem Centering Prayer vertrauter werden möchte, müsse es selbst einüben. Reichels Buch ist eine leicht verständliche Anleitung auf diesem „Weg für Gottferne, Zweifler und andere gute Christen“, wie es im Untertitel heißt.

Zum Weiterlesen

Reichel, Maria Centering Prayer
Vier Türme, 2025
22,00 €
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Karin Hammermaier
Artikel von Karin Hammermaier
Redakteurin
Recherchiert und schreibt Geschichten für [inne]halten.