Neuer Papst
Lasst Leo XIV. einfach mal machen!
Kaum ist der neue Papst gewählt, überbieten sich Kommentatoren mit schnellen Einordnungen. Die sind mit Vorsicht zu genießen.

Als Jose Mario Bergoglio am 13. März 2013 zum 266. Bischof von Rom gewählt wurde und weißer Rauch über der Sixtinischen Kapelle aufstieg, war ich gerade unterwegs und konnte die Ereignisse nicht mitverfolgen. Lediglich über Textnachrichten erhielt ich die Information, wer der neue Papst war – verbunden mit einer ersten, von irgendwoher zitierten Einordnung, er sei im Geiste ein Nachfolger von Johannes Paul II. Da gab es also einen neuen Papst, den ich nicht kannte und nicht sah – aber er steckte bereits in einer Schublade. Während er noch von der Loggia des Petersdoms grüßte, rückten ihn manche schon unter den Schatten seines polnischen Vorvorgängers. Was aber folgte, ist bekannt: das in vielerlei Hinsicht überraschende und keinem bekannten Schema entsprechende Pontifikat von Franziskus.
Auch nach der Papstwahl von Joseph Ratzinger am 19. April 2005 wurden sofort Einordnungen vorgenommen und Urteile gefällt. Die einen vereinnahmten ihn und dienten ihm eine ganze Nation an („Wir sind Papst!“), während die anderen genüsslich auf die Vergangenheit des „Panzer-Kardinals“ als Luftwaffenhelfer im Zweiten Weltkrieg anspielten; eine ausländische Zeitung bezeichnete ihn gar als ehemaligen Nazi. Stab drüber gebrochen und Etikett drauf – erledigt.
Die Freiheit, anders zu agieren
Und jetzt? Was war Ihre erste Reaktion am Abend des 8. Mai 2025, als Sie erfuhren, wer der neue Papst ist? „O Gott, ein Ami“? In den Livestreams und Nachrichtensendungen, in den Kommentaren und Pressemitteilungen war wieder unübersehbar, wie um schnelle Orientierung gerungen wurde. „Ein US-Amerikaner“ – „ein Augustiner“ – „ein Missionar“ – „ein erfahrener Vatikan-Funktionär“ – „ein Kompromisskandidat“ – „ein pragmatischer Reformer“ – „aus Sicht der Progressiven ernüchternd, da auch unter ihm kein echter Kurswechsel zu erwarten ist“ … Vieles davon mag interessant und berechtigt sein. Aber vieles davon steht auch unter dem Vorbehalt, dass Leo XIV. alle Freiheiten hat, anders zu agieren, als allein aus seinem bisherigen Lebenslauf abzuleiten ist. Das Amt kann bekanntermaßen einen Menschen verändern, und welches Amt wäre größer als das des Papstes?
Atemberaubend ist auch, mit welcher Selbstüberzeugung, wenn nicht Selbstüberschätzung Interessengruppen, Verbände und Organisationen ihre ersten Glückwünsche sogleich mit Forderungen verbinden: „Wir erwarten vom neuen Papst …“ – „Der neue Papst muss jetzt …“ – „Deshalb fordern wir …“ Wäre es nicht angemessener, dem Neugewählten die Chance zuzugestehen, erst einmal in sein neues Leben zu finden und sich vertraut zu machen mit alldem, was jetzt auf ihn zukommt? Der Zauber des Anfangs ist ein verletzlich Ding, er reagiert empfindlich auf allzu gut gemeinte Ratschläge …
[inne]halten - das Magazin 10/2025

Schlüsselübergabe
In die Trauer mischt sich Aufbruchstimmung, die Welt blickt auf die Papstwahl.
Nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe hat das Konklave in Rom begonnen. Welche Aufgaben muss der Nachfolger von Papst Franziskus angehen? Wie kann er die Kirche überzeugend führen? Vatikan-Experte Ludwig Ring-Eifel gibt Antworten.
Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.
Etwas spektakulär Unpolitisches tun
Bevor wir uns also vorschnell auf Sprachregelungen einigen, wonach Leo XIV. garantiert den Kurs von Franziskus weiterführen, höchstwahrscheinlich die Konservativen enttäuschen oder sicher der nächste Papst sein wird, unter dem das Frauendiakonat wieder nicht vorankommt, sollten wir „den Neuen“ einfach mal in seine weiße Soutane hineinwachsen lassen. Und anstatt reflexhaft die eigene politische Agenda in Richtung Rom zu posaunen, könnte man auch etwas spektakulär Unpolitisches, aber zutiefst Katholisches tun: still für das Gelingen dieses Pontifikats beten.