Rituale
03.11.2025

Per Schreibmaschine zum Licht

Die Künstlerin Rebecca Gischel verbindet Malerei, Licht und Musik zu einer berührenden Erfahrung von Trost und Hoffnung. Ihre Ausstellung „Take Comfort“ lädt in der Münchner Karmeliterkirche zum Innehalten ein.
    

"Um Trost zu ermöglichen, müssen Trauer und Schmerz zuerst einmal Platz bekommen", erklärt Rebecca Gischel ihre Ausstellung "Take Comfort". Foto: © SMB/Bierl

Mit breitem Pinsel trägt Rebecca Gischel ein kräftiges Preußischblau auf eine quadratische Leinwand auf, die so groß ist wie ein Esstisch. Später wird sie die abstrakte Komposition mit strahlenden Weißtönen ergänzen. Ihre Bilder vermitteln starke und auch gegensätzliche Stimmungen, die dennoch zusammengehören: „Wenn ich es ausgehalten habe, das Schwere durchzufühlen, komme ich an einen inneren Ort, an dem ich ein Licht fühle.“ Darum malt die 36-Jährige meistens nachts und stundenlang am Stück, um in diesen inneren Strom einzutauchen.
    

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„Gönnen Sie sich Trost“

Ihre großformatigen Gemälde verbindet die Künstlerin oft mit Zeichnungen und Lichtobjekten zu einer Installation – wie jetzt in der ehemaligen Karmeliterkirche am Münchner Promenadeplatz. „Take Comfort“, also „Gönnen Sie sich Trost“, lautet der Titel der Ausstellung. Dort sind am Eingang 60 Zeichnungen in Schwarz-Weiß zu sehen, die entsetzte und verstörte Gesichter zeigen. Diese Station sei ihr wichtig, „denn um Trost zu ermöglichen, müssen Trauer und Schmerz zuerst einmal Platz bekommen“. Dafür will Rebecca Gischel die Besucher öffnen.

Die Besucher können ihre Gefühle mit Hilfe einer Schreibmaschine artikulieren, die mit 32 Lichtobjekten verbunden ist. Die Besucher können ihre Gefühle mit Hilfe einer Schreibmaschine artikulieren, die mit 32 Lichtobjekten verbunden ist. Foto: © Rebecca Gischel

Nach dem Betrachten der Zeichnungen können sie sich an eine Schreibmaschine setzen. Deren Tasten sind mit 32 in der Kirche verteilten Lichtobjekten verbunden. Dazu erklingt eine schwermütige Musik. Die Besucher sind eingeladen, ihre Gefühle über Trauer und Trost aufzuschreiben. Immer wenn jemand an der Schreibmaschine einen Text eintippt, werden die Klänge freundlicher und die Lichtobjekte leuchten auf. Der Raum verändert und erhellt sich; es wird augen- und ohrenscheinlich, dass es tröstet, das eigene seelische Erleben mitzuteilen – so, wie das Rebecca Gischel in ihren Ölbildern tut.


[inne]halten - das Magazin 23/2025

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Vom technischen Weltbild zur Spiritualität

Ursprünglich arbeitete sie als IT-Expertin, programmierte und hatte ein ausgesprochen technisches Weltbild – „hyperrational“ nennt sie es im Rückblick selbst: „Ich war mir sicher, eines Tages werden wir alles und auch die Wahrheit berechnen können, und es gibt nur das, was wir sehen.“ Gleichzeitig war da eine Sehnsucht nach dem Unberechenbaren. Eine mehrwöchige Wanderung durch die schottischen Hochmoore war für Gischel eine tiefe spirituelle Erfahrung. Ganz allein und weit weg von der digitalen Welt hat sie sich damals der Natur anvertraut.

Sie entschied sich, ihr Talent weiter auszubilden und endgültig Künstlerin zu werden – und ein bisschen sogar Seelsorgerin. Ihre Arbeit soll dem Betrachter helfen, „tiefe Erfahrungen spürbar zu machen und sich mit anderen Ausstellungsbesuchern verbunden zu fühlen, die diese Erfahrungen teilen“. Dann holt sie eine weiße Farbtube aus dem Regal und trägt einen Weißton auf die tiefblaue Leinwand auf.

Rebecca Gischels Ausstellung „Take Comfort | Trost – Licht – Hoffnung“ in der ehemaligen Karmeliterkirche am Münchner Promenadeplatz ist vom 13. bis 25. November täglich von 12 bis 19 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

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Alois Bierl
Artikel von Alois Bierl
Chefreporter und Kolumnenautor
Beschäftigt sich mit wichtigen Trendthemen wie Spiritualität.