Kirche und Tourismus im Dialog
Fachtagung in Rom: Robert Hintereder, Leiter des Fachbereichs Tourismus und Sport im Erzbischöflichen Ordinariat München, erklärt, wie Inszenierung Kirche und Tourismus verbindet – zwischen Erlebnis, Spiritualität und Authentizität.
Der Petersdom in Rom: ein Paradebeispiel für architektonische Inszenierung. Foto: © AdobeStock/Sergii Figurnyi
Herr Hintereder, die „Macht der Inszenierung“ lautet der Titel einer von Ihnen mitorganisierten Fachtagung. Warum ist dieses Thema im Spannungsfeld von Kirche und Tourismus gerade jetzt so aktuell?
Sowohl Kirche als auch Tourismus leben davon, Menschen zu berühren. Heute suchen Menschen sinnliche und emotionale Erfahrungen – sei es beim Besuch einer Kathedrale oder auf Pilgerwegen. Inszenierung kann helfen, diese Erfahrungen bewusst zu gestalten, ohne die Authentizität kirchlicher Botschaften zu verlieren. Inszenierung ist also nicht per se etwas Negatives, sondern ein wichtiges Werkzeug, um Erlebnisse zu vermitteln. Das konnte die katholische Kirche doch schon immer – schauen wir nur auf unser großartiges Brauchtum oder unsere beeindruckenden Kirchen.
Die Fachtagung „Die Macht der Inszenierung – im Dialog von Kirche und Tourismus“ findet vom 13.-16. Oktober in Rom in der CASA SANTA MARIA statt. Das Begegnungszentrum der Erzdiözese München und Freising in der Nähe des Vatikan möchte sich als Plattform für Verantwortliche aus Kirche, Tourismus und Politik anbieten, einen Blick in die Geschichte Roms und hinter die Kulissen zu werfen, um sich inspirieren zu lassen. Die inhaltliche Ausrichtung der Tagung ist eine Kooperation des Erzbistums München und Freising mit dem Erzbistum Salzburg und der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Kirche und Tourismus teilen das Anliegen, Räume zu schaffen, die berühren und verwandeln. Wo sehen Sie die größten Parallelen – und wo die größten Unterschiede?
Beide wollen Menschen ansprechen und Emotionen wecken. Der Unterschied liegt in der Absicht: Tourismus zielt auf Erlebnis, also auf ein „I was here“ – Kirche auf Erfahrung: auf ein inneres Erleben, ein „Here I am“. Trotzdem können wir voneinander lernen und kirchliche Orte bewusst gestalten, damit sie berühren.
Die Parallelen liegen klar darin, dass beide Bereiche
Menschen ansprechen: Ein historischer Kirchenraum wie die Münchener St.
Michaelskirche, ein Berggottesdienst auf dem Chiemgauer Unterberg oder
eine einsame Pilgerroute im Werdenfelser Land kann ähnlich beeindruckend
wirken wie ein museales oder touristisches Erlebnis, etwa der Besuch
eines unserer berühmten Königsschlösser. Das Spannungsfeld liegt für
mich in der Chance, voneinander zu lernen.
Viele Menschen kritisieren Massentourismus, gerade auch an besonderen sakralen Orten. Welche Rolle können kirchliche Institutionen dabei spielen, nachhaltigere Formen von Reisen und Erleben zu ermöglichen?
Noch will ich im kirchlichen Kontext nicht von Massentourismus sprechen, wenngleich zur Wiesn-Zeit in unseren Münchner Innenstadtkirchen oder im Advent die Kirche auf der Fraueninsel manchmal etwas zu voll ist. Deshalb suchen wir gerne alternative Wege: kleine Pilgerstrecken, unbekannte Orte, Ruhe- und Meditationsräume.
Außerdem können wir immer wieder sensibilisieren – für respektvolles Verhalten in sakralen Räumen, für kulturelle Wertschätzung und auch für umweltverträgliches Reisen. Gerade diese Werte sind eng mit der kirchlichen Botschaft verknüpft.
Wenn liturgische Feiern ebenso inszeniert sind wie touristische Angebote: Was macht für Sie den Unterschied zwischen einer oberflächlichen Eventdramaturgie und einer Inszenierung mit Tiefe?
Oberflächlich beeindrucken Effekte, ohne wirklich zu wirken. Tiefe Inszenierung verbindet Gestaltung mit Botschaft – sie lädt zur Reflexion ein und hinterlässt nachhaltige Eindrücke. In der Kirche transportiert sie Glauben, Spiritualität und Gemeinschaftserleben.
Der Unterschied liegt also in Authentizität und Absicht: In der Kirche bedeutet das, dass liturgische Feiern, musikalische Gestaltung oder Raumgestaltung nicht nur ästhetisch wirken, sondern den Besucherinnen und Besuchern immer einen Mehrwert bieten. Also Sinn machen.
[inne]halten - das Magazin 23/2025
Glauben wir an denselben?
Ein christlicher, ein jüdischer und ein muslimischer Theologe im Gespräch
Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.
Welche Erwartungen haben Sie an den bevorstehenden Fachdiskurs in Rom: Geht es mehr um theologische Reflexion, um praktische Handlungsempfehlungen – oder um beides?
Ich erwarte eine Mischung aus theologischer Reflexion und praktischen Impulsen. Wir werden in Rom einige sehenswerte Orte besuchen, natürlich den Petersdom – ein Paradebeispiel für architektonische Inszenierung. Aber auch die Anfänge des Pilgerwesens rund um den Campo Santo oder die Kirche Santa Maria dell’Anima stehen auf dem Programm.
Am nächsten Tag folgen Fachgespräche unter der Leitung von Prof. Pechlaner von der Katholischen Universität Eichstätt, mit Verantwortlichen aus dem Bereich Reiseveranstalter, Vertretern von UNESCO-Kulturorten und wichtigen kirchlichen Akteuren aus der Tourismuspastoral.
Besonders wertvoll ist mir neben der großen Vielfalt der Teilnehmenden der internationale Austausch – wir haben Gäste aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Italien. Wie gestalten andere Diözesen die Balance zwischen Erlebnis und Spiritualität? Das zu besprechen wird uns in Rom sicher gelingen. Es könnte hierfür wohl keinen besseren Ort geben.
Interview: Stefan Eß, Geschäftsführender Direktor des Sankt Michaelsbundes



