Glaubenswelten
17.03.2025

„Kirche sollte nicht parteipolitisch werden“

Anja Karliczek (CDU) ist seit 2013 Mitglied des Deutschen Bundestags, von 2018 bis 2021 war sie Bundesministerin für Bildung und Forschung. Seit 2023 ist sie Präsidentin des Katholischen Deutschen Frauenbunds (KDFB). Wir sprachen mit ihr über Glaube und Politik.

KDFB-Präsidentin Anja Karliczek zu Gast im Studio des Michaelsbunds. KDFB-Präsidentin Anja Karliczek zu Gast im Studio des Michaelsbunds. Foto: © Bauer/SMB

Welche Rolle spielt der christliche Glaube heute noch im Politikbetrieb?

Als ich vor zwölf Jahren nach Berlin kam, habe ich mich gewundert, wie viele Formate es gibt, die mit dem Glauben zu tun haben: ein Gebetsfrühstück, die katholische Messe am Donnerstagmorgen und andere. Ich bin davon überzeugt, dass der Glaube und seine Spiritualität der Gesellschaft Stabilität gibt. Dass das jetzt weniger wird, hat aber in Berlin noch nicht dazu geführt, dass diese Formate infrage gestellt werden. 

Für mich persönlich gilt: Entweder ich bin ein Christ oder ich bin keiner; ich kann ja die Christlichkeit nicht nur für bestimmte Themen in Anspruch nehmen. Trotzdem kann man, wenn man aus dem christlichen Glauben heraus Politik macht, natürlich zu unterschiedlichen Entscheidungen kommen. Dieses Verständnis hat mir in der Diskussion zuletzt häufig gefehlt, als man uns Unionspolitikern unterstellt hat, dass der Fünf-Punkte-Plan zur Begrenzung der Migration nichts mehr mit dem christlichen Menschenbild zu tun habe. Es hat mich auch sehr getroffen, dass Teile der Kirche das auch so gesehen haben.
 

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Sie sprechen die umstrittenen Bundestags-Abstimmungen zur Migrationspolitik am 29. und 31. Januar an, bei denen Sie der Fraktionsspitze gefolgt sind; Zustimmung kam damals auch von der AfD. Es gab in der Folge Unmutsbekundungen und Kritik innerhalb des KDFB an Ihnen, woraufhin Sie schrieben: „Es ist nicht immer einfach, meinen beiden großen Verantwortungen – als Bundestagsabgeordnete und als KDFB-Präsidentin – gleichermaßen gerecht zu werden.“ Wurde da für Sie ein Interessenskonflikt zwischen Glaube und Realpolitik spürbar?


Nein, das würde ich nicht sagen. Wir haben als Lehre daraus gezogen, dass wir darüber sprechen müssen, was es bedeutet, „keine Zusammenarbeit mit der AfD“ zu wollen. Wir als Frauenbund lehnen natürlich jede Zusammenarbeit mit den Radikalen ab. Sie wollen nichts Gutes für die Menschen, wollen unsere Demokratie zerstören. Und ich als Bundestagsabgeordnete bewerte die Abstimmung über die Anträge ausdrücklich nicht als Zusammenarbeit mit der AfD. Zusammenarbeit ist etwas Aktives. Als Abgeordnete muss ich frei entscheiden können. Aber mir ist klar, dass es zu Situationen kommen kann, wo es von Verbandsseite ein gewisses Unverständnis gibt.
 

[inne]halten - das Magazin 9/2025

Papst Franziskus ist tot.


Ein Pontifikat des Zuhörens, der Barmherzigkeit und der Nähe ist zu Ende gegangen.

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Wir ordnen ein, was nun geschieht – vom Abschied bis zur Wahl seines Nachfolgers.

Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.

 
Wie gehen Sie mit AfD-Abgeordneten um, die sich als christlich bezeichnen? Treffen Sie die im Gottesdienst?


Wir haben zum Beispiel im Gebetsfrühstück die Entscheidung getroffen, dass jeder gewählte Bundestagsabgeordnete grundsätzlich kommen darf. Denn solange die AfD im Bundestag vertreten ist, braucht man schon gute Argumente, wenn man sie aus bestimmten Formaten ganz ausschließen will. Jedoch: Wenn jemand auffällig wird, weil er gegen die Menschenwürde agiert, dann reden wir individuell mit ihm und sprechen gegebenenfalls ein Teilnahmeverbot aus. Das ist mittlerweile auch mehrfach passiert.

Wie politisch darf die Kirche sein? Wünschen Sie sich in politischen Fragen mehr Zurückhaltung vonseiten der Kirche?

Nein, die Kirche soll und darf sich natürlich äußern. Da gibt es viel Verbindendes, denken Sie nur an die Themen Schwangerschaftsabbruch oder Sterbehilfe. Was mich hat bei der Debatte rund um den Antrag der Union zum Thema Migration getroffen hat: dass uns Bundestagsabgeordneten von kirchlicher Seite abgesprochen wurde, eine christliche und moralische Haltung einzunehmen. Dagegen wehre ich mich. Unsere Aufgabe in der Politik ist, unterschiedliche Ansichten einer Gesellschaft zu artikulieren und dabei auch Lösungen für Fragen zu formulieren und durchzusetzen. Die Kirche sollte nicht damit anfangen, parteipolitisch zu werden.

Joachim Burghardt
Artikel von Joachim Burghardt
Redakteur
Immer auf der Suche nach spannenden, kontroversen und kuriosen Themen rund um Glauben und Wissen.