Interview
Die kühne Zukunftsvision vom „Humanotop“
Professor Achim Kampker hat sich zum Ziel gesetzt, die soziale Marktwirtschaft zu einer sozialen Marktkreislaufwirtschaft weiterzuentwickeln. Es geht ihm darum, dass wir gemeinsam die Probleme lösen, die wir als Menschheit haben. Dabei glaubt er fest daran, dass Technologie der Schlüssel für unsere Herausforderungen ist, ohne dabei den Menschen zu vergessen. Der Mensch steht im Mittelpunkt, muss sich aber seiner Verantwortung bewusstwerden, die Gott ihm in die Hände gelegt hat. Dass dafür Aufbruch und Begeisterung nötig sind, erklärt Kampker im Interview.
Sie sind Gründer und Vorsitzender des Vereins „Ingenieure retten die Erde“. Nehmen Sie sich da nicht ein bisschen viel vor?
Achim Kampker: Es ist ein Anspruch, den wir an uns selbst stellen. Wir wollen nicht unsere Verantwortung delegieren, sondern alles tun, was in unserer Macht steht, um unseren Lebensraum zu bewahren. Meistens sprechen alle darüber, was andere tun sollten, damit sich etwas ändert. Wir fangen bei uns an. Aber selbstverständlich ist klar, dass wir nicht alleine vermögen, die Erde wirklich zu retten, aber wir werden unseren Beitrag leisten.
Ihr neues Buch trägt den Titel „Zukunftslust“, im Untertitel deuten Sie an, dass wir „Hoffnung haben können“. Worauf genau haben Sie Lust und Hoffnung?
Kampker: Auf das Gestalten und Anpacken. Wir haben so viele Möglichkeiten und Chancen. Darauf konzentriere ich mich und das macht Spaß und Lust auf Zukunft. Wir können so viel erreichen, wenn wir es tun, und vor allem, wenn es viele von uns tun.
Sie beschreiben Ihre Vision von einem „Humanotop“, das Sie als „Modellstadt der Zukunft“ beschreiben. Worin unterscheidet sich eine solche Modellstadt von einer „normalen“ Stadt, wie wir sie kennen?
Kampker: Wir setzen voll auf Kreislauf und ergänzen die soziale Marktwirtschaft, also ergibt sich die soziale Marktkreislaufwirtschaft. Zum einen versuchen wir möglichst viele Ressourcen lokal zu erzeugen und diese maximal effizient zu nutzen. Dafür setzen wir Technologie ein. Wir sollten uns Menschen positiv sehen. Die meisten von uns wollen das Gute und dieses Gute sehe ich in den Menschen.
Was bewegt Sie dazu, mit dem „Humanotop“ einen neuen Begriff einzuführen?
Kampker: Darüber habe ich lange nachgedacht. Ein Weiter-wie-bisher wird unsere Probleme nicht lösen. Städte sind zurzeit das größte Problem und „leben“ auf Kosten des Umlandes. Das müssen wir radikal ändern. Daher finde ich es schlüssig, dass das Ergebnis auch einen anderen Namen bekommt. Bedenken Sie, dass wir derzeit eher bei 5 % liegen, was die Kreislaufwirtschaft angeht.
Ihre Vorstellungen vom „Humanotop“ verraten ein großes Vertrauen in Forschung und Technologie, da geht es um Flugtaxis, Unkraut jätende KI-Roboter und Insektenfarmen zur Produktion von Futtereiweiß. Spielen eigentlich auch Glaube und Spiritualität eine Rolle in Ihrer Zukunftsvision? Oder anders gefragt: Hat auch Gott einen Platz im Humanotop?
Kampker: Gott ist für mich die Basis für alles. Ohne die Orientierung an Gott würde alles ins Leere führen. Wir sind vor Gott für die Bewahrung der Schöpfung verantwortlich. Wir müssen begreifen, dass Gott unter Herrschen nicht das versteht, was wir allzu oft darunter verstehen. Die Mächtigen nehmen sich alles, wie es ihnen gefällt. Gottes Herrschaft bedeutet das Wohl für die Beherrschten. Diesen Auftrag möchte ich erfüllen, und Gott hat uns die Fähigkeit geschenkt, Technologie zu nutzen.
Wen möchten Sie mit Ihrer Initiative erreichen und welche Handlungen wollen Sie als Nächstes auslösen, damit das Ganze nicht nur eine Utopie bleibt?
Kampker: Jeden Menschen – da, wo er steht, und mit seinen Fähigkeiten. Wir brauchen alle. Und wir haben bereits begonnen. Was wir brauchen, ist, dass wir einen Aufbruch erzeugen. Weg von Angst vor dem Jetzt und der Zukunft, hin zum Anpacken und Handeln.
Wenn Sie unsere individuelle Mobilität, Ernährung, Wohnfläche und die Lebensqualität insgesamt in den Blick nehmen – in welchen Bereichen müssen wir uns auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft auf Einbußen einstellen?
Kampker: Viele Probleme können wir ohne Verzicht lösen. Wir müssen nur anders wirtschaften. Derzeit werden so viele Ressourcen verschwendet, dass wir sehr weit kommen, wenn wir das ändern.
Neben den vielen technologischen Innovationen, die Sie favorisieren: An welcher Stelle müssen wir auch gedanklich einen Schalter umlegen? Wo ist die Schranke in uns, die uns daran hindert, die Zukunft schon jetzt beginnen zu lassen?
Kampker: Wir müssen aus unserer Komfortzone heraus. Auf die Bequemlichkeit, dass andere unsere Probleme lösen, darauf müssen wir verzichten.
Der Münchner Komiker Karl Valentin nahm Pessimismus und Zukunftsangst mit folgendem Satz aufs Korn: „Die Zukunft war früher auch besser.“ Hat er da eine vielleicht auch heute noch verbreitete Haltung treffend beschrieben?
Kampker: Oft haben wir ja eher die Vergangenheit als besser beschrieben. Die Zukunft ist gestaltbar, die Vergangenheit nicht. Wir jammern zu viel. Trotz aller Herausfordernden leben wir in einem Land und einer Zeit, in der wir die Freiheit haben, die Zukunft selbst in die Hand zu nehmen. Wann gab es diese Chance in der Geschichte der Menschheit?
(Interview: Joachim Burghardt)