Wie man den Nahost-Konflikt nicht löst
Zuhören und andere Meinungen aushalten – dafür warben die Veranstalter einer Podiumsdiskussion in München, die sich um die verhärteten Fronten zwischen Israelis und Palästinensern drehte. Doch der Abend endete mit einem Eklat.
Was passiert, wenn man einen palästinensischen Aktivisten und einen Vertreter der Europäischen Rabbinerkonferenz auf ein Podium setzt und sie in einem überfüllten Saal kontrovers über den Nahost-Konflikt sprechen lässt? Zahlreiche Zuhörer wurden im Bürgerhaus in München-Fürstenried Zeugen eines denkwürdigen Abends mit dem Titel „Vergiftete Debatte, versperrte Wege – wie wir trotz des Israel-Palästina-Konflikts zusammenhalten können“.
Absage und Neuansetzung
Dass dieses Experiment Zündstoff bergen würde, war allen Beteiligten klar: Die Veranstaltung hätte ursprünglich bereits im Oktober in der Evangelischen Stadtakademie stattfinden sollen, war aber vom evangelisch-lutherischen Stadtdekan Bernhard Liess untersagt worden. Grund für die Absage war die Personalie Fuad Hamdan, ein in München beheimateter Palästinenser, der als Podiumsgast eingeladen war und dem Stadtdekan wegen bestimmter Äußerungen als zu problematisch erschien.
Doch Professor Stefan Jakob Wimmer, der als profunder Kenner des Nahen Orients und als Vorsitzender des Münchner Vereins „Freunde Abrahams“ Ideengeber und Initiator der Debatte war, fand mit dem Rechtsanwalt und ehemaligen FDP-Bundestagsabgeordneten Hildebrecht Braun einen Partner, der bereit war, das Gespräch doch noch stattfinden zu lassen und zu moderieren. „Für die bei der Veranstaltung geäußerten Positionen tragen allein die Personen selbst die Verantwortung, nicht die Veranstalter“, hieß es vorsorglich in der Ankündigung.
Unversöhnlicher Schlagabtausch
Als Leitlinie des Abends gab Wimmer aus, „kontrovers zu debattieren und dabei Meinungen anzuhören und auszuhalten, die nicht den eigenen entsprechen“. Es gehe darum, „auszuprobieren, was gesagt werden kann und muss“, um nicht nur „einseitige Lagerkonsolidierung“ zu betreiben, sondern beide Konfliktseiten sichtbar zu machen. Auch Moderator Braun bemühte sich in seiner Einleitung, den Boden für eine sachliche und von Respekt geprägte Debatte zu bereiten.
Was das Publikum dann aber in den Statements von Fuad Hamdan und Gady Gronich, dem Geschäftsführer der Europäischen Rabbinerkonferenz, geboten bekam, war ein Schlagabtausch zweier unversöhnlicher Kontrahenten, die weder Interesse noch Verständnis für die Situation der jeweils anderen Seite zeigten. Auch widmeten sie sich kaum der von Wimmer intendierten Frage nach Wegen der Koexistenz in München, sondern verloren sich immer tiefer in der Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts.
Hass auf den Staat Israel
Hamdan nutzte seine Redezeit, um den Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und den Stadtrat scharf für seine Pro-Israel-Positionierung zu kritisieren. Den Palästinensern werde in München das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nicht zugestanden, niemand kümmere sich um sie. Auch in Bezug auf den Nahen Osten nahm er kein Blatt vor den Mund: „Für uns ist Israel ein Staat der Täter“ und: „Wir haben jeden Grund, diesen Staat zu hassen“.
Gronich konstatierte lapidar, es gebe keinen Dialogpartner, mit dem man Friedensgespräche führen könne, da Hamas und Hisbollah die Zerstörung Israels beabsichtigten. Die Bevölkerung in Gaza, fügte er schulterzuckend an, habe 2005 die Hamas gewählt und sei gewissermaßen selbst für ihr Schicksal verantwortlich. Beide Redner würdigten sich dabei keines Blicks und drückten ihre gegenseitige Missbilligung aus, indem sie nur in der dritten Person und ohne Nennung des Namens übereinander sprachen: „Was dieser Herr gesagt hat …“
Plädoyers statt Diskussion
Zum Eklat kam es, als Gronich, der mit rhetorischen Fragen und sarkastischen Bemerkungen zunehmend die Sympathien des Publikums verspielte, in der Pause überraschend und kommentarlos die Veranstaltung verließ. Wie der brüskierte Moderator erklärte, habe das Sicherheitspersonal Gronich geraten, zu gehen, da die Atmosphäre „zu aggressiv“ geworden sei. Damit war die geplante Diskussion ad absurdum geführt, und der sichtlich frustrierte Wimmer stellte fest, das sei „nicht mehr die Veranstaltung, die wir geplant hatten“. Eine Abfolge propalästinensischer Plädoyers aus dem Publikum, teils ohne Worterteilung durch den Moderator, bildete den unstrukturierten Abschluss. Dass den Veranstaltern der Abend entglitten war, wurde vollends deutlich, als die Tochter von Hamdan das Mikrofon ergriff und bekundete, auch über das Existenzrecht Israels diskutieren zu wollen.
Was bleibt von dieser Debatte außer der Ernüchterung darüber, dass nicht einmal ein Minimalkonsens oder eine gegenseitige Respektsbekundung, geschweige denn die Andeutung einer gemeinsamen Vision erreicht werden konnte? Vielleicht die 20-seitige „Handreichung“ zum Verständnis des Israel-Palästina-Konflikts – eine kleine, sehr lesenswerte Broschüre, die Professor Wimmer verfasst hat und die er auch den Besuchern des Diskussionsabends mitgab. Fünf Thesen bilden die Grundstruktur des Texts. Die dritte lautet: „Jeder Konflikt ist überwindbar, auch dieser".