Kann die KI Obdachlosigkeit beenden?
Der Kapuzinermönch Paulus Terwitte befasst sich intensiv mit künstlicher Intelligenz (KI) und erklärt, wie sie ethisch verantwortungsvoll genutzt werden kann. Im besten Fall sieht er sogar die Möglichkeit, schwerwiegende soziale Probleme mittels KI zu lösen.

Wie steht die Kirche zum Umgang mit neuen Technologien wie KI?
Paulus Terwitte: Die Kirche war schon immer weit voraus, neue Möglichkeiten zu nutzen. Denken Sie nur daran, wo Christen überall hingegangen sind, sei es nach China oder in andere Länder. KI als Technik, die nun überall zur Verfügung steht, müssen wir anschauen, so wie ein Chirurg ein künstliches Herz ansieht. Dafür muss man die Bibel nicht neu schreiben. Die Prinzipien darin gelten auch für die Diskussionen um KI: Das Geschaffene ist nicht Gott. Wir müssen Eigentumsrechte wahren und alles einsetzen, damit es im Einklang mit dem Schöpfer der Welt Gerechtigkeit und Frieden fördert.
Worin liegt bei KI die größte Herausforderung?
Terwitte: KI kann uns zum Dialog führen, aber wir müssen achtsam bleiben, welche Versuchungen sie bei uns auslöst. Die größte Herausforderung besteht darin, nicht einfach loszulegen, ohne die Konsequenzen zu bedenken. KI darf uns nicht blind machen für die Verantwortung, was davon wir nutzen wollen. Und was wir vielleicht nicht berücksichtigen, wenn wir den Prompt – also den Eingabebefehl – erstellen, mit dem wir ihr Aufgaben stellen.
Wie kann KI ethisch eingesetzt werden, um die Gesellschaft zu verbessern?
Terwitte: KI sollte als Werkzeug gesehen werden, das wir nutzen können, um unsere Arbeit besser zu machen und unseren Mitmenschen zu helfen. Dabei sollten wir uns immer fragen, was wir gerade nicht beachten und wie wir die Technik verantwortungsvoll einsetzen können. Es ist wichtig, dass wir unsere Menschlichkeit und unseren Dialog mit unserem Gewissen, mit dem Team und unserer ganzen Mitwelt beibehalten.
Wie können Führungskräfte den Einsatz von KI in ihren Teams fördern, ohne dabei die menschlichen Werte zu vernachlässigen?
Terwitte: Führungskräfte sollten schrittweise und smart mit KI arbeiten. Nicht alle wollen mit diesem Werkzeug arbeiten, haben Vorbehalte und sehen noch nicht, was es wirklich nützt. Es ist wichtig, dass sie klare Aufträge geben und die Ergebnisse gemeinsam auswerten. Neue Formen der Kollaboration sind notwendig, und es ist entscheidend, dass Führungskräfte die Verantwortung nicht an die KI abgeben, sondern den Prozess aktiv begleiten.
Wie sehen Sie die Zukunft von KI in Bezug auf soziale Gerechtigkeit und ethische Prinzipien?
Terwitte: Es ist notwendig, dass wir gesetzliche Regelungen finden, die sicherstellen, dass alle von den Vorteilen der KI profitieren und nicht nur einzelne Firmen. Die soziale Marktwirtschaft muss darauf achten, dass sie gerecht bleibt. Ich stelle mir vor, dass KI uns dabei helfen kann, Statistiken besser zu lesen, schädliche Muster zu erkennen und bei der Lösung sozialer Probleme neue Hinweise zu geben, sie zu lösen, aber wir müssen sie verantwortungsvoll einsetzen.
Haben Sie Beispiele, wie KI bereits positiv eingesetzt wird, um Menschen zu helfen?
Terwitte: In München habe ich die Kuratoren einer Stiftung kennengelernt, die mit ChatGPT Kleinstanträge an die Stadt München automatisiert haben. Solche Anwendungen können Ehrenamtlichkeit unterstützen. Mein Traum ist es, KI zu nutzen, um Obdachlosigkeit zu beenden und soziale Interventionsmethoden zu verbessern.
Was raten Sie Menschen, die sich mit der Nutzung von KI überfordert fühlen?
Terwitte: Seien Sie geduldig. Sie müssen nicht alles sofort können. Es ist wichtig, klein anzufangen und Schritt für Schritt vorzugehen. Die wirkliche Lebensfreude kommt aus dem menschlichen Dialog und der Verbindung mit unserer Umwelt. Trauen Sie sich, andere nach ihren Erfahrungen zu fragen. KI kann ein Werkzeug sein, aber sie sollte uns nicht dominieren.
Das Interview führten Gerald Lembke und Christopher Meil für ihren Podcast „Jeder kann KI“. Das gesamte Interview ist im Podcast nachzuhören.