Gerechtigkeit
28.06.2024

Kommentar

Die Chancen der Zuwanderung

Der Kapuziner Helmut Rakowski beklagt die Vorbehalte der Politik gegen Einwanderer und argumentiert aus Ordenssicht.

Bruder Helmut Rakowski wirbt dafür, sich auf den Reichtum der Zuwanderer einzulassen. Bruder Helmut Rakowski wirbt dafür, sich auf den Reichtum der Zuwanderer einzulassen. Foto: © Kapuziner/Lemrich

Orden waren schon immer Vorreiter. Nonnen und Mönche haben Wälder urbar gemacht und betrieben Apotheken sowie Schulen. In der Neuzeit antworteten Gründerfiguren auf die sozialen Nöte der Gesellschaft. Auch beim allgegenwärtigen Personalmangel haben Klöster viel Erfahrung: Schwestern und Brüder aus anderen Ländern halten schon lange wichtige Dienste bei uns aufrecht.


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"Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen"

Das gemeinsame Leben und Arbeiten ist auch im Kloster eine Herausforderung. Darum haben sich die Verantwortlichen der etwa 13.500 Ordenschristen in Deutschland bei ihrer Jahresversammlung zu diesem Thema ausgetauscht. Dabei fiel der bekannte Satz von Max Frisch: „Wir riefen Arbeitskräfte, und es kamen Menschen.“

Auch in der Kirche gilt es, aus den Fehlern des Anfangs zu lernen. Berufsausbildung und Sprachkenntnisse allein reichen nicht. Jeder Mensch ist zutiefst geprägt von seiner Herkunft und Kultur. Hier muss Lern- und Übersetzungsarbeit geleistet werden. Wo das gelingt, so die Orden, werden beide Seiten bereichert.

"Der Fachkräftemangel ist teilweise selbstgemacht"

Wir Ordensgemeinschaften beklagen jedoch, dass auf der Ebene der Politik anscheinend Angst herrscht. Obwohl Schwestern und Brüder aus dem Süden kommen, um den „Fachkräftemangel“ zu lindern, ist es schwer, ein Visum zu bekommen. Ich fürchte, dahinter steckt die Angst der Politik vor populistischen Parolen. Es fehlt der Mut, die Chancen des Zuzugs zu verteidigen. Die regierenden Parteien wollen unbedingt den Eindruck vermeiden, man würde „Fremde“ willkommen heißen. Damit ist der stets beklagte Fachkräftemangel teilweise auch selbstgemacht.

Eine verpasste Chance. Denn es könnte uns helfen, uns auf den Reichtum all derer einzulassen, die nicht freiwillig zu uns kommen, sondern die vor Krieg, Gewalt und Armut fliehen.

(Bruder Helmut Rakowski, Provinzial der deutschen Kapuzinerprovinz)