Zukunft
08.04.2024


Kommentar

Erst 18, aber schon so was von systemrelevant

Wiedereinführung der Wehrpflicht? Das wäre zu kurz gegriffen. Ein Gesellschaftsjahr für alle ist das Gebot der Stunde.

Foto: © KI-Darstellung: Burghardt

Wenn aktuell wieder über eine Rückkehr der Wehrpflicht diskutiert wird, ruft das bei mir Erinnerungen an meinen eigenen Wehrdienst wach. Zwei Szenen habe ich dabei vor Augen. Die erste: Wenige Tage nach Dienstantritt ruft der Hauptmann uns blutjunge Rekruten ins Fernsehzimmer und weist uns an, die Nachrichten-Sondersendung mitzuverfolgen. Wir sehen rauchende, dann einstürzende Hochhäuser. Es ist der 11. September 2001, und mit weichen Knien begreife ich: Krieg ist real. Die zweite: Es herrscht herbstliches Traumwetter – aber anstatt dass wir an der frischen Luft Sport treiben oder uns in der Welt außerhalb der Kaserne nützlich machen, putzen wir stundenlang sinnlos Gewehre. Beides führt mich in die Gegenwart: Leider sind gut aufgestellte bewaffnete Kräfte unverzichtbar, damit wir uns im Falle des Falles verteidigen können. Aber: Nicht nur unsere Armee hat eine Zeitenwende nötig – es gibt auch auf vielen anderen Baustellen Sinnvolles zu tun.

Es geht um so viel mehr als Arbeitskraft.

Lasst uns daher nicht die Wehrpflicht, sondern ein größer gedachtes Gesellschaftsjahr für alle jungen Menschen einführen! Die Botschaft ist so klar wie gerecht: Jede und jeder leistet einen Beitrag zum gelingenden Miteinander in diesem Land – und bekommt unbezahlbare Erfahrungen aus dem echten Leben zurück. Ob im Besuchsdienst für Senioren oder in der Schülernachhilfe, bei der Tafel oder einem gemeinnützigen Verein, beim Katastrophenschutz oder beim Deutschunterricht für Migranten, in Kultur oder Sport, im kirchlichen Bereich oder eben doch im Flecktarn – jede helfende Hand wird gebraucht. Und Hände sind da!


Anzeige

Dabei geht es um viel mehr als Arbeitskraft: Die Flexibilität, die Wissbegierde und die frischen Ideen der jungen Generation tun so vielen austrocknenden Branchen auch auf anderer Ebene gut. Schulabgängern wiederum wird vermittelt, dass sie nicht gleich ins Wirtschaftsstudium verschwinden und für die unbarmherzigen Märkte von morgen fit werden müssen, sondern dass sie zuallererst als Menschen in einem Gemeinwesen systemrelevant sind, wertgeschätzt werden und etwas bewegen können. Der Wehrdienst muss freilich so attraktiv gestaltet sein, dass er für viele zur echten Option wird – und zwar schnell. Am Ende gewinnen unser Zusammenhalt, unsere Lebensqualität, unsere Sicherheit – wir alle. Wann fordern wir diesen Gewinn endlich ein?

Joachim Burghardt
Artikel von Joachim Burghardt
Redakteur
Immer auf der Suche nach spannenden, kontroversen und kuriosen Themen rund um Glauben und Wissen.