Digitale oder handyfreie Schule?
Hessens Kultusminister Achim Schwarz (CDU) möchte Handys an Schulen landesweit verbieten. In der Bildungsministerkonferenz im März will er ein bundesweites Verbot diskutieren. Bisher regeln Schulen die Nutzung. Einige erproben einen handyfreien Schulalltag.

Ohne Handy, Laptop oder Smartwatch
Die durchschnittliche Nutzungsdauer liegt, je nach Studie, bei vier bis acht Stunden täglich. Jungen nutzen das Smartphone hauptsächlich für Online-Spiele, Mädchen vor allem für soziale Medien wie TikTok. Für diese ist normalerweise ein Mindestalter vorgegeben. TikTok beispielsweise schreibt in seinen Datenschutzbestimmungen ein Mindestalter von 13 vor. Unter 18 Jahren ist außerdem eine Einverständniserklärung der Eltern nötig. Einzelne Schulen verbieten deshalb Smartphones – mit Einschränkungen. Ein Beispiel ist das Christianeum in Hamburg. Seit dem vergangenen Herbst ist es eine „Smartphone-freie Schule“ für die Jahrgänge fünf bis sieben. Handys sind dort weder privat noch zu Unterrichtszwecken erlaubt. In späteren Jahrgängen dürfen Schülerinnen und Schüler die Geräte im Unterricht für Mitschriften nutzen – mit Einverständnis der Lehrkraft. Privat sind Smartphones auch in höheren Klassenstufen nur im Schulcafé gestattet. Das gilt laut „Digitalkodex“ für alle „elektronischen Endgeräte“. Darunter fallen neben Handys auch Laptops und Smartwatches.
Kontrolle von Verboten oft schwierig
Bayern ging einen anderen Weg: Noch bis 2022 galt an Schulen ein striktes Verbot von Smartphones, dann wurde es für weiterführende Schulen gelockert. Heute liegt die Entscheidung bei den Schulen selbst. 2024 startete Bayern das Pilotprojekt „Digitale Schule der Zukunft“: Schülerinnen und Schüler an teilnehmenden Schulen sind mit Tablets ausgestattet. „Dadurch lassen sie sich besser und zielführender im Unterricht einsetzen“, sagt Robert Baumann, informationstechnischer Berater digitale Bildung für die Gymnasien in Unterfranken. Er rät von einem strikten Handyverbot an Schulen ab: „Ein Verbot hat seinen Charme, weil es Orientierung schafft“, sagt Baumann. „Das lässt sich aber nur schwer kontrollieren.“ Digitale Geräte gehörten längst zum Alltag junger Menschen. Einige Schulen haben deshalb feste Zeiten und Zonen eingerichtet, in denen Handynutzung erlaubt ist. Handys, so Baumann, sollten im Unterricht am besten auf dem Tisch liegen, sodass sie nicht heimlich genutzt werden können. „Auch dann aber sind an Schulen oft noch viele Fragen zu klären“, sagt der Experte: „Wie sollten Schüler sanktioniert werden, die sich nicht an die Regeln halten? Wann und wie lange sollten Handys eingesammelt werden? Wie kann man sicherstellen, dass Schülerinnen und Schüler die Access Points einer Schule nicht umgehen?“
Medienbildung als längerer Prozess
Zierer empfiehlt, die Nutzung von Smartphones an Schulen pädagogisch zu begleiten, den Gebrauch in den Lehrplan einzubinden und Jugendlichen schrittweise Freiräume zu geben. Ratsam sei das aber erst ab dem Übergang von der ersten zur zweiten Sekundarstufe. „Schulen sollten diesen Prozess vernünftig planen, mit Methoden der Medienerziehung, Medienkritik und Mediengestaltung“, sagt Zierer. „Ein Crash-Kurs zu sozialen Medien wird schnell wieder vergessen.“ Dazu gehöre eine enge Zusammenarbeit mit den Eltern. Ab welchem Alter junge Menschen Verantwortung für die Nutzung von Smartphones übernehmen können, ist in der medizinischen Forschung umstritten. Ein von der französischen Regierung in Auftrag gegebenes Gutachten zu Smartphone-Gebrauch an Schulen forderte jüngst ein Smartphone-Verbot für Kinder unter 13 Jahren und Social-Media-Nutzung ab 18 Jahren; in Australien sollen die Plattformen künftig erst ab 16 Jahren erlaubt seinKlare Signale von Eltern sind wichtig
„Unser Ziel ist es, eine Kultur der Digitalität zu organisieren“, sagt Baumann. Digitale Geräte könnten zunächst als Werkzeug dienen, um manche Arbeitsabläufe wie Notizen zu vereinfachen und um Papier zu ersetzen. „Mittelfristig wollen wir digitale Werkzeuge bewusst im Unterricht einsetzen. Sie bieten zum Beispiel Möglichkeiten, Unterrichtsinhalte anders zu visualisieren und den Unterricht individueller zu gestalten.“ Zudem ermöglichten digitale Werkzeuge gemeinsames und interaktives Lernen. Für den privaten Gebrauch empfiehlt er Eltern, die Nutzungszeit mithilfe technischer Tools auf dem Handy einzuschränken. „Eltern sollten Jugendlichen zeigen, dass sie bestimmte Dinge nicht im Übermaß benutzen sollten“, sagt Baumann. „Dass im Internet Inhalte zu finden sind, die ihnen nicht guttun. Dass sie als Eltern aber für sie immer da sind.“ (Isabel Barragan/KNA)