Gerechtigkeit
06.03.2025


Demokratie in Gefahr in den USA

Trump und die Massenabschiebungen

In atemberaubendem Tempo greift Donald Trump die Demokratie in den USA an. Papst Franziskus kritisiert die Pläne der neuen Regierung, illegal eingewanderte Migranten in großer Zahl abzuschieben, in einem Brandbrief scharf. Er sendet damit auch ein Signal an die Gläubigen und Bischöfe im Land.
 

Keine Massenabschiebungen aus den USA nach Mexiko wünscht sich diese Demonstrantin in Los Angeles. Keine Massenabschiebungen aus den USA nach Mexiko wünscht sich diese Demonstrantin in Los Angeles. Foto: © imago

die Sätze des Papstes klangen scharf. „Ein richtig gebildetes Gewissen kann nicht umhin, ein kritisches Urteil zu fällen und seine Ablehnung gegenüber jeder Maßnahme zum Ausdruck zu bringen, die stillschweigend oder ausdrücklich den illegalen Status einiger Migranten mit Kriminalität gleichsetzt“, schrieb Franziskus an die US-amerikanische Bischofskonferenz. „Was auf der Grundlage von Gewalt und nicht auf der Wahrheit über die gleiche Würde jedes Menschen aufgebaut wird, beginnt schlimm und wird schlimm enden.“

Massimo Faggioli, Theologie-Professor an der Universität Villanova (Philadelphia), sagt, der Brandbrief des Papstes sei „ein historisches Dokument, zu dem es in der jüngeren Geschichte nur sehr wenige Vergleiche gibt“. Selten hat ein katholisches Kirchenoberhaupt die Politik einer Regierung so deutlich kritisiert wie der Papst die Massenabschiebungen von Menschen ohne gültige Aufenthaltspapiere, die der neue US-Präsident Donald Trump angeordnet hat.

Verletzung der Würde vieler Menschen

„Die Abschiebung von Menschen, die in vielen Fällen ihre Heimat wegen extremer Armut, Unsicherheit, Ausbeutung, Verfolgung oder schwerwiegender Umweltzerstörung verlassen haben, verletzt die Würde vieler Männer und Frauen sowie ganzer Familien und versetzt sie in einen besonders verletzlichen und schutzlosen Zustand“, betonte Franziskus.
Mit seinen Worten wollte er offenbar ein Zeichen an die vielen erzkonservativen US-Bischöfe senden, die Trump unterstützen – und an die weißen Katholiken, die seine Massenabschiebungen für richtig halten. Franziskus maßregelte auch den Vizepräsidenten J. D. Vance – ohne ihn namentlich zu erwähnen.
    

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„Prophetische Mahnung“

Vance hatte versucht, die Migrationspolitik seiner Regierung durch einen Verweis auf den Kirchenlehrer Thomas von Aquin zu begründen. „Du liebst deine Familie, dann liebst du deinen Nachbarn, dann liebst du deine Gemeinschaft und dann liebst du deine Mitbürger in deinem eigenen Land“, so Vance. Erst danach könne man sich um den Rest der Welt kümmern. „Googeln Sie einfach mal ,ordo amoris‘“, fügte der Vizepräsident hinzu, damit bezog er sich auf den von Thomas von Aquin geprägten Begriff einer „Rangordnung der Liebe“.
Franziskus konterte, der wahre „ordo amoris“, den es zu fördern gelte, sei im Gleichnis vom barmherzigen Samariter zu entdecken. In der Passage im Lukas-Evangelium gehe es um eine Brüderlichkeit, „die allen ohne Ausnahme offensteht“. Eine solche öffentliche Zurechtweisung des US-Vizepräsidenten durch den Papst sei „beispiellos“, sagt der Theologe Faggioli.

„Antlitz Christi“ in jedem Migranten zu erkennen

Erzbischof Timothy Broglio, der Vorsitzende der US-Bischofskonferenz, dankte Franziskus für seine Unterstützung und erinnerte daran, dass in jedem Migranten „das Antlitz Christi“ zu erkennen sei. Kardinal Blase Cupich, Erzbischof von Chicago, nannte den Papstbrief eine „prophetische Mahnung“ und betonte, wie wichtig in den USA gerade jetzt der Schutz der Würde von Migranten sei. Die meisten Bischöfe aber schwiegen.
Trumps Grenzschutzbeauftragter Tom Homan griff den Papst scharf an: „Er sollte sich auf seine Arbeit konzentrieren und uns den Grenzschutz überlassen. Er hat eine Mauer um den Vatikan, nicht wahr?“ Faggioli sagt: „Die Beziehungen zwischen den USA und dem Vatikan sind jetzt viel schlechter geworden als während der ersten Trump-Regierung. Amerika verändert sich und Franziskus versteht den Trump’schen Autoritarismus.“
  

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„Sichtbare Grausamkeit“

In atemberaubendem Tempo greift der neue Präsident die Demokratie an, manche Experten sehen die USA auf dem Weg in eine Diktatur. Faggioli sagt, Trumps Politik der vergangenen Wochen sei „eine Fortsetzung des Putschversuchs vom 6. Januar 2021“. Und er fügt an: „Der schockierendste Teil sind die sichtbare Grausamkeit und die rassistischen Töne, mit denen diese Politik angekündigt und durchgesetzt wird.“ Donald Baker, Pastor in New York, sagt, ihn schockiere „die völlige Missachtung der Rechtsstaatlichkeit“.
Bisher gibt es in den USA nur vereinzelt Proteste gegen die autoritär agierende neue Regierung, das Land wirkt wie gelähmt. Auch die Kirche ist relativ still. Baker berichtet: „Die Katholiken in den Kirchenbänken wollen einfach nur miteinander auskommen, also schweigen die meisten erst mal. Und nur wenige Priester werden von der Kanzel aus kritisieren, und diejenigen, die es tun, werden schnell angegriffen. Wie ich nur zu gut weiß!“

„Zivile und moralische Mobilisierung“

Ob der Widerstand gegen Trump noch kommt, in ein paar Wochen oder Monaten? Der New Yorker Pastor Baker hofft es: „Wenn die Auswirkungen von Trumps Politik für die Amerikaner zu spüren sind, insbesondere für diejenigen, die für ihn gestimmt haben, werden es die Menschen sein, die sich dagegen wehren. Nur die Zeit wird zeigen, ob es ausreichen wird.“
Der Theologe Faggioli sagt: „Es muss eine zivile und moralische Mobilisierung geben, und die katholische Kirche könnte der sichtbarste Akteur auf nationaler Ebene sein.“ Im Moment aber sei die Kirche zu gespalten oder zu selbstgefällig gegenüber Trump. Faggiolis Prognose klingt düster: „Es ist schwer, sich die Zukunft der USA nach vier Jahren Trump vorzustellen.“

Andreas Lesch