Südsudan: Hilfe für die Ärmsten
Im Sudan hat ein Bürgerkrieg die weltweit größte humanitäre Krise ausgelöst, mehr als 14 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Einige von ihnen finden Hilfe bei einem indischen Orden im Südsudan. Dominic Raj erzählt, wie sein Team und er die Verzweifelten unterstützen.

Die Menschen, die nach Kodok kommen, sind müde, ausgelaugt, verzweifelt. Oft sind sie seit Wochen auf der Flucht, bis sie die kleine Stadt im Südsudan erreichen. Die Kirche ist für sie ein Ruhepol mitten im Chaos. Sie feiern dort Gottesdienst, beten – und treffen auf Menschen, die ihnen helfen wollen. „80 Prozent der Flüchtlinge sind katholisch“, sagt Dominic Raj. „Sie vertrauen der Kirche.“
Raj lebt seit 2021 in der südsudanesischen Hauptstadt Juba. Regelmäßig aber reist er nach Kodok, direkt an die Grenze zum Sudan. Er arbeitet als Entwicklungshelfer für den indischen Orden „Daughters of Mary Immaculate“, erst war er in Tansania, dann ging er in den Südsudan. In Kodok leitet er ein Projekt für Flüchtlinge aus dem Sudan, das von Caritas international in Deutschland unterstützt wird.
„Es kommen immer mehr Menschen“
Vor drei Jahren, als Raj nach Kodok kam, lebten in der Stadt 3.000 Familien. Heute seien es 12.000, sagt er. Dennoch gebe es nur ein Gesundheitszentrum und zwei Schulen: „Die Infrastruktur ist nicht gewachsen. Und es kommen immer mehr Menschen.“ Es sind Sudanesen, die vor der Gewalt und dem Hunger in ihrem Heimatland fliehen. Hauptsächlich aber Rückkehrer: Menschen, die einst den Südsudan verlassen haben und nun wiederkommen.
Der Südsudan und der Sudan sind seit Jahrzehnten von Kriegen geprägt. Der Südsudan wurde erst 2011 unabhängig vom Sudan. Doch das brachte nicht den erhofften Frieden: Verschiedene ethnische Gruppen kämpften weiter um politischen Einfluss und wirtschaftliche Macht. Tausende Südsudanesen flohen vor der Gewalt und den Auswirkungen der Wirtschaftskrise in den Sudan. „Sie hofften, dass sie dort ein besseres Leben führen können. Dass sie Arbeit finden und ihre Kinder zur Schule schicken können“, sagt Raj.
Millionen Menschen sind auf der Flucht
Mitte April 2023 eskalierte auch im Sudan die Situation. Einheiten der sudanesischen Armee kämpfen seitdem gegen die Rebellenmiliz der Rapid Support Forces. Die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen, zehntausende Zivilisten wurden bei Kämpfen getötet oder verletzt. Knapp sechs Millionen Menschen sind im Sudan auf der Flucht. Die Auswirkungen der Klimakrise verschlimmern ihre Situation: Nach einer langen Dürre sorgten im August heftige Regenfälle für Überschwemmungen. 26 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte der Bevölkerung des Landes, leidet nun akut unter Hunger. Die meisten Hilfsorganisationen haben das Land wegen der Gewalt verlassen.
Die Vereinten Nationen schätzen, dass mittlerweile 865 000 Menschen vom Sudan in den Südsudan geflohen sind. „Viele sind krank. Sie haben Malaria oder Tuberkulose“, sagt Raj. Die Kinder seien unterernährt und müssten dringend behandelt werden: „Und alle erzählen die gleiche Geschichte: Sie haben liebe Menschen verloren, Eltern oder Kinder. Oder sie wurden selbst zu Opfern.“ Mädchen und Frauen berichten ihm von Missbrauch und Vergewaltigungen.
Ein Haus für 150 Familien
Raj und sein Team wollen helfen. Mit ihrem Projekt sind sie in 20 Dörfern rund um Kodok aktiv und unterstützen 12.000 Menschen. Sie verteilen Lebensmittel wie Bohnen, Sorghumhirse oder Öl. Sie beraten Frauen, bieten Gesundheitsvorsorge an. Und sie kümmern sich um Unterkünfte. Gerade baut der Orden ein Haus, in dem 150 Familien leben können – rund 1000 Menschen werden also für einige Zeit eine Unterkunft haben.
Viele der Rückkehrer haben noch Verwandte im Südsudan, bei denen sie unterkommen können. Andere Flüchtlinge werden von Gastfamilien aufgenommen. „Doch die leben selbst häufig an der Armutsgrenze“, sagt Raj. „Sie müssen für jeden Bissen kämpfen.“ Daher unterstützt der Orden nicht nur Flüchtlinge, sondern auch Südsudanesen. „Je mehr Flüchtlinge kommen, desto schwieriger wird es für die lokale Bevölkerung“, sagt Raj. Mit ihrem Projekt wollen sie helfen, das soziale Gleichgewicht zu halten.
Schulungen zum Anbau von Früchten
Dafür suchen sie auch den Kontakt zu Stammesführern, Dorfältesten und Gemeinderäten. Mit ihnen diskutieren die Mitarbeiter über Probleme wie das Erstarken von Jugendbanden. Gemeinsam suchen sie nach Lösungen. Und sie verhandeln über Land und Grundstücke. „Die Flüchtlinge müssen ihre eigenen Nahrungsmittel produzieren“, sagt Raj. In ihrem Projekt bieten sie Schulungen zum Anbau von Früchten an, sie verteilen Saatgut und landwirtschaftliche Geräte. „Die ersten Familien haben im Juli ausgesät und werden noch in diesem Winter ernten können“, sagt Raj. Die Lebensmittel sicherten ihre Ernährung für die nächsten drei oder vier Monate.
Wenn Raj mit den Flüchtlingen spricht, spürt er, dass sie immer noch Hoffnung auf ein besseres Leben haben. „Die Menschen spüren, dass wir ihnen helfen können, ihr Leben neu aufzubauen“, sagt Raj. „Wir bauen nicht nur Früchte an oder Häuser auf. Wir schenken Hoffnung.“ Noch einen Wunsch würden er und sein Team den Flüchtlingen gern erfüllen: Bildung für ihre Kinder. „Die Menschen fragen, ob wir nicht einen Lehrer anstellen können, damit die Kinder und Jugendlichen nicht auf der Straße sind“, sagt Raj. Dem Orden fehlen dafür die Mittel, Caritas international sucht Spender. „Das ist die nächste Aufgabe für uns“, sagt Raj. „Das gehen wir jetzt an.“