"Podcast Reisewarnung"
Befreiung aus der modernen Sklaverei
Kenia gilt als Drehkreuz des internationalen Menschenhandels. Eine zweifache Mutter aus einem Vorort von Nairobi wollte in Saudi-Arabien Geld verdienen, um ihre Kinder versorgen zu können, doch sie wurde von einer Agentur hinters Licht geführt. Dank der Organisation „HAART“ konnte sie nun ein neues Leben beginnen.
Sorgfältig spritzt Maxmilla Withera das Motorrad ab. Der Schlamm ist hartnäckig in diesen Tagen in einem Vorort von Nairobi. Withera ist die Inhaberin einer Waschanlage für Motorräder und Autos. Außerdem verkauft sie Haarverlängerungen, Parfum und Wasserflaschen. Die 36-Jährige kommt einigermaßen über die Runden mit dem, was sie verdient. Ihre beiden Kinder (13 und 15 Jahre alt) gehen zur Schule. Doch ihr Traum sah ganz anders aus: Sie wollte für eine kurze Zeit nach Saudi-Arabien gehen und dort als Hausmädchen so viel Geld verdienen, dass sie ihre Kinder gut ernähren kann. Sie sollten stolz auf sie sein. Doch es kam anders. „Ich kam zurück mit nichts als meinem Leben. Aber anderen ist es schlimmer ergangen. Ich lebe noch“, fasst sie ihre Erfahrung zusammen.
Eine Agentur hatte sie an ihren Arbeitgeber vermittelt. „1100 Riyal sollte ich im Monat bekommen und in einem Haushalt helfen.“ Doch schon am Ende des ersten Monats waren es nur 800 Riyal. Der Arbeitgeber zeigte ihr den Vertrag, in dem genau diese Summe festgeschrieben stand. „Diesen Vertrag hatte ich nie gesehen und nicht unterschrieben. Das hatte die Agentur gemacht.“ Außerdem musste sie in viel mehr Häusern arbeiten als vereinbart. Noch schlimmer wurde es, als der Hausherr auf Geschäftsreise ging. Da bekam sie manchmal 200 Riyal, manchmal gar kein Geld mehr.
Behandelt wie ein Hund
Immer wieder wurde sie vertröstet: Wenn der Mann wieder da ist, dann bekommst du dein Geld. Während sie darüber spricht, treten Tränen der Wut in ihre Augen, aber sie spricht beherrscht weiter. Erzählt, wie sie behandelt wurde. „Wie ein Hund. Weil wir keine Araberinnen waren, waren wir nichts wert.“ Eines Tages musste sie aufs Dach steigen und eine Regenrinne säubern. Dabei stürzte sie. „Ich war zu schwach, weil ich seit Monaten nur von Brot und starkem Tee gelebt hatte. Und manchmal von etwas Gemüse, das ich aus dem Müll gefischt habe.“ Zum Arzt geht niemand mit ihr. Ihr Rücken ist nie wieder ganz verheilt, blockiert oft.
Nach zwei Jahren ohne Bezahlung schleicht sie sich aus dem Haus. Irgendwohin. Eine Frau auf der Straße beschreibt ihr den Weg zur Polizei. Dort erzählt sie ihre Geschichte und sie kommt in ein Rückreisezentrum in Riad. Acht Monate muss sie dort bleiben, bis sie alle Papiere zusammenhat, um wieder nach Hause zu können. Ihr Chef hatte ihren Reisepass einbehalten und hat auch nicht reagiert, als die Polizei bei ihm angerufen hat.
Kenia ist Drehkreuz des Menschenhandels
Frauen wie Maxmilla hilft die Organisation „HAART“. Denn Kenia ist ein Drehkreuz des internationalen Menschenhandels. Mädchen aus den umliegenden Ländern kommen hierher. Sie wenden sich an dubiose Agenturen und landen im Bordell oder in sklavenähnlichen Beschäftigungsverhältnissen im Ausland. Ihnen hilft HAART, zu fliehen. Oft werden sie von den Menschenhändlern verfolgt, wenn sie ausgebrochen sind. Deshalb hat HAART einen Zufluchtsort geschaffen. In einem großen Haus mit einem schönen Garten können sich die Frauen vor ihren Peinigern verstecken. Ihre Handys müssen sie ausschalten, damit sie nicht geortet werden können.
Außerdem versucht die Organisation, die auch von missio München unterstützt wird, die Täter anzuklagen. „Im letzten Jahr hatten wir einen schönen Erfolg“, berichtet Winnie Mutevu von HAART. Eine Zuhälterin ist zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt worden – wegen Menschenhandels. Ein Zeichen, das von außen wahrgenommen wird.
Täter werden angeklagt
Doch die Menschenrechtsaktivistin erzählt auch von neuen Verbrechen: Gerade gibt es immer wieder Fälle von illegalem Organhandel, erzählt sie. Alle Frauen, denen HAART hilft, aus ihren Zwangslagen zu fliehen, werden ärztlich untersucht, wenn sie wieder zurück sind. Und tatsächlich hatte eine Frau nur noch eine Niere – und wusste es nicht einmal. Sie war wegen etwas ganz anderem ins Krankenhaus gekommen.
Ein weiteres Tätigkeitsfeld der Organisation ist die Reintegration nach der Rückkehr. Wie bei Maxmilla Withera, die über das ganze Gesicht strahlt, wenn sie erzählt, wie ein Mitarbeiter von HAART ihr zuerst etwas zu essen gebracht hat, dann die Miete für ihr Geschäft und ihre Wohnung übernommen hat und die Erstausstattung für ihr Geschäft mit ihr zusammen gekauft hat. Dann muss sie weiterarbeiten. Das nächste Motorrad wartet schon in ihrer eigenen kleinen Waschanlage.