Kommentar
Asyl: „Es gibt keine einfache Lösung“
Europa stöhnt unter den Herausforderungen, die durch Asylbewerber entstehen. Doch kann man das Problem einfach nach Albanien auslagern, wie es Italien derzeit versucht? Renovabis-Hauptgeschäftsführer Pfarrer Thomas Schwartz kommentiert.
„Was ist das für eine Überheblichkeit!“ Dieser Gedanke kam mir in den Sinn, als ich das erste Mal von den Plänen der italienischen Regierung von Giorgia Meloni hörte, in Albanien Asylbewerber-Lager schaffen zu wollen. Als Renovabis-Chef habe ich Albanien mehrmals besucht. Ich weiß um die sozialen und wirtschaftlichen Probleme des Landes, aber erlebe auch ermutigende Entwicklungen. Die Zunahme des Tourismus zum Beispiel bringt Einnahmen und schafft Perspektiven. Viele dort haben die große Hoffnung, in absehbarer Zeit Teil der Europäischen Union werden zu können. Doch was sagt das über uns aus, wenn wir unsere Migrationssorgen auf schwächere Länder wie Albanien vor den Toren der Europäischen Union abwälzen wollen?
Gefängnisartiges Rückführungslager
Ein Jahr nach der Vereinbarung wurde nun das erste gefängnisartige Rückführungslager für Asylbewerber an der nordalbanischen Adriaküste in Betrieb genommen. Verbunden war dies mit großer medialer Aufmerksamkeit. Auch viele Politiker in unserem Land blicken mit großen Erwartungen auf dieses Pilotprojekt. Sieht so die Lösung unserer Migrationsprobleme aus? Das denke ich nicht. Ich frage mich, warum sollen Asylverfahren in Albanien besser funktionieren als in Italien? Oder geht es nur darum, die Not von Migrantinnen und Migranten vor der eigenen Bevölkerung zu verstecken, unsichtbar zu machen?
Es braucht in der Europäischen Union eine ehrliche Bestandsaufnahme, Solidarität untereinander sowie mit den Ländern Osteuropas und des Globalen Südens. Machen wir uns nichts vor: Die EU ist und bleibt der Sehnsuchtsort vieler Menschen. Verfolgung, Armut, Perspektivlosigkeit und Folgen des Klimawandels sind die Ursachen dafür, dass sich Menschen auf den riskanten und lebensgefährlichen Weg nach Europa machen. Hier müssen wir ansetzen. Es braucht zuverlässige Entwicklungszusammenarbeit anstelle von Deals, die der lokalen Bevölkerung keinerlei Perspektiven bieten. Renovabis und andere kirchliche Hilfswerke schaffen dagegen Perspektiven in ärmeren Regionen der Welt.
Thomas Schwartz, Hauptgeschäftsführer Renovabis