Ostern
Wir werden alle verwandelt werden
Hase, Lamm und Ei – alles altbekannte Symbole für Ostern und die Auferstehung. Was aber hat ein Schmetterling in dieser Aufzählung zu suchen? Und wie kamen überhaupt die anderen österlichen Dauerbrenner zu dieser hohen Ehre?

Da gingen dem Restaurator Rupert Karbacher seinerzeit gehörig die Augen über: Im April 1991 soll er im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege ein gotisches Kreuz aus dem Regensburger Schottenkloster wieder herrichten. Plötzlich bemerkt der Restaurator, dass aus dem Hinterkopf des Gekreuzigten eine grüne Schnur herausspitzt. Sie weist den Weg zu einem verborgenen Hohlraum, der sich wie eine Griffelschachtel öffnen lässt. Darin liegt ein Lederbeutel, der einen kostbaren Inhalt birgt: Ein Reliquiar in Form eines Schmetterlings, ein Wunderwerk der Goldschmiedekunst, nur ganze fünf Zentimeter breit. Die zierliche Emailarbeit auf feuervergoldetem Silber ist fast wie neu. Nach kurzer Reinigung leuchten die bunten Flügel des farbenprächtigen Falters wieder. Das wertvolle Stück wird auf die Zeit von 1310/20 datiert.
Auf der Oberseite des Schmetterlings hat ein unbekannter Meister die Kreuzigung Christi filigran eingraviert. Unter dem Mikroskop erkennt Karbacher den mit drei Nägeln ans Kreuz geschlagenen Christus, die Seitenwunde blutet. Darunter hält seine Mutter Maria ihre Linke vor die Brust, die Rechte streckt sie klagend von sich. Ihr gegenüber schlägt sich Jesu Lieblingsjünger Johannes eine Hand trauernd vors Gesicht.
„Frei, ohn alle Klag“
Die Szene fügt sich harmonisch in die Schmetterlingsgestalt. Der senkrechte Kreuzbalken verläuft über den Körper des Tieres, die ausgebreiteten Arme Jesu spannen sich über die Flügel. Bis zu sechs hauchdünne gläserne Schichten liegen übereinander und erzeugen so eine fantastische Tiefenwirkung. Der Restaurator sieht in den kräftigen Grün- und Blautönen eine Landschaft und einen Himmel mit weißen Sternen angedeutet.
„Des Morgens früh am dritten Tag, da noch der Stein am Grabe lag, erstand er frei ohn alle Klag“ heißt es in einem alten Osterlied von Michael Weiße (um 1488 – 1534), das 1609 von Melchior Vulpius vertont wurde. Und so, wie Jesus als Sieger über den Tod aus dem Grab aufersteht, „frei, ohn alle Klag“, so flattert der Schmetterling in die Lüfte, nachdem er die dunkle Enge des Kokons gesprengt und die Verwandlung von der Raupe zum Falter durchlaufen hat.
Der Künstler des gotischen Kreuzes hat dies genial umgesetzt: Der Schmetterling als Symbol für die Auferstehung und Wiedergeburt steckt dem hölzernen Kruzifixus bereits im Hinterkopf. Das Regensburger Schmetterlings-Reliquiar ist das wertvollste Stück des Domschatzes. Es steht für das, was Paulus schreibt in seinem ersten Brief an die Korinther über das, was die Christen am Ende der Zeiten erwartet, die dann noch Lebenden und die Toten: „Wir werden alle verwandelt werden.“ Er ist das Bild der Verwandlung zu einem ganz anderen Leben.
Vom Osterlamm
Seit dem frühen Christentum ist jedoch das Lamm das eigentliche Symboltier für Christus und als Osterlamm mit der Siegesfahne auch Zeichen für seine Auferstehung: Das Lamm ist als Opfertier, das Sühne für andere leistet, bereits im Alten Testament erwähnt.
Weil es sich nur von Pflanzen, nicht von anderen Tieren ernährt, bleibt es selbst unschuldig. Der Prophet Jesaja vergleicht den „Gottesknecht“ mit einem „Lamm, das zum Schlachten geführt wird“. Johannes der Täufer spricht vom „Lamm Gottes (Agnus Dei), das die Sünde der Welt hinwegnimmt“. Gedacht ist hier an die Sündenlast der Menschheit und an den Sühnetod. Einfluss auf die Symbolgeschichte hatte aber auch das jüdische Passah-Lamm: Die Israeliten wurden durch das Blut eines Lammes, mit dem sie die Türpfosten ihrer Häuser bestrichen, vor dem Würgeengel gerettet (vgl. Ex 12,12–13).
Und woher kommt der Osterhase?
Schon in der ägyptischen Mythologie steht der Hase, der ursprünglich in den Steppen Asiens und Osteuropas zu Hause war, als Zeichen für Fruchtbarkeit. Im Alten Testament galt er jedoch als kultisch unrein, da er fälschlicherweise zu den Wiederkäuern gezählt wurde. Wie das? Im Blinddarm des Hasen bildet sich ein vitaminreicher Nahrungsbrei aus Kräutern, Gräsern, Getreide, Knospen, Trieben und Rinde, der von ihm ausgeschieden wird. Der Hase nimmt diese Blinddarmlosung wieder auf und deckt so seinen Vitaminbedarf. Die Einstufung als Wiederkäuer bewahrte ihn aber auch letztlich davor, dass man ihn verzehrte.
Aus einem ganz anderen Grund war der Hase in der frühen Christenheit nicht gut gelitten: Seine sexuelle Aktivität und ausgesprochene Lust an der Fortpflanzung machten ihn verdächtig. Bis zu vier Mal im Jahr kann die Häsin im Schnitt drei Junge zur Welt bringen. Im Spätwinter, der „Rammelzeit“, versammeln sich die ansonsten dämmerungsaktiven Einzelgänger auch tagsüber zu sogenannten Hochzeitsgesellschaften und veranstalten wilde Verfolgungsjagden. Die Hasen balgen sich um die Häsinnen. Dabei ist eine Häsin anfangs ziemlich spröde, ergreift die Flucht oder hält den „Rammler“ gar mit regelrechten Ohrfeigen auf Distanz, ehe sie schließlich doch in Paarungslaune kommt. Doch im Blick auf seine Eignung als Symbolfigur kam dem Hasen letztlich genau diese seine Fruchtbarkeit und Zeugungskraft zugute: Das Konzil von Nizäa im Jahr 325 legte nämlich das Osterfest auf den Sonntag nach dem ersten Frühjahrsvollmond fest. Dass im Frühjahr die ersten Jungtiere das Licht der Welt erblicken, passte wunderbar zum Fest der Auferstehung und des Lebens.
Uralte Eier-Mythen
Bereits die Babylonier und die Ägypter der Alten Dynastie sollen um das Jahr 5.000 vor Christus über das Ei nachgedacht haben. Ebenso sollen die Menschen im alten China, in Indien und Peru in ihren Mythen davon gesprochen haben, die Welt sei aus einem Ei entstanden. In den Schöpfungserzählungen taucht dieses Motiv immer wieder auf. Aus der Geschichte wissen wir, dass in Griechenland bereits 500 Jahre vor Christus gefärbte Hühnereier Brauch waren; einfarbige Gänseeier wurden als Grabbeigaben in einem römisch-germanischen Gräberfeld aus dem vierten nachchristlichen Jahrhundert gefunden. Auf den Mauerfriesen antiker Jupitertempel finden wir lange Reihen von Ei-Ornamenten, die die Zeugungskraft Jupiters ebenso symbolisieren sollten wie die Fülle des Lebens und die Lebenskraft, die von ihm ausgeht. Die Germanen wiederum brachten ihrer Göttin Ostara bemalte Eier als Opfergaben dar.
Die Urkirche übernahm das Ei-Symbol und deutete es christlich um: So wie das Küken die harte Eierschale durchbricht, um zu leben, so habe Christus den Stein des Grabes zerbrochen, um ewig zu leben. In der frühen Kirche war während der Fastenzeit das Eieressen untersagt. Es sollte seiner Bedeutung gemäß erst wieder am Feiertag des „neuen Lebens“ verzehrt werden. Seit dem 12. Jahrhundert gibt es in der Kirche die Eiersegnung; das Ei wurde endgültig als Zeichen der Auferstehung anerkannt. In der westlichen Welt ist seit dem 13. Jahrhundert Rot die traditionelle Farbe für das Ei – die Farbe des Blutes Christi, des Lebens, des Sieges und der Lebensfreude. Wobei die Einfärbung auch den Sinn hatte, die geweihten von den ungeweihten Eiern zu unterscheiden.
Dass der Osterhase die Eier bringt, kam allerdings erst viel später auf. Infolge des fastenbedingten Verzichts auf Fleischspeisen wie auf Milch und Eier, der bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 65) fester Bestandteil der Fastenordnung war, gab es zu Ostern einen Eierüberschuss. Da aber im protestantischen Raum die katholischen Fastenvorschriften abgelehnt wurden, drängte sich dort die Frage nach der Herkunft der plötzlichen Eier-Fülle auf. Der Hase war die Lösung. Die frühesten Osterhasen-Belege gehen bis ins 17. Jahrhundert zurück. Sie verweisen auf eine Zeit, in der es in evangelischen Familien Brauch wurde, die Ostereier zur Verschleierung ihrer Herkunft zu verstecken. Später wurde „Meister Lampe“ als Eierlieferant vor allem durch die Süßwarenindustrie weiter befördert. Und das blieb bis heute so.