Karsamstag: Bedeutung, Stille und Vorbereitung auf die Auferstehung
Der Karsamstag ist mehr als die reine Vorbereitung auf Ostern: Er ist ein Tag der Stille, der Trauer – und der Hoffnung auf neues Leben, erklärt Fabian Brand.

„Weil Rüsttag war“: Damit wird im Johannesevangelium begründet, dass die Körper der Gekreuzigten noch am Abend abgenommen werden mussten. Sie sollten und durften nicht während des Sabbats über am Kreuz hängenbleiben. Rüsttag: Das ist der Tag vor dem Sabbat, der Tag vor einem großen Fest. Es ist der Tag, an dem alles zugerüstet wird, was man an den folgenden Festtagen braucht. Im Judentum sind für die Feiertage strenge Vorschriften zu beachten, es dürfen keinerlei Arbeiten an den Festen verrichtet werden. Und so ist es nötig, alles, was man für ein schönes und feierliches Fest braucht, schon vor dem eigentlichen Festbeginn herzurichten.
Karsamstag: Zwischen äußerer
Vorbereitung und innerer Einkehr
„Weil Rüsttag war“: Manchmal kann einem dieser Bibelvers auch am Karsamstag in den Sinn kommen. Für viele Menschen ist der Karsamstag nichts anderes als der Rüsttag für das bevorstehende Osterfest geworden. Da muss noch einmal der Großeinkauf erledigt werden, mitunter muss vorgekocht werden, Eier färben, Osternester verstecken und so weiter. Für Menschen, die sich ehrenamtlich als Mesnerinnen und Mesner engagieren, ist der Karsamstag sowieso der Rüsttag schlechthin: Alles muss hergerichtet werden für die Feier der Osternacht. Es gilt den Blumenschmuck für die Ostertage zu besorgen und alles im Gotteshaus in Ordnung zu bringen, damit die Feier der Ostern in einem feierlichen Rahmen erfolgen kann.
Doch wer den Karsamstag nur als Rüsttag für Ostern sieht, der vergisst eine wichtige und wesentliche Dimension dieses einzigartigen Tages im Kirchenjahr: Der Karsamstag ist der stillste Tag des ganzen Jahres. An ihm findet keine Eucharistiefeier statt. Gelegentlich hört man noch, dass der Karsamstag ein Tag sei, der ganz und gar frei von der Liturgie ist. Das stimmt aber nicht, da man auch am Karsamstag die Tagzeitenliturgie feiert, den „Engel des Herrn“ betet oder Anbetung am Heiligen Grab hält. Und doch erfolgt die Liturgie Karsamstags in einer völlig schlichten, völlig un-feierlichen Form. Jede Feierlichkeit, jedes Wort zu viel verbietet sich an einem so traurigen Tag, wie dem Karsamstag. Die Kirche verweilt am Grab des Herrn und gedenkt jenes Menschen, der am Kreuz starb und von einigen seiner Freunde in aller Eile bestattet wurde. Trauer und Traurigkeit prägen diesen heiligen Tag.
Wie schon der Karfreitag ist auch der Karsamstag ein stiller Tag. Stille entsteht dort, wo man nichts sagt. Warum man nichts spricht, das kann mehrere Gründe haben: Weil man nicht weiß, was man zueinander sagen soll. Weil die Worte fehlen, die man miteinander wechseln könnte. Oder auch, weil man nicht reden mag, weil man lieber für sich allein bleibt, anstatt sich einem anderen Menschen mitzuteilen. Schweigen kann viele Gründe haben. Am Karsamstag erwächst das Schweigen aus der Trauer: Trauer, da Jesus im Grab liegt, da seine Lebensgeschichte ein für alle Mal auserzählt ist. Diese Trauer verbietet nicht nur jegliche Festlichkeit an diesem Tag, sie zeigt auch, dass man nicht alles sagen muss, was man vielleicht sagen möchte oder sagen müsste. Wer schweigt, nimmt sich selbst zurück und eröffnet dadurch einen Raum, in dem sich eine andere Größe etablieren kann. Schweigen aber vielleicht auch deshalb, weil man nicht immer alles mit Worten beschreiben kann und es manchmal guttut, Dinge einfach stehen zu lassen ohne sie totzureden.
Die Kartage sind eigentlich die schönste „Erfindung“ unserer Liturgie. Denn im Blick auf das Leiden und Sterben des Herrn setzen sie einen Kontrapunkt zu unserem normalen Leben und unserem alltäglichen Umgang miteinander. Die Liturgie dieser Tage ist von einer herben Strenge geprägt, in deren Zentrum das Kreuz und der leidende und sterbende Heiland steht. Es hat etwas archaisches an sich, wenn an den Kartagen die Mädchen und Buben durch die Straßen ziehen und mit dem Geklapper der Ratschen zum Gottesdienst einladen und an das Gebet erinnern. Und es hat etwas von einer strengen Schönheit, wenn am Karfreitag das Kreuz im Mittelpunkt der Liturgie steht, das alle Blick auf sich zieht.
Zu dieser Strenge gehört auch das Schweigen: Wohlkomponiert ist die Liturgie des Karfreitags, der Karsamstag kennt gar keine eigene liturgische Feier. An ihm läuft nur das alltägliche Gebetsprogramm weiter. Aber auch dies ist mitunter reduziert: In der monastischen Tradition ist es üblich, von Gründonnerstag bis Karsamstag eine einfachere, reduzierte Form des Stundengebets zu feiern. Alles ist beschränkt auf das Notwendigste, keiner sagt ein Wort zu viel, selbst im Gebet beschränkt man sich auf das Wesentliche. Stille anstelle großer Worte, Schweigen statt überbordender Festlichkeit. Das ist der Charakter des Karsamstags.
[inne]halten - das Magazin 8/2025

Leid und Freude
Die Osterbotschaft ist kein „Alles wird gut“ auf Knopfdruck, meint Pater Alfons Friedrich. Sie ist eine Einladung: Glaubst du, dass der Tod nicht das letzte Wort hat?
Glaubst du, dass das Leben stärker ist? Dann lebe so, dass andere Hoffnung finden.
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Die stille Kraft des Karsamstags:
Warum Schweigen Raum für Neues schafft
Vielen Menschen mögen diese stillen Tage auch deswegen so schwerfallen, weil das Schweigen im Alltag keinen Platz mehr hat. Wann erlebt man schon noch einmal echte Stille? In vielen Bereichen des Lebens gibt es keine wirkliche Stille mehr. Man hört das Vorbeifahren von Autos auf einer Straße, einen Hubschrauber oder ein Flugzeug, irgendwo mäht jemand den Rasen, aus der Ferne sind Baugeräusche zu vernehmen. Und selbst wenn es einmal relativ ruhig sein sollte, dann sind wir es gewohnt, Abhilfe zu schaffen: Das Radio, der Fernseher, Smartphone oder PC sind geeignete Mittel, um der Stille zu entfliehen und sich wieder mit den alltäglichen Geräuschen berieseln zu lassen. Weil uns Menschen diese Stille so nahegeht, wehren sich viele auch gegen die stillen Feiertage. Nicht nur der Karsamstag, sondern auch Gründonnerstag und Karfreitag sind in Bayern gesetzlich verbriefte stille Tage, an denen öffentliche Unterhaltungsveranstaltungen verboten sind. Diese stillen Tage abzuschaffen würde auch heißen, den strengen Charakter dieser Tage endgültig zu beseitigen und damit im Jahreslauf nur noch Tage zu haben, die voller Unterhaltung und voller positiver Stimmung sind.
Doch ebenso wenig, wie es im Jahreslauf nur die unterhaltsamen Tage gibt, sind sie im Leben eines jeden Menschen vorhanden. Das Leben von uns Menschen kennt eben Höhen und Tiefen, kennt überbordende Freude und den Spaß, weiß aber auch um die Trauer, um Angst und Perspektivlosigkeit. All das begleitet uns unser Leben lang. Und das Kirchenjahr nimmt auf all diese unterschiedlichen Aspekte des Lebens Rücksicht. Denn es orientiert sich am Leben Jesu, der ein Mensch ist, wie wir alle. So gehört auch das Aushalten der Stille beim Stehen am Grab eines geliebten Menschen im Fokus dieses Kirchenjahres. Alle Emotionen, alles, was unser Menschsein ausmacht, kommt zum Tragen. Dazu gehören eben auch Stille und Schweigen, denn sie kommen in unserem Menschenleben vor – ob wir das wollen oder nicht.
Wo Stille gehalten wird, öffnet sich der Raum für etwas Neues. Man wird fähig, etwas anderes wahrzunehmen, das sich zuvor hinter den vielen Worten und Geräuschen des Alltags verborgen hat. „Als tiefes Schweigen das All umfing und die Nacht in ihrem Lauf bis zur Mitte gelangt war, da sprang dein allmächtiges Wort vom Himmel, vom königlichen Thron herab“, heißt es im alttestamentlichen Buch der Weisheit (18,14f). Im tiefen Schweigen kommt Gottes Wort in diese Welt. Wir verbinden das mit dem Weihnachtsfest, an dem wir alljährlich die Geburt Jesu, die Menschwerdung Gottes in unserem Fleisch feiern. Und so, wie das Leben Jesu im tiefen Schweigen beginnt, so endet es auch: in der Stille des Grabes von Jerusalem. Der Stein, den Josef von Arimathäa und die anderen Männer vor das Grab rollen sorgt für die endgültige Grabesruhe.
„Weil Rüsttag war“: Es ist gut, den Karsamstag nicht nur für äußere Vorbereitungen zu nutzen, sondern auch zur inneren Einkehr. Sich auf das Schweigen dieses stillen Tages einzulassen, kann heißen: Sich für Gottes Gegenwart zu öffnen, sich einzulassen auf sein Wirken in dieser Welt, das oft im Verborgenen geschieht. Im Schweigen schafft Gott das Neue. Im Schweigen der Heiligen Nacht kommt sein Sohn in die Welt. In der herben Stille der Grabesruhe kommt das neue Leben in diese Welt.