Rituale
30.10.2025

Grabschmuck auf Friedhöfen: Was wann erlaubt ist

Ob Engelsputten oder leuchtende LED-Lichter: Was für Trauernde ein Ausdruck von Erinnerung ist, behindert Friedhofsverwaltungen oft bei der Grabpflege. Fachleute fordern bessere Kommunikation - und neue Wege.
    

Auf einem Sockel haben Trauernde Engel, Herzen und andere Erinnerungsstücke abgelegt, da auf dem anonymen Grabfeld das Ablegen von persönlichen Gegenständen nicht erlaubt ist. Auf einem Sockel haben Trauernde Engel, Herzen und andere Erinnerungsstücke abgelegt, da auf dem anonymen Grabfeld das Ablegen von persönlichen Gegenständen nicht erlaubt ist. Foto: © Harald Oppitz/KNA

Immer wieder kommt es zwischen Trauernden und Friedhofsverwaltungen zu Konflikten wegen Grabschmucks. Im niedersächsischen Hoya sorgen etwa Schilder der Verwaltung an einer Baumgrabstätte für Irritation, wie kürzlich die „Kreiszeitung" schrieb: Sie weisen demnach darauf hin, dass dort laut Satzung lediglich das Ablegen von Blumensträußen und Aufstellen von Blumenschalen erlaubt sind. Sonstiger Schmuck wie Kreuze, Figuren oder Plastikblumen seien hingegen verboten. Die Friedhofsmitarbeiter würden sich vorbehalten, diese zu entfernen. Denn sie behindern dem Bericht zufolge die Pflege der Baumgrabstätten.

„Maßgeblich dafür, was an Grabschmuck verboten und was erlaubt ist, sind die lokalen Friedhofssatzungen", erklärt Norbert Fischer, Professor am Institut für Empirische Kulturwissenschaft an der Universität Hamburg. Hinter den Satzungen stehen die jeweiligen Träger der Friedhöfe, also etwa Kommunen oder Kirchen. Wenn von Angehörigen entgegen der Satzung beispielsweise Engelsputten oder Plastikblumen auf Grabstellen abgelegt würden, geschehe das wahrscheinlich entweder aus Unkenntnis - oder bewusster Missachtung. „Eine milde Form von zivilem Ungehorsam", sagt der Experte für Friedhofs- und Gedächtniskultur.

„Friedhöfe werden offener"

„Das wird auf vielen Friedhöfen bis zu einem gewissen Grad toleriert, bis es nicht mehr gepflegt oder sogar schon verwahrlost aussieht", erklärt Fischer. Wenn Pflegearbeiten an den Grabstätten durch die Verwaltung - wie offenbar in Hoya - nicht mehr möglich seien, greife diese früher oder später meist ein. Die Friedhofsverwaltungen steckten in einem Zwiespalt: „Einerseits geht es um das Tolerieren von persönlichem Gedenken und Emotionen, andererseits um einen gepflegten Gesamteindruck der Anlage." Der Fachmann sieht aber einen klar erkennbaren Trend: „Die Friedhofsverwaltungen lassen immer mehr zu."
    

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Dieser Ansicht ist auch Tobias Pehle, Geschäftsführer des Kuratorium immaterielles Erbe Friedhofskultur. Er betont zudem: „Die Friedhofskultur muss sich weiterentwickeln." Sonst werde sie zur Geschichte. Dass es bei den derzeitigen Veränderungsprozessen immer mal wieder zu Konflikten komme, gehöre dazu.

Nach Angaben des Verbands der Friedhofsverwalter sind sogenannte pflegefreie Grabstätten immer gefragter. Sie unterscheiden sich vom traditionellen Wahl- oder Reihengrab, in denen der Verstorbene im Sarg in der Erde beerdigt wird. Für dessen Pflege sind die Angehörigen zuständig. „Bei den pflegefreien Gräbern kümmern sich hingegen allein die Verwaltungen um die Pflege", erklärt Michael Albrecht, der beim Verband für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig ist und zudem nahe Hannover selbst einen evangelischen Friedhof verwaltet.

Allein auf diesem Friedhof würden knapp 20 Varianten an pflegefreien Gräbern angeboten. Dazu gehörten unter anderem Urnen-Einzelgräber mit liegender Platte oder stehendem Stein mit einem Pflanzenhalbrund davor, Urnen-Gemeinschaftsanlagen mit einem Gemeinschaftsstein oder Urnengräber mit Stein in einem Lavendelbeet. Allen ist gemein, dass Angehörige und Trauernde hier keinen Grabschmuck ablegen sollen.

„Unser großes Sorgenkind sind vor allem LED-Leuchten mit Batterien, denn sie landen häufig irgendwann im Kompost und zerstören dann eine ganze Kompost-Charge", sagt Albrecht. Er betont aber auch: „Friedhöfe sind Orte der Besinnung und Ruhe. Wir wollen den individuellen Trauerprozess nicht stören, indem wir sofort Dinge entsorgen." Was, wann und wie schnell abgeräumt werde an unerlaubten Grabschmuck, liege jeweils im Ermessen der Friedhofsverwaltung.

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Experte fordert mehr Raum
für Andenken auf Gräbern

Experte Fischer hält es für die „beste Lösung", wenn Friedhöfe den Trauernden Flächen und Räume zur Verfügung stellen, in denen sie Andenken ablegen können - so finde ihre Trauer Ausdruck, die Verwaltung werde gleichzeitig aber nicht an der Pflege der Grabflächen behindert. Er wie auch der Friedhofsverband sehen zudem Bedarf nach verbesserter Aufklärung bei Angehörigen. „Kommunikation ist von allen Seiten wichtig, auch die Nachfrageseite muss sich informieren", betont Fischer. Zudem müssten auch Bestatter darüber Bescheid wissen, was auf welchem Friedhof bei welcher Gräberform erlaubt sei - und was nicht.

Albrecht, dessen Verband 800 Mitglieder und 14.000 Friedhöfe vertritt, sagt allerdings: „Auf die Beratung der Bestatter können wir uns nicht verlassen." Die Mitarbeiter der Friedhofsverwaltungen würden die Angehörigen deshalb gerne vor der Beisetzung schon auf dem Friedhof sehen - damit diese sich vor Ort ein Bild machen und gegebenenfalls noch einmal darüber aufgeklärt werden können, was es bedeutet, wenn sie sich für ein pflegefreies Grab entscheiden.

Wunsch der Grab-Gestaltung stärker als Verbot

Der Kulturbeauftragte beim Bundesverband Deutscher Bestatter, Simon Walter, empfiehlt sogar, „möglichst schon zu Lebzeiten das Gespräch in der Familie, im Freundeskreis und anschließend auch mit der Bestatterin oder dem Bestatter des Vertrauens zu suchen und sich vollumfänglich und unverbindlich beraten zu lassen". Denn die Entscheidung für eine pflegefreie oder pflegearme Grabstätte erfolge in der Regel in einem Moment, in dem die Konsequenzen dieser Wahl für den Trauerprozess nicht überblickt werden würden.

„Bei vielen Trauernden entwickelt sich die Bedeutung der Grabstätte erst mit einigem Abstand zur Beisetzung - und dann kommt der Wunsch auf, am Grab aktiv zu sein", erklärt Walter. Sei dies satzungsgemäß nicht möglich, gingen viele darüber hinweg: „Weil der Wunsch stärker wirkt als das Verbot - und vielleicht auch, weil das Ablegen einer Blume oder eines kleinen Gegenstands aus der Perspektive der Trauernden keinen großen Eingriff in die Grabgestaltung darstellt".

Hannah Schmitz

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Artikel von KNA
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