Wie werde ich ein österlicher Mensch?
Osterglaube
Was Auferstehung meint, ist unanschaulich, jenseits aller Erfahrung, sprengt unsere Vorstellungskraft. Und viele fragen: Ist eigentlich glaubhaft, was uns hier die Evangelien überliefern und die Kirche seit 2.000 Jahren glaubt?
Ostern ist ein schwieriges Fest, schwieriger jedenfalls als Weihnachten. Was wir an Weihnachten feiern, ist anschaulich, Teil unserer Erfahrung: die Geburt eines Kindes. Natürlich sprengt die Überzeugung, in diesem Kind werde Gott Mensch, unseren Erfahrungshorizont und ist daher nur dem Glauben zugänglich. Aber der Festinhalt der Weihnacht ist etwas uns Vertrautes.
Ganz anders der Festinhalt von Ostern. Was Auferstehung meint, ist unanschaulich, jenseits aller Erfahrung, sprengt unsere Vorstellungskraft. Und viele fragen: Ist eigentlich glaubhaft, was uns hier die Evangelien überliefern und die Kirche seit 2.000 Jahren glaubt?
Zweifel an der Ostergeschichte
Die Zweifel setzen schon mit dem Auferstehungstag ein: „Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe …, glaube ich nicht“ (Joh 20,25), stellt der Apostel Thomas lapidar fest. Auch Paulus muss sich mit massiven Zweifeln auseinandersetzen: „Wie können einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer, leer auch euer Glaube“ (1 Kor 15,12–14).
Die Skepsis hält bis heute an und man versucht sich an alternativen Erklärungen. Eine beliebte Formel lautet, Jesus sei ins Kerygma (= Verkündigung) auferstanden, und meint damit: Die Sache Jesu geht weiter durch die Verkündigung der Kirche; seine Worte und Ideen, sie leben auch über seinen Tod hinaus. Oder man deutet die Auferstehung als ein psychologisches Phänomen. Jesus sei seinen Freunden in inneren Bildern erschienen, die ihnen die Gewissheit gegeben hätten, er lebe.
Sind solche Erklärungsversuche tragfähig? Schauen wir auf die innere Verfassung der Jünger nach Jesu Schmachtod, zum Beispiel die der Jünger von Emmaus. Sie sind auf dem Weg zurück in ihr altes Leben. Dem Unbekannten, der sich ihnen zugesellt, sagen sie desillusioniert: „Wir hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde“ (Lk 24,21). Ihre Hoffnung gehört der Vergangenheit an, verflogen wie eine Fata Morgana. Sie hatten auf den Falschen gesetzt. Keine Spur davon, dass man sich „im Stuhlkreis“ zusammensetzt nach dem Desaster des Karfreitags, um zu beraten, was zu tun sei, damit man sich nicht zerstreut, damit’s irgendwie weitergeht. Man sieht nirgendwo einen Ansatzpunkt, der plausibel machen könnte, man hätte sich gemeinsam auf eine erfundene Geschichte geeinigt, in der ein leeres Grab und Erscheinungen eine Rolle spielen, um das den Leuten als Auferstehung zu verkaufen.
Nein, es war nicht nur Jesus tot, mit ihm auch seine Verkündigung. Wohin seine Ideen führen, stand ihnen ja aufs Grauenhafteste vor Augen. Wenn das das Ergebnis ist, vergisst man sie besser, anstatt sie neu aufzuwärmen. Einfache Handwerker, die die Jünger waren, sind praktische Leute, keine idealistischen Weltverbesserer, die auf verlorene Karten setzen. Die einzig logische Konsequenz dieses Scheiterns auf ganzer Linie war: Lasst uns die Sache schnellstmöglich begraben!
Die Botschaft vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu, ist eine Tatsache
Schauen wir ein paar Jahre später. Wir sehen die so schwer Enttäuschten Jesus in der ganzen damals bekannten Welt verkünden, mit einer unglaublichen Bereitschaft, für diese Botschaft einzutreten bis hin zur Preisgabe ihres Lebens. Können innere Bilder, erfundene Geschichten das erklären? Wer das behauptet, redet Unsinn. Plausibel wird es, wenn wir ein reales, absolut unerwartetes Widerfahrnis annehmen, das allein den Wandel von bitterster Enttäuschung hin zu überschäumender Freude sowie die explosionsartige Ausbreitung des Evangeliums erklärt.
Berichtet wird übereinstimmend von realer, persönlicher Begegnung mit dem Auferstandenen. Abgesehen davon, dass kein Jude einen Auferstehungsbericht mit Frauen als Erstzeugen erfunden hätte, sind die Berichte auch vor dem Ideenhorizont der damaligen Zeit unerfindbar. Juden glaubten, wenn überhaupt, dann an eine Auferstehung am Ende der Zeit, niemals aber quer zur weiterlaufenden Geschichte. Und dass Jesus durch verschlossene Türen geht und nicht gesehen wird, sondern sich sehen lässt, also nicht mehr den Naturgesetzen unterliegt, zugleich aber einen berührbaren Leib hat – wer von den Evangelisten hätte sich etwas so Subtil-Paradoxes ausdenken sollen?
Diese (leicht erweiterbaren) Hinweise sind kein Beweis für die Auferstehung, den es nicht gibt. Aber die Botschaft selbst, die vom Leben, Sterben und Auferstehen Jesu, ist, ob wahr oder falsch, eine Tatsache; genauso wie das daraus entstandene Christentum. Diese Tatsache trotz des menschlich gesehen totalen Scheiterns Jesu braucht eine Erklärung.
Die beste ist die, dass es so war, wie es uns die Evangelisten schildern. Nichts deutet darauf hin, dass sie ein unehrliches Spiel trieben und Szenerien erfanden, die etwas glauben machen sollten, das so nie stattgefunden hat.
Der österliche Mensch, der an die Auferstehung glaubt, braucht also, das wollte ich zeigen, seine Vernunft nicht an der Garderobe des Glaubens abzugeben. Im Gegenteil: Mir scheinen die vernünftigeren Gründe für diesen Glauben zu sprechen. Genauso wie das, was er bewirkt hat. Nichts in unserer Welt hat Menschen so sehr verändert. So sehr Hoffnung gespendet. So viel Kraft gegeben in Leid und Schicksalsschlägen. So sehr auf tätige Liebe hin geöffnet. So sehr nicht zuletzt unser Gottesbild verändert auf einen bis zur Kreuzestorheit liebenden Gott hin, der auf so unausdenkbare Weise mit uns solidarisch wurde, indem Er mit und für uns Leid und Tod geteilt hat. Kein Glaube, wenn er gelebt und nicht missbraucht wird, hat so viel Positives freigesetzt und setzt es frei – wie der Glaube an den auferstandenen Herrn Jesus Christus.
(Pfarrer Bodo Windolf, Der Autor ist Pfarrer der Pfarrei Christus Erlöser im Münchner Stadtteil Neuperlach)