Glaubenswelten
28.06.2025

Eine Dorfkirche wird digital - Meditation auf Knopfdruck

Buntes Licht und Rap aus dem Lautsprecher: In einem westfälischen Dorf haben die Bewohner ihre Kirche mit digitaler Technik ausgestattet. Sie wollen damit Menschen anders erreichen - und trotzdem ihre Wurzeln nicht verlieren.
 

Klaus Halekotte, Vorstand des Sankt-Josefsvereins Holtum, in der digitalisierten Meditationskirche in Werl-Holtum. Klaus Halekotte, Vorstand des Sankt-Josefsvereins Holtum, in der digitalisierten Meditationskirche in Werl-Holtum. Foto: © Nicola Trenz/KNA

Gepflegte Häuser, umgeben von Feldern, im Zentrum die Freiwillige Feuerwehr, die Schützenhalle und die Kirche. Dörfer wie das westfälische Holtum gibt es Tausende in Deutschland. Doch die Kirche der Holtumer ist gleich mehrfach etwas Besonderes. Denn sie ist Eigentum der Holtumerinnen und Holtumern. Und jede und jeder kann das Gotteshaus nach den eigenen Vorstellungen gestalten.

Auf den ersten Blick wirkt die gut 125 Jahre alte katholische Kirche Sankt Agatha ziemlich gewöhnlich: Altar vorne, Mittelgang, Bänke, einige Heiligenfiguren. Nur ein Bildschirm fällt ins Auge: "Herzlich willkommen in der Meditationskirche Holtum. Bitte wählen Sie aus." Mehreres gibt es zur Auswahl, etwa "Kinderkirche", "Gebete", "Meditative Musik" und "Meditationen für Dich". Mit einem Tippen auf Letzteres stehen verschiedene Gefühle zur Auswahl. Ein Klick auf "Freude", und die Kirche wird in warmes, frisches Licht getaucht. Es ertönt ein Klangteppich und eine Stimme spricht thematisch passende Gedanken. Wut, Krankheit, Dankbarkeit - auch dazu startet die Meditationskirche auf Knopfdruck ihr passendes Programm.

Meditationskirche: mit Technik
zur inneren Einkehr

Die Palette der Meditationskirche ist vielfältig: Wer den Oster-Rap wählt, hört eine dumpfe Stimme durch den Kirchraum hallen, die Apsis färbt sich rot. Zu Filmmusik von Ennio Morricone wird der Altar rosa, es ertönen Streicher und Oboen. Bei manchen Liedern oder Bibeltexten ändert sich die Lichtstimmung fast unmerklich. Wer es ruhig mag, kann sich nur die Lichter einstellen und auf Klang verzichten.

Das Konzept setzt auf Individualität, die Kirche ist täglich elf Stunden geöffnet. "Jeder kann kommen, wann er möchte und ansehen und anhören, was er möchte", sagt Klaus Halekotte, einer der Verantwortlichen. Einträge im Gästebuch machen deutlich, dass die Lichter das Gotteshaus einladender machen und die Musik berührt.
     

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Digitale Kirche als Projekt des ganzen Dorfs

Die Holtumer wollen mit ihrem digital verfügbaren Programm ihre Kirche zu einem einladenden Ort machen, Menschen einen Raum zur Besinnung geben und ihre Kirche damit in die Zukunft bringen. Die Gemeinde ist inzwischen Teil des Pastoralen Raums Werl, ein Gottesdienst findet in der Regel nur noch alle vier Wochen statt. "Schließen kann uns unsere Kirche aber niemand", lacht Halekotte. Er ist im Vorstand des Sankt-Josefsvereins, dem das Gebäude gehört. Fast alle Holtumer sind Mitglied. Sie zahlen einen Jahresbeitrag und packen mit an, wenn Reparaturen anstehen. "Das Problem von zu wenig Ehrenamtlichen haben wir hier im Dorf nicht", sagt Halekotte, der neben der Kirche wohnt.

Eine Kapelle war den Holtumern Ende des 19. Jahrhunderts zu klein geworden, sie wollten eine Kirche, erzählt Halekotte. Das zuständige Erzbistum Paderborn hat das zwar erlaubt, aber kein Geld zur Verfügung gestellt. Also bauten sich die Holtumer ihre Kirche selbst.


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Nicht die einzige Meditationskirche

Und auch für die Meditationskirche wurden sie vor ein paar Jahren selbst aktiv. Sie entdeckten das "mediale Kirchensystem", das vom evangelischen Pfarrer Ulf Weber erstmals für eine Kirche im nordhessischen Rattlar entwickelt wurde. Inzwischen geben er und sein Sohn das Konzept zum Selbstkostenpreis weiter. Laut ihrer Internetseite haben 35 Kirchen im Land inzwischen ein solches System.

Weber spricht viele der Meditationen ein und bietet immer wieder neue saisonale Texte, aber auch der Sankt-Josefsverein entwickelt Ideen und sorgt für Angebote mit Ortsbezug. So gibt es zum Beispiel Infos zur Kirchenpatronin, deren Statue passend angestrahlt wird.

Digitale Kirchenorgel: Zukunftsmusik
im Kirchenschiff

Halekotte zeigt sich sehr zufrieden mit der Meditationskirche und damit, wie sie von den Menschen angenommen wird. Gerade treibt der Josefsverein ein neues Projekt voran: Die Kirche soll eine neue Orgel bekommen, die automatisch spielen kann und Teil der Klanginstallationen werden soll. Finanzielle Unterstützung gibt es bereits von der NRW-Stiftung und dem Erzbistum Paderborn; den Rest wollen die Holtumer selbst auftreiben. Und wie schon vor gut 125 Jahren sind sie auf einem guten Weg, ihre Kirche weiter nach ihren Wünschen zu gestalten.

Nicola Trenz

KNA
Artikel von KNA
Katholische Nachrichten-Agentur
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