Ökumenisch leben als Franziskaner
Lebenswege sind krumm – davon ist Jürgen Jeremia Lechelt überzeugt. Der evangelische Diakon engagiert sich gleichzeitig in einer evangelischen wie auch in einer katholischen Laienbewegung.

Jürgen Jeremia Lechelt ist so ein Mensch, der in sich zu ruhen scheint – und bei dem man selbst zur Ruhe kommt. Heute, mit 66 Jahren, schaut der gebürtig aus Düren stammende Lechelt auf ein Leben voller Veränderungen und auch auf eine langjährige spirituelle Suche. „Rückblickend kann ich sagen: Das passt alles so, wie es gekommen ist.“ Aber wie ist denn nun die korrekte Ansprache eines Mannes, der sowohl im katholischen wie auch im evangelischen Dritten Orden der Franziskaner zu Hause ist? Herr Lechelt oder Bruder Jeremia? „Jürgen ist mein Taufname. Jeremia ist mir vor die Füße gefallen“, sagt er. Das war bei seiner Einsegnung zum evangelischen Diakon. Die Firmung und Weihe nach römischem Ritus, wie sie in seiner evangelischen Gemeinschaft auch praktiziert wird, folgte 30 Jahre später.
Berufen wie Jeremia: Lechelts Weg
Ein Satz aus dem Buch des Propheten Jeremia hat Lechelt besonders geprägt: „Sag nicht: Ich bin zu jung. Sondern du sollst gehen, wohin ich dich sende.“ Diese Aufforderung Gottes an Jeremia hat er sich zu eigen gemacht. „Siehe, ich setze dich heute über Völker und Königreiche, dass du ausreißen und einreißen, zerstören und verderben sollst und bauen und pflanzen“, heißt es bei Jeremia weiter. „Das ist ein sehr kritischer Zeitgeist, der mich immer begleitet“, sagt Lechelt. Er zitiert diese Stellen gerne. Seit 1979 fühle er sich dem Propheten Jeremia nahe – auch im Alltag: „Jeremia hat mich vorangetrieben, ist vor mir hergelaufen, hat mich getragen – über mir, vor mir, neben mir, an meiner Seite.“
Auch ökumenisches Denken hat Lechelt von Anfang an auf seinem Lebensweg begleitet. Evangelisch getauft wurde er an Maria Lichtmess, einem – wie er sagt – katholischen Tag. Später hatte er „einen genialen Konfirmator, also der Pfarrer, der mich konfirmiert hat. Mein Schuldirektor in der Realschule war Presbyter in der Gemeinde und ich hatte einen guten Religionslehrer. Die drei haben mir gesagt, ich solle Diakon werden.“ Das tat Lechelt dann auch, machte seine Ausbildung an der Duisburger Diakonenanstalt, heute Theodor Fliedner Stiftung, in Mülheim an der Ruhr. Dann schloss er sich dem evangelischen Dritten Orden der Franziskaner an.
Ein evangelischer Orden? Das mag so manchem Katholiken fremd vorkommen. Doch auch bei den Protestanten gibt es vielfältige Angebote, um in spirituellen Gemeinschaften zu leben. „Ursprünglich haben die Hugenotten in Frankreich einen Ansatz unternommen, sich franziskanisch zu orientieren“, erklärt Lechelt am Beispiel der Franziskaner. 1927 wurde daraus ein eigener weltlich orientierter Orden, der heute „eine kleine Gruppe ist. Das Zentrum ist Berlin“. Doch damit war der Diakon noch nicht am Ziel. „Da ich aus der reformierten-unierten Gemeinde komme, die wenig Spiritualität kennt, habe ich lange gesucht und bin Ende 1997 über eine Osternachtsmesse in Münster zur evangelischen Hochkirche gekommen“, sagt Lechelt. In dieser protestantischen Bewegung ist der ökumenische Gedanke sehr wichtig, der auch für Lechelt eine immer größere Rolle spielte.
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Evangelischer Franziskaner mit Mission
Inzwischen wohnte er im Ruhrgebiet und sah sich nach einer neuen geistlichen Heimat um. Über Frank Lutzka, den Sprecher und Vorsteher des Dritten Ordens der Franziskaner (OFS) in Dortmund, hat er die dortige franziskanische Gemeinschaft kennengelernt. Er entschied, Mitglied bei den Franziskanern zu werden, und durchlief das übliche Verfahren.
Das ist so einfach möglich? „Ja“, sagt Lechelt. „Bei den evangelischen Franziskaner-Tertiaren war es immer möglich, auch katholische oder orthodoxe Christen aufzunehmen. Wir haben da eine relative Offenheit. Und beim OFS, der katholischen Seite, sind 1995 die Statuten geändert worden.“ Deshalb sei es kein Problem, in beiden Orden Mitglied zu sein. Und auch Ökumene funktioniere ohne Schwierigkeiten – zumindest auf Gemeindeebene, wo man sich auf Augenhöhe begegnet. Kompliziert werde es erst, wenn die Kirchenlehre ins Spiel komme.
Seit 2019 engagiert er sich in der katholischen Gemeinde St. Franziskus in Dortmund. „Wir wollen als Orden mehr in die Gemeinde gehen.“ Ein Beispiel dafür war ein Wochenende im vergangenen Mai, das ganz im Zeichen von „800 Jahre Sonnengesang“ stand. Am Samstag haben sich Messdienerinnen und Messdiener an neun Stationen mit dem zentralen Werk des Franz von Assisi vertraut gemacht. Das Hochamt am Sonntag gestalteten sie dann mit, gaben ihr neues Wissen weiter an die Gläubigen. Eine gelungene Aktion sei das gewesen, nicht die letzte dieser Art, sagt Lechelt.
Inzwischen ist Jürgen Jeremia Lechelt sesshaft geworden. Mit seiner zweiten Frau, die ihn auf den franziskanischen Spuren begleitet, lebt er in Witten. Davor sei er bestimmt 18 Mal umgezogen, vor allem wegen der Arbeit. Energie habe er noch immer, auch neue Ideen. Doch da gibt es auch noch andere Gedanken. „Die Frage, die mich im Alter beschäftigt, ist: Was bleibt von einem? Was lässt man zurück und was nimmt man auch mit?“
Und auch das Abschiednehmen ist ein Thema. „Ich mache gerne Beerdigungen. Man kann noch viele Menschen begleiten und ihnen etwas auf den Weg mitgeben, auch Hoffnung. Die Zeit zwischen dem Geborenwerden und dem Sterben müssen ist uns eine geschenkte Zeit, die wir sinnvoll nutzen sollen. Es ist eine Gott geschenkte Zeit. Am Ende ist nicht das Ende von allem, sondern es ist der Schritt in ein neues Leben bei Gott.“
Wolfgang Maas