„Ich habe über mich gestaunt“
Weihbischof Bernhard Haßlberger (77) hat zwei lebensbedrohliche Krankheiten überstanden und ist seit gut einem Jahr im Ruhestand. Heute unternimmt der Geistliche wieder Radtouren und schaut zuversichtlich nach vorn. Wir haben mit ihm darüber gesprochen, was ihm Vertrauen in die Zukunft gibt – in seine persönliche wie auch in die der Kirche.

Herr Weihbischof, wenn Sie an den Begriff „Vertrauen“ denken, was geht Ihnen da durch den Kopf?
Für mich als Bibliker ist Vertrauen in erster Linie das Gehaltensein von Gott. Und dann natürlich auch Vertrauen zu meinen Mitmenschen, Familie, Freunden und zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die ich in meiner Dienstzeit reichlich hatte.
Wenn Sie an Ihre persönliche Zukunft denken, worauf vertrauen Sie da?
Ich weiß ja nicht, wie lange ich noch zu leben habe, aber ja, ich vertraue darauf, dass ich auch in der Zukunft gehalten bin. Ich habe das in der Vergangenheit bei manchen Krankheiten schon erfahren dürfen: eine Sicherheit, von Gott gehalten zu sein, und in Gelassenheit weiterzugehen. Und so gehe ich auch voll Vertrauen in die Zukunft.
Sie haben das Gottvertrauen angesprochen. Wenn jemand das nicht hat – wie erklären Sie, was das ist?
Das fängt schon in der Kindheit an. Es kommt darauf an, ob man aufgewachsen ist in einem Raum von Vertrauen, wo man schon gelernt hat, Vertrauen einzuüben, Vertrauen zu haben und Vertrauen entgegengebracht zu bekommen. Das ist eine der Grundvoraussetzungen. Und auch die Erfahrung macht etwas aus: Wenn ich zurückschaue auf mein Leben, das sind jetzt 77 Jahre, dann ist da eine ganze Reihe von Punkten, an denen ich immer wieder gespürt habe, dass ich gehalten bin, dass es immer wieder weitergeht, auch in schwierigen Situationen. Das Vertrauen gibt die Gelassenheit, den Weg zu gehen. Das kann man nicht einfach erklären, das kann man auch nicht machen. Das ist auf der einen Seite ein Geschenk und andererseits auch, glaube ich, eine Einübung. Ich denke hier auch an die Bibel, wo es in den Klagepsalmen auch viel ums Erinnern geht: Was habe ich schon erfahren, wo habe ich so etwas schon mal durchgestanden und dabei erfahren, dass ich gehalten bin?
Gottvertrauen ist also nicht nur Glaube und Überzeugung und Hoffnung, sondern auch Erfahrung. Wenn Sie an Ihr Leben zurückdenken, können Sie da eine bestimmte Situation schildern?
Spontan fallen mir zwei ein. Vor knapp 30 Jahren hatte ich einen Nierentumor. Da war für mich die Frage: Ist das jetzt die letzte Wegstrecke oder nicht? Ich habe ein bisschen selbst über mich gestaunt, weil ich das mit großer Gelassenheit ertragen und mir gedacht habe: Wenn das jetzt wirklich die letzte Wegstrecke ist, dann gehe ich sie – das war mit Sicherheit mein Glaube, mein Vertrauen zu Gott. Und vor zwei Jahren hatte ich eine schwere Blutvergiftung, und es war kritisch – auch da hatte ich großes Vertrauen, auch das hätte die letzte Wegstrecke sein können. Solche Erfahrungen geben mir Zuversicht für die Zukunft – wobei ich natürlich weiß, dass das nicht ewig so weitergeht. Irgendwann ist Schluss – gut, das werde ich dann sehen, das bestimmt dann ein anderer …
Haben Sie auch Vertrauen darauf, dass der Glaube eine Zukunft hat in unserem Land?
Ja, das habe ich. Nur wird es anders werden. Die Kirche wird in unserem Land eine andere Gestalt bekommen. Es wird weniger werden, die Leute werden weniger werden. Darauf muss man sich einstellen, und darum ist es wichtig, Augen und Ohren offen zu halten: Was sagt uns die Zeit, was erfordert die Zeit? Die Kirche hat ja schon viele düstere Stunden erlebt, zum Beispiel vor 200 Jahren die Säkularisation. Da waren die meisten der Überzeugung, mit der Kirche sei es aus. Aber es ging weiter, wenn auch anders. Und jetzt stehen wir wieder vor einer solchen Zeit, in anderer Weise. Es wird weitergehen, aber einfach zu hoffen, das wird wieder so werden, wie es einmal war – das mit Sicherheit nicht. Grundsätzlich habe ich das Vertrauen: Die Kirche wird bestehen, vor allem auch deswegen, weil es nicht an uns liegt. Das macht ein anderer. Ich tue meines, so gut ich kann, in der Verkündigung des Glaubens, im Leben des Glaubens und im Begleiten der Menschen im Glauben. Aber ich mache es nicht, ich kann es nicht, hier ist ein anderer verantwortlich. Und das hat mir eigentlich immer Gelassenheit gegeben.
Haben wir Christen selbst auch oftmals zu wenig Vertrauen darauf, dass auch ohne unser Zutun die Dinge „laufen“?
Das beobachte ich schon lange bei uns in der Kirche, dieses mangelnde Vertrauen. Ich habe manchmal den Eindruck, wir sind die klassischen Bedenkenträger. Alles soll perfekt sein. Eine Gemeinschaft wie die Kirche, die jetzt mittlerweile 2000 Jahre unterwegs ist, braucht zwar Regeln, braucht auch Verfahrensweisen, keine Frage. Aber man kann nicht alles regeln. Von unserem Glauben her wäre es angezeigt, ein größeres Vertrauen aufzubringen. Ich kann nicht machen, dass jemand zum Glauben kommt. Ich kann aussäen, das Wort Gottes aussäen. Ein bisschen ackern, den Boden ein bisschen bereiten und Menschen begleiten auf dem Weg des Glaubens – mehr nicht. Aber dass jemand zum Glauben kommt, kann ich nicht machen. Da bin ich zuversichtlich, dass Gott es macht, auf seine Weise. Gottes Wege sind nicht immer unsere Wege, und das fällt uns manchmal schwer zu glauben.
Wie schauen Sie auf die junge Generation in der Kirche? Sind sie auf einem guten Weg?
Ja, schon! Ich erlebe es jetzt oft bei Firmungen, wo sich junge Leute als Firmhelferinnen und Firmhelfer engagieren. Das gibt mir Mut. Die machen das zwar anders als ich als junger Kaplan vor 40 Jahren. Und die denken auch anders – ist ja klar, es ist eine andere Zeit. Als ich damals Student war, sind wir nach dem Konzil mit großer Euphorie aufgebrochen. Jetzt haben wir eine andere Zeit und auch das Lebensgefühl der jungen Leute ist ein anderes, die machen es anders. Ich habe immer dafür geworben: Lasst die jungen Leute machen, lasst sie ran!