Transformation von Kirchenräumen
Der DG Kunstraum befasst sich in einer Ausstellung mit der Transformation von Kirchenräumen
Der DG Kunstraum zeigt in einer Ausstellung, wie sich junge Studenten die Umnutzung von Kirchengebäuden aus den 1960er Jahren vorstellen.

Noch immer versammeln sich Gläubige in Sankt Mauritius zum Gottesdienst. Allerdings werden sie nicht mit Glockengeläut dazu eingeladen, denn die müssen wegen statischer Probleme schweigen. Zudem ist das Dach undicht und Wasser dringt ein. Auf Dauer ist das Gebäude in München-Moosach als reiner Gottesdienstraum kaum zu erhalten. Doch in dem mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Bau könnte einmal eine Gemeinschaftsküche entstehen, inklusive Lebensmittellager. Oder ein Konzertsaal mit Musikschule. Oder 30 Wohneinheiten mit veränderbaren Raumgrößen und Gemeinschaftsbüro – für Individualisten, die auch Gemeinschaft suchen. Hannah Essigkrug würde dagegen ein Frauenhaus in Sankt Mauritius unterbringen: „Davon sind in Deutschland viel zu wenig vorhanden und es ist bestimmt im Sinn der Kirche, Menschen aufzunehmen, die Hilfe brauchen.“
Kirchen sind anders
Dazu hat die Architekturstudentin gemeinsam mit einem Kommilitonen ein
Modell gebaut, das zurzeit im DG Kunstraum zu sehen ist. DG das steht
für die traditionsreiche Deutsche Gesellschaft für christliche Kunst,
die mitten in München eine Galerie besitzt. Zusammen mit dem Lehrstuhl
für Entwerfen und Gestalten an der TU München hat sie eine Ausstellung
zur Umnutzung zweier Kirchen konzipiert. Sankt Mauritius ist eine davon.
Hannah Essigkrug schwärmt von dieser Kirche aus Beton, „in der jede
Fuge richtig sitzt“, von der „Geschlossenheit der Architektur, die wie
ein Schutzraum wirkt“. Darum auch die Idee für ein Frauenhaus mit
Unterkünften und Spielräumen für Kinder. TU-Professorin Uta Graff hat
ihren Masterstudenten und -studentinnen die Aufgabe einer solchen
Transformation von Kirchenräumen gestellt. Das sei andere
Herausforderung „als etwa ein Parkhaus oder ein Bürogebäude umzuplanen“.
Kirchen seien nicht allein „kulturell wertvoll, sondern prägen auch
einen städtischen und damit gesellschaftlichen Ort und damit geht man
nicht leichtfertig um“, so Graff. Wer den Abriss kaum genutzter Kirchen
für eine schnelle und einfache Lösung hält, begibt sich also auf
sensiblen Boden. Ganz abgesehen von den ungeheuren Mengen sog. grauer
Energie, die in den Gebäuden stecken. Sie würden verschwendet und als
Schutt enden.
Vom Sakralraum zur Basketballhalle
Neben der katholischen Kirche Sankt Mauritius hat Uta Graff die
evangelische Sankt Johanneskirche in Ingolstadt für die Masterarbeiten
ausgewählt. Beide Bauwerke aus den 1960ern, „die auf den ersten Blick
nicht so zugänglich sind“. Anders als ihr Münchner Pendant liegt Sankt
Johannes jedoch nicht in einer relativ ruhigen Wohnsiedlung, sondern an
einer vierspurigen Ausfallstraße, nicht weit von den Audi-Werken. Ihr
Architekt wollte mit ihrem bewusst industriell gehaltenen Charakter an
die nahegelegenen Fabrikgebäude anknüpfen, Arbeitswelt und Glauben
verknüpfen. Zu den Gottesdiensten kommen durchschnittlich etwa zehn
Gläubige, erzählt die Studentin Lena Kessler. In ihrem Modell sind die
eindrucksvollen Betonträger von Sankt Johannes freigelegt und
Zuschauertribünen angebaut. Denn sie würde die weiträumige Kirche zu
einer Basketballhalle umgestalten, inklusive Gemeinschafts-Café für das
angrenzende Stadtviertel. „Zusammen mit meinem Projektpartner habe ich
gedacht, dass Sport eine ideale Möglichkeit ist, die verschiedenen
Nachbarn zu verbinden: einerseits die Beschäftigten bei Audi und die
Anwohner in der Umgebung, die bisher keinen richtigen Treffpunkt haben.“
Überhaupt versuchen fast alle der insgesamt 24 Entwürfe das
Gemeinschaftsbildende der beiden Kirchen weiterzutragen. Sogar der
Vorschlag, Sankt Johannes in eine Wasseraufbereitungsanlage für das
benachbarte Raffineriegebäude umzubauen, sieht vor, eine kleine
öffentliche Schwimmhalle einzuplanen.
[inne]halten - das Magazin 10/2025

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Kreative Herausforderungen
Es sind oft kühne, aber nicht unrealistische und auch einleuchtende Ideen, die sich die Studierenden für Sankt Mauritius und Sankt Johannes überlegt haben. „Die Umnutzung von Kirchen steht einfach an“, erklärt Benita Meißner, die den DG Kunstraum leitet: „Deshalb finde ich es wichtig, gerade junge Architekten und Architektinnen zu befragen und für diese Aufgabe zu sensibilisieren.“ Das lässt sich auch an der Vermittlungsarbeit der DG ablesen. Seit 1956 hat sie in vielen Ausstellungen Neubauten von Kirchen und Kirchenausstattungen präsentiert. Nun geht es darum, welche Zukunft diese sakrale Architektur hat.
Etwa 40.000 Pfarrhäuser, Gemeindezentren und Gotteshäuser werden die katholische und die evangelische Kirche in Deutschland aufgrund rückläufiger Mitgliederzahlen und entsprechend geringeren Einnahmen bis 2060 auf- oder abgeben müssen. Das hat eine von ihnen beauftragte Studie ergeben. Auch wenn es sich zum größten Teil um Pfarrhäuser oder Gemeindezentren handelt, es werden auch viele Gotteshäuser davon betroffen sein. Sie sind eine enorme kreative Herausforderung für Kirchenleitungen, Architekten und Gesellschaft. Das macht die Ausstellung im DG Kunstraum schon mit ihrem Titel „Ressource, Research, Reset“ deutlich, also Bestand, Erforschung, Neusetzung. Benita Meißner ist zuversichtlich, irgendwann eine Fortsetzung dieser Ausstellung zu präsentieren: „Ziemlich sicher nicht in den nächsten fünf Jahren, aber in zehn Jahren könnte das durchaus sein.“ Das Thema: Der abgeschlossene Umbau und die neue Nutzung von Sankt Mauritius in München und Sankt Johannes in Ingolstadt.
Die Ausstellung "Ressource, Research, Reset - Architektonische Transformation sakraler Räume" ist bis zum 5. Juni im DG Kunstraum zu sehen. Der befindet sich mitten in München am Wittelsbacher Platz. Näheres zu den Öffnungszeiten finden sie auf dg-kunstraum.de.
Von Alois Bierl
Die 1964 errichtete Johanneskirche in Ingolstadt stammt von dem Architekten Theodor Steinhauser. Architekturkritiker heben besonders die Gestaltung des Baus mit zwei Lichtbändern im Unter- und Obergeschoss hervor. Mit seiner blockhaften Gestaltung schirmt er die Gemeinde vom umliegenden der mehrspurigen Autostraße ab.