Osterzeit
Fasten bei den Pallottinern in Salzburg
Im Johannes-Schlößl auf dem Mönchsberg finden regelmäßig Fastenwochen statt
Bin ich hier wirklich noch auf dem richtigen Weg?“, frage ich mich bei der nächsten Kurve. Die Straße wird schmaler. Immer, wenn ich vermute, mein Ziel erreicht zu haben, muss ich nochmals um die Ecke biegen und ein weiteres Stück hinauffahren. Ich bin unterwegs zum Johannes-Schlößl auf dem Salzburger Mönchsberg. Endlich kommt die von einer Mauer umschlossene Anlage in Sicht. Der Kirchturm ist ein Zeichen dafür, dass ich richtig bin. Die Straße endet hier.
Das Johannes-Schlößl liegt inmitten von Feldern mit einem traumhaften Blick über Salzburg und Umgebung. Ein idealer Ort, um sich zum Fasten zurückzuziehen. Im 14. Jahrhundert wurde an dieser Stelle das erste Gebäude errichtet. 1589 erwarb Erzbischof Wolf Dietrich von Raitenau den Bau und gestaltete ihn in ein Sommerschloss um. Die Besitzer wechselten im Laufe der Jahrhunderte mehrfach. 1926 erwarben die Pallottiner die Anlage und richteten hier ein Priesterseminar ein.
Heute leben im historischen Teil des Schlößls noch vier Pallottiner. Pater Willy Sytko ist mit 51 Jahren der Jüngste. Seit März 2023 ist er hier Hausoberer. Vorher war er zwölf Jahre Gefängnisseelsorger in Frankfurt am Main. Nach diesen anstrengenden Jahren genießt er die Ruhe auf dem Mönchsberg.
Fastenkurse als Neuausrichtung
Nachdem die Ordensmänner hier oben immer weniger wurden, mussten sich die Pallottiner überlegen, was aus der Immobilie werden sollte. Mit Unterstützung des heutigen Gästehausdirektors Ulrich Walder entwickelte man eine Neuausrichtung und begann 2020, Fastenkurse anzubieten.
„Fasten hat viele religiöse Aspekte“, erläutert Pater Willy, „es kommt in allen Religionen vor. Für eine bestimmte Zeit auf etwas zu verzichten, ist für viele Menschen eine große Entlastung. Manche Teilnehmer der Fastenkurse fühlten sich so befreit, dass sie zu mir zum Beichtgespräch kamen.“
Auch mir geht es so, dass ich an diesem Ort sehr rasch Abstand bekomme von meinem Alltag. So, als ob ich die Dinge, die mich beschäftigen, vor der Auffahrt auf den Mönchsberg im Tal gelassen hätte.
Ich habe Glück, mein Kurs besteht nur aus insgesamt vier Teilnehmern, drei davon Frauen. Der einzige männliche Faster ist aus Hamburg angereist, eine junge Frau aus dem Allgäu. Beim ersten Treffen werden wir von Monika Ressel begrüßt. Sie ist ausgebildete Fastenleiterin und Heilmasseurin und wird uns durch die Woche begleiten. Zunächst müssen wir uns entscheiden, ob wir Buchinger- oder Basen-Fasten. Die Basen-Faster dürfen morgens und mittags feste Nahrung zu sich nehmen – beispielsweise Obst, Müsli, gekochtes Gemüse. Die Buchinger-Faster nehmen nur Flüssiges zu sich: morgens Tee, mittags frisch gepressten Obst-Gemüse-Saft und abends Gemüsebrühe. Zwischendurch muss man reichlich Wasser oder Tee trinken.
Ich entscheide mich für das Buchinger-Fasten – wenn schon, denn schon. Schließlich faste ich seit rund 20 Jahren einmal jährlich nach dieser Methode und habe entsprechende Erfahrung.
Unsere Fastenwoche steht unter dem Motto „Fasten und Wandern“. Jeden Vormittag ist daher – nach dem freiwilligen Besuch der Frühmesse und dem sogenannten Frühstück – Bewegung angesagt. Am ersten Tag erkunden wir zu Fuß den Mönchsberg. Erstaunlich, wie viele Pfade sich dort durch Wald und Wiesen schlängeln. Rund zwei Stunden sind wir beim berühmten Salzburger Schnürlregen unterwegs. Nach meinem Mittagssaft lege ich mich mit einem Leberwickel zur Ruhe. Und wache erst gegen 16.30 Uhr wieder auf. Rechtzeitig zur Bewegungseinheit mit Ressel. Bei der anschließenden Meditation muss ich aufpassen, nicht wieder einzuschlafen. Fasten macht ganz schön müde. So gehen wir nach der abendlichen Gemüse- brühe und einigen Informationen zum Fasten bald ins Bett.
Oase der Ruhe
Das Johannes-Schlößl ist eine Oase der Ruhe. So schlafe ich hier jede Nacht tief und fest. Am nächsten Tag gehen wir den Berg hinunter nach Salzburg, erkunden die Stadt. Sogar dem berühmten Café Tomaselli statten wir einen Besuch ab. Für uns ist aber nur Tee genehmigt. Die köstlichen Torten, die an uns vorbeigetragen werden, dürfen wir nur anschauen. Den Vormittag schließen wir mit dem Besuch des Orgelkonzerts am Mittag im Salzburger Dom ab.
Nach der Ruhephase am Nachmittag haben wir ein sehr interessantes Gespräch mit Pater Willy, in dem er uns auch über seinen Orden erzählt. Rund 2.500 Pallottiner gibt es noch weltweit. Die 1835 durch Vinzenz Pallotti gegründete Gemeinschaft wächst vor allem in Malawi und Nigeria. In Europa gibt es immer weniger Ordenseintritte. Für Pater Willy ist die Öffnung des Johannes-Schlößls für Einzelgäste und Fastengruppen ein großer Gewinn. „Wir kommen durch die Fastenkurse mit den unterschiedlichsten Menschen in Kontakt. Sie schätzen den Ort und unsere Offenheit. Ich biete neben diesen Gesprächen mit den Fastengruppen auch Einzelbegleitung an.“
Inzwischen findet fast jede Woche im Johannes-Schlößl ein Fastenkurs statt – jeweils mit unterschiedlichem Schwerpunkt. Für die Zukunft sind auch geistliche Seminare geplant. Dieser Ort soll so zu einem spirituellen Zentrum werden. „Der Markt ist da. Die Nachfrage nach Fastenkursen und geistlichen Angeboten enorm groß“, bestätigt Direktor Walder.
Meine Mitfaster und ich gewinnen im Laufe der nächsten Tage durch die Fastennahrung, die angebotenen Massagen und die Ruhe immer mehr Energie. Ressel sucht für die Vormittage zunehmend anspruchs vollere Wanderungen aus: Schloß Leopoldskron ist unser Ziel am Mittwoch. Am Donnerstag geht es hinunter vom Mönchsberg, an der Salzach entlang bis nach Bergheim und von dort hinauf zur Wallfahrtskirche Maria Plain. Die Steigung ist ganz schön anstrengend. Am Ziel angelangt, werden wir jedoch mit einem herrlichen Ausblick belohnt und sind stolz, dass wir die Tour geschafft haben – trotz reduzierter Kost. Oder vielleicht gerade deswegen?
Am Samstagvormittag ist Fastenbrechen. Im Laufe der Woche sind wir uns alle recht vertraut geworden und bedauern es, auseinandergehen zu müssen. Der Apfel, den wir beim Fastenbrechen sehr bewusst zu uns nehmen, versüßt uns das Abschiednehmen ein wenig. Bereichert fahre ich vom Mönchsberg hinab in meinen Alltagstrubel. Ich weiß ja, ich kann jederzeit wiederkommen.
(Dr. Petra Altmann - Die Autorin ist Buchautorin und Journalistin. Siehe auch www.dr-petra-altmann.de)