Glaubenswelten
18.12.2024


Weihnachten

In Windeln gewickelt, in einer Krippe

Die Geburt Christi gehört zu den am häufigsten dargestellten Szenen der abendländischen Kunstgeschichte. Experten erklären uns, was die einzelnen Figuren und Gegenstände der Weihnachtsgeschichte für sie bedeuten.

Foto: © Diözesanmuseum Freising/Walter Bayer

Über Jahrhunderte hinweg setzten sich Künstler mit der Geburt Christi auseinander, schufen Glasfenster, Altarblätter, Buchmalereien und Gemälde, schnitzten Skulpturen, komponierten Melodien und Lieder, schrieben Gedichte und Geschichten, um diese anrührende Szene ins rechte Bild und Wort zu setzen. Ein klassisches Beispiel hierfür ist dieses in kräftigen, klaren Farben gehaltene Tafelbild eines unbekannten Malers aus der Johanneskirche auf dem Freisinger Domberg von 1480/90, das sich heute im Besitz des Bayerischen Nationalmuseums befindet. Im volkstümlichen Bereich wurde die Hauskrippe, also die Darstellung der biblischen Weihnachtsgeschichte mit Stall, Modelllandschaft, Menschen-, Engel- und Tierfiguren, zur bevorzugten Kunstform.

Früher glaubte man, dass sie auf die krippenspielartige Feier des heiligen Franz von Assisi in Greccio 1223 zurückgeht. Wahrscheinlicher jedoch ist, dass es vor allem die Jesuiten und deren große Kirchenkrippen im süddeutschen Raum (1562 Prag, 1607 München, 1608 Innsbruck) waren, die dieses Brauchtum schließlich auch in den Wohnstuben der katholischen Gläubigen heimisch machten. Auf den folgenden Seiten haben wir einige Expertinnen und Experten gebeten, uns eine Figur oder einen Gegenstand aus der Weihnachtserzählung ein wenig näher zu bringen. Was bedeutet er der Autorin, dem Autor, wofür steht er ihrer Ansicht nach? So ist eine berührende Sammlung von sehr persönlichen Texten entstanden, ebenso bunt und vielfältig wie eine echte Krippenlandschaft.

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Maria

Kniende Muttergottes, Holzschnitzerei von Adriaen van Wesel, Utrecht, um 1476. Kniende Muttergottes, Holzschnitzerei von Adriaen van Wesel, Utrecht, um 1476. Foto: © imago/Artokoloro


In vielen Krippen ist Maria in anbetender Haltung zu sehen: Auf den Knien, die Hände gefaltet, schaut sie voll Verehrung auf ihr Kind. Früher hat mich das gestört: Wäre es nicht sinnvoller, wenn das Kind auf ihrem Schoß sitzen oder an ihrer Brust liegen würde oder sie sich einfach neben der Krippe unter einer Decke ausruhen könnte?

Maria – die Anbetende: Heute gefällt mir dieses Bild, und ich höre häufig von Paaren, die frisch Eltern geworden sind, dass sie sich an ihrem Kind nicht sattsehen können. Immer wieder gehen sie zum Kinderbett und schauen hinein. Das – so die fromme Überzeugung – geht anscheinend auch Maria so. Neben der Sorge für das Wohl des Kindes, dass es gestillt wird und dass seine Windeln gewechselt werden, verehrt sie es. Damit wird der Säugling zum Angebeteten, an den sie sich verschenken will.

Inmitten der Armut des Stalles wird die Krippe durch ihre Haltung zum ersten Thron, wie dann das Kreuz der letzte Thron ist, unter dem die Mutter treu zu ihrem Kind steht. Wiederum ein Zeugnis der Verehrung: Auch in der Not des Todes lasse ich dich nicht – bleibst du mein geliebtes Kind, stehe ich zu dir.

In dieser Haltung habe ich Maria lieb, wird sie mir zum Vorbild, zur Mutter im Glauben, eingehüllt in ihrem roten Gewand, das für ihre verschenkende Liebe steht. So finde ich mich in ihr wieder und singe an der Krippe das Wiegenlied: „Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht satt sehen; und weil ich nun nichts weiter kann, bleib ich anbetend stehen. O dass mein Sinn ein Abgrund wär und meine Seel ein weites Meer, dass ich dich möchte fassen.“

JOHANNES ECKERT OSB, Abt der Benediktinerabtei St. Bonifaz in München und Andechs

Jesuskind


Die Geburt eines Kindes verändert alles. Eine Geburt ist ein Ereignis, das wie kein anderes für Neubeginn, Hoffnung und Zukunft steht. Zugleich ist sie eine Herausforderung für alle Beteiligten. Das war schon immer so, auch damals in Betlehem, als Maria von Nazareth ihren Sohn Jesus zur Welt brachte. Der Evangelist Lukas berichtet, dass Maria ihr Kind in Windeln gewickelt in eine Krippe legt, weil in der Herberge kein Platz mehr für sie und für ihren Verlobten Josef war.

Ausschnitt aus: Stefan Lochner, Geburt Christi , 1445. Ausschnitt aus: Stefan Lochner, Geburt Christi , 1445. Foto: © Bayer. Staatsgemäldesammlungen – Alte Pinakothek

Eine Geburt am Wegesrand; das Kind gefährdet und verwundbar. Bei allem Hoffnungsfrohen und Verheißungsvollen doch auch eine beunruhigende Geschichte. Keine Heimeligkeit, kein Glanz, eher ein unheiliger Empfang Jesu in der Welt. Und doch: Die Geschichte von Jesu Geburt verbindet auf einzigartige Weise das Heilige mit dem Menschlichen. Gott wird Mensch. Er, der Höchste und Lichtvolle, kommt herab in die Niederungen und Dunkelheiten unseres Lebens und macht so unser Leben hell. Ein „heruntergekommener“, ein solidarischer Gott. – Seht die Demut und Liebe Gottes, gegenwärtig in einem Kind!

BRUDER MARKUS FUHRMANN, Provinzialminister der Deutschen Franziskanerprovinz

Josef

Heiliger Joseph mit Jesuskind von Johann Nepomuk della Croce, um 1795; heute im Stadtmuseum Burghausen. Heiliger Joseph mit Jesuskind von Johann Nepomuk della Croce, um 1795; heute im Stadtmuseum Burghausen. Foto: © gemeinfrei


Für uns Kinder war das schönste Weihnachtslied „Auf dem Berge da wehet der Wind“. Wegen Josef. Zart bittet Maria: „Ach Josef, lieber Josef mein, ach, hilf mir doch wiegen mein Kindelein.“ Doch Josef brummt: „Wie soll ich dir helfen, dein Kindlein wieg’n? Ich kann ja kaum selber die Finger bieg’n.“ Und dann das herrlich verträumte „Schum, schei, schum, schei“. Kein anderes Lied haben wir mit größerer Inbrunst gesungen, bei keinem anderen so gelacht. Denn natürlich hatten wir allergrößtes Verständnis für Josef.

Jahre später entdeckte ich ganz andere Eigenschaften an ihm. Die Bescheidenheit. Das unverbrüchliche Dasein für eine Familie, die gar nicht seine war. Die Gottergebenheit. Die Träume, in denen der Engel ihm erst gebot, nach Ägypten zu fliehen, damit Herodes den Knaben nicht töten konnte, und später, wieder im Traum, auftrug, nach Israel zurückzukehren. Und er hielt sich daran.

Ohne Josef, der die schwangere Maria heiratete, obwohl er nicht der Vater des Kindes war, der also gar keinen Anteil an der Heiligen Familie hatte, wäre die Heilige Familie bis heute ein Märchen. Wann hat es so etwas je gegeben …

In unserer Krippe hat der Joseph jedenfalls einen Ehrenplatz. Schum, schei, schum, schei.

BEATRICE VON WEIZSÄCKER, Publizistin und Juristin

Hirten


Nachdem sie ihre Verstörung angesichts der himmlischen Erscheinung überwunden haben, machen sie sich auf zum Faktencheck. Sie finden alles zuverlässig vor: Kind, Windeln, Krippe. So nüchtern schlicht und allein schon wunderbar. Doch es geht um mehr als um bloße Information.

Die Hirten sind die Korrespondenten des Weihnachtsgeschehens. Sie bringen das schlichte Faktum und seine Bedeutung zusammen. Sie reden, sie erzählen. „Und alle, die es hörten, staunten über das, was ihnen von den Hirten erzählt wurde“, heißt es.

Hirten aus einer Krippe in Ebensee am Traunsee im oberösterreichischen Salzkammergut Hirten aus einer Krippe in Ebensee am Traunsee im oberösterreichischen Salzkammergut Foto: © imago/Rudolf Gigler

– Nanu? Wer sind denn hier „alle“? Da sind doch nur Maria und Josef in der Szene. Und die beiden sind doch eigentlich schon längst eingeweiht. Aber das Evangelium ist keine bloße Berichterstattung, sondern ein immer neues Ereignis der Kommunikation, und jetzt geht es erst richtig los.

Im Erzählen und Darüber-Reden entsteht mehr. Tiefer sehen, mehr verstehen, Zusammenhänge entdecken. In der Bibel sind Worte immer Ereignisse. Die Hirten sind die Füße der Weihnachtsgeschichte. Sie sind die ersten Apostel. Sie bringen die Botschaft ins Laufen, die dem ganzen Volk gilt und bis an die „Grenzen der Erde“ gelangen wird.

JUDITH MÜLLER, Leiterin Fachbereich Kirchliche Organisationsberatung/Gemeindeberatung im Erzbischöflichen Ordinariat München

Ochs und Esel

Ausschnitt: Ochs und Esel auf einer Ikone aus Kreta, 15. Jahrhundert. Ausschnitt: Ochs und Esel auf einer Ikone aus Kreta, 15. Jahrhundert. Foto: © imago/Artokoloro


Sie fehlen – im Evangelium: Ochs und Esel. Aber sie sind aus keiner Krippe wegzudenken. In frühchristlichen Darstellungen sucht man Maria und Josef manchmal vergeblich. Aber Ochs und Esel sind immer da: Für die Kirchenväter ein Symbol für Heiden (Esel) und Juden (Ochs), wenn auch in polemischer Absicht und mit Berufung auf Jesaja 1,3.

Seitdem ich der Gesellschaft Jesu angehöre, seit 1985, bin ich mit einem Witz konfrontiert. Er geht gegen meinen Orden aus. Nicht ohne Grund. Verkürzt erzählt: Ein Dominikaner und ein Jesuit streiten darüber, wer besser predigen kann. Der Dominikaner behauptet, er könne aus dem Stand heraus über jedes beliebige Thema predigen. Der Jesuit meint, ihm eins auswischen zu können. Er will ihn blamieren und schlägt vor: „Predige über die ersten Gedanken des Jesuskindes.“ Nach kurzem Überlegen beginnt der Dominikaner so: „Der neugeborene Jesus erwacht, sieht zuerst Maria und Josef, dann fällt sein Blick auf Ochs und Esel. Da denkt sich das Jesuskind: ,So sieht also die Gesellschaft Jesu aus!‘“

Ein bisschen lachen kann ich schon darüber, weil ich besserwisserische Mitbrüder kenne. Intellektuelles Fingerhakeln, Neid, Rivalität – das ist Ordensleuten nicht fremd. Was ich Jahr für Jahr neu einübe vor der Krippe: Schauen und staunen, im Blick auf die, die da versammelt sind.

ANDREAS R. BATLOGG SJ, Seelsorger und Buchautor

Engel

Zur Weihnachtszeit meiner Kindertage gehörte die Krippe in der guten Stube; ein Hingucker war der Goldpapierengel – der Star des Ensembles und zugleich Problemfigur: Anstelle von Füßen war da nur der Goldpapierrand mit kaum Bodenkontakt; es brauchte mehrere Versuche, bis er schwebend Halt fand auf dem Stalldach. Und doch war er mein Favorit.

Selbst heute punkten Engel im religiösen Ranking: Mehr Deutsche glauben an (Schutz-)Engel als an Gott. Nur weil es bequemer ist, eine höhere Macht anzunehmen, die als Projektionsfläche für Sehnsüchte taugt, ohne Ansagen fürs eigene Leben zu machen? Ich meine, da kommt doch Tieferes zum Schwingen. Nicht von ungefähr berühren Musikstücke, die von Engeln oder in denen Engel singen, Menschen besonders, sei es zart wie in „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ aus Bachs Matthäuspassion oder überwältigend wie in den großen Gloria-Vertonungen: Ihr Start ist inspiriert von der Szene in Betlehem, wo die frohe Kunde des einen Engels an die Hirten eine Sinfonie der Abertausend auslöst und für einen Moment Himmel und Erde zusammenklingen.

Engel in der Bibel sind Grenzgänger zwischen zwei Sphären; der in Betlehem schwebt nicht, er „tritt heran“: Ohne Füße kommt doch menschlich nah eine Geist- Energie; blitzartig gibt sie den Blick frei durchs Sichtbare auf noch nicht Wahrnehmbares: Göttliche Lichtungen unseres begrenzten Horizonts, ein Aufbrechen unserer Aussichtslosigkeiten. Okay, schöne Worte vom Frieden aus Engelsmund, aber hoffnungslos von gestern in einer Kriegs- und Klimakrisenwelt, die von allen guten Geistern verlassen zu sein scheint? „An pax bei de hominibus!? Daß i net lach“, spottet ein Hirt in Carl Orffs Weihnachtsspiel.

Was aber, wenn der Goldpapierengel uns widerspiegelt und sagt: „Du bist auch ein Engel – tritt heran, geh in Kontakt.“? Im Miteinanderreden lassen sich Fenster und Echokammern öffnen, zeigt sich mehr als nur die eigene Sicht der Dinge, kann man Engelhaftes auch im Gegenüber entdecken. Der Retter ist (in jedem von) uns geboren, wir sind für Rettung geboren. In der Krippe hat die Engelbotschaft Hand und Fuß bekommen.

PROFESSOR EM. MARKUS EHAM, Liturgiewissenschaftler, Kirchenmusiker, Komponist

Stall

Im Weihnachtsevangelium nach Lukas wird nicht erwähnt, wo Jesus in Bethlehem genau geboren wurde. Da Maria das Kind in Windeln wickelte und es in eine Krippe legte, schließen wir darauf, dass Gott als Kind in einem Stall zur Erde kam. Die Krippenbauer verwenden drei unterschiedliche Räumlichkeiten, wo sie das Geschehene darstellen:

In einer Höhle. Bereits auf orthodoxen Ikonen bietet Mutter Erde der Heiligen Familie Unterschlupf und beschützt sie. Eine sehr archaische Darstellung. Da es am Hirtenfeld in Bethlehem viele Höhlen gibt, geht man davon aus, dass Jesus in einer Höhle geboren wurde.

In einer Ruine. Sie hat vor allem symbolischen Charakter. Das Ende des römischen Reiches, der zerstörte Tempel Davids, unsere verfallene Welt, in die Gottes Sohn zur Welt kommt. Um seinen neuen Tempel aufzubauen, in dem wir unsere Erlösung finden werden.

In einem Stall. Dieser uns bekannteste Geburtsort Jesu basiert auf den Visionen der heiligen Birgitta von Schweden und findet auch bei den meisten Krippenbauern den größten Anklang, ist uns dieser Raum doch vertraut durch so viele zwei- und dreidimensionale Darstellungen des Weihnachtsfestes. Eine Krippe mit einem heimatlichen Stall versetzt das Ereignis direkt in unsere Heimat, zu uns, in unsere Herzen. Und so können wird uns Jesu Geburt besser vorstellen und uns damit identifizieren.

THOMAS HUBER, Radiologe und Krippenbauer

Stern

Am Meer aufgewachsen, habe ich oft in den weiten Sternenhimmel geschaut – und dabei weitete sich mein Inneres voll Sehnsucht. Der Stern über der Krippe: ein Symbol für Orientierung und Sehnsucht. Auch in meinem Leben leuchten manchmal Sterne – Momente, die aus der Dunkelheit herausführen: ein Wort, das berührt. Ein Mensch, der Hoffnung schenkt. Eine Ahnung, dass das Leben mehr ist, als ich (be)greifen kann. Die Weisen brechen auf, weil sie dem Stern folgen – nicht, weil sie das Ziel schon kennen. Sie vertrauen darauf, dass ihr Weg einen Sinn hat. Und begegnen dem Antlitz Gottes im Lächeln eines Kindes. Vielleicht ist der Stern auch ein Ruf an mich, aufzubrechen: Der eigenen Sehnsucht zu folgen. Den Mut zu haben, mich auf Neues einzulassen, auch wenn sich der Weg erst Schritt für Schritt zeigen wird – im Vertrauen darauf, dass Gottes leise Gegenwart mich immer schon erwartet – sehnsuchtsvoll wie die offenen Arme eines Kindes.

MELANIE WOLFERS, Salvatorianerin und Buchautorin

Krippe

Die leere Krippe erinnert mich an den heiligen Franziskus. Vor 800 Jahren, es war das Jahr 1223, hat er in dem abgelegenen italienischen Ort Greccio ein Krippenspiel inszeniert. Ein echter Futtertrog wurde aufgestellt. Es kam Heu hinein, sogar Ochs und Esel wurden herbeigeschafft. Mich berührt bis heute, dass bei dem naturgetreuen Arrangement Maria und Josef jedoch fehlten, genauso wie das Kind. Die Berichte erzählen, dass der Heilige aus Assisi vor der leeren Krippe das Weihnachtsevangelium verkündete. Das Geheimnis muss sich immer neu verwirklichen.

800 Jahre danach haben wir Gelegenheit, Gott Raum zu geben. Weihnachten ist nicht einfach ein Historienspiel, sondern lädt uns ein, hineinzutreten in das Geschehen der Menschwerdung Gottes. Die leere Krippe steht für mein Leben, in das Gott hineingeboren werden will oder gar schon hineingeboren ist. Der Futtertrog ist ein alltäglicher Gegenstand, in dem man eher kein Kind zu finden erwartet. Entsprechend erinnert er mich an die Chance, Gott unerwartet in meinem Leben zu begegnen, im ganz Alltäglichen.

BRUDER HELMUT RAKOWSKI, Provianzial der deutschen Kapuzinerprovinz

Windeln

Dieses besch…eidene Weihnachten! Wie viele Menschen das wohl denken? Weil gerade ein lieber Mensch verstorben ist, Freundschaft oder Partnerschaft zerbrochen ist, Streit herrscht, niemand (mehr) da ist, der mit einem feiert? Weil eine schwere Krankheit belastet oder die Weltsituation niederdrückt? Weihnachten ist nicht für alle Menschen ein Fest der Freude. Hier kommt die Windel ins Spiel: Mitten rein ins Leben kommt Gott. Genau dorthin, wo es uns nicht gut geht. Wo wir uns schwach, klein, hilflos, bedürftig und, ja, auch besch… ...eiden fühlen. Mitten in den Mist der Welt. Wer schon einmal gewickelt hat, weiß: Das ist nicht immer angenehm. Es riecht, es sieht komisch aus, manchmal ist alles verschmiert. Es gibt auch Kinder, die sich äußerst erfolgreich winden, um nicht gewickelt zu werden. Es kommt immer zur Unzeit, bei manchen Paaren wird diskutiert, wer „dran“ ist. Man macht sich manchmal auch die Hände schmutzig. Für diese Wickelphase brauchen Menschen Geduld, manchmal Überwindung, und auch Mut. Es ist eine anstrengende Zeit und gleichzeitig unglaublich innig und intensiv, kaum etwas ist intimer und näher. So nahe will uns Gott kommen – wenn wir es zulassen und uns darauf einlassen.

THERESA REISCHL, Pastoralreferentin in der Stadtkirche Freising

Stroh

Strohsterne gehören nicht weniger zur Weihnachtsausstattung als Lichterketten, Tannenbäume oder Weihnachtskrippen. Dass man Sterne aus Strohhalmen bastelt, hat dabei nicht nur praktische Gründe. Stroh war, so darf man annehmen, die Unterlage, auf die Maria den in Windeln gewickelten Säugling bettete. Künstler aller Jahrhunderte haben dieses Szenario festgehalten.

Die Idylle mancher Krippendarstellungen darf freilich nicht darüber hinwegtäuschen, unter welch ärmlichen Verhältnissen Christus Mensch wird. Mit seinem Bettchen auf dem Stroh einer Krippe ist Jesus keine Ausnahme. Noch heute erzählen alte Menschen, dass sie als Kinder kein Federbett, sondern einen Strohsack hatten, um zu schlafen. Eine 89-jährige Frau erzählte mir, wie sie als Kind ihren Strohsack mit im Feuer erhitzten Ziegeln aufwärmte. So wurde es kuschelig warm.

Stroh steht damit auch für die Geborgenheit, wie sie sogar ein Schlager der 70er Jahre besingt: Mit „Ein Bett im Kornfeld“ eroberte Jürgen Drews die Hitparade. Stroh duftet nach Idylle und Romantik und erinnert gleichzeitig an die Armseligkeit einer Notbehausung. Damit passt das Motiv recht gut zu dem Ereignis, mit dem Gott als Mensch die Bühne dieser Welt betritt.

MAX KRONAWITTER, Theologe und Filmemacher

Die heiligen drei Könige

Die drei Weisen sind alles andere als Randfiguren. Christus tritt in Betlehem verborgen in die Welt, doch die Weisen stehen für jene, die aus allen Kontinenten in ihm den König und Retter der Welt erkennen. Das weist nicht nur auf die universale Bedeutung Jesu und des Heils, das er bringt. Es wird zum Zeichen für eine weltoffene Kirche – und für Menschen, die sich in einer Welt voller Vorurteile, Intrigen und Gewalt für die verborgene Gegenwart Gottes öffnen. Dabei können uns diese Gottsucher mit eigenen Vorurteilen konfrontieren:

Sind es nach ältester Überlieferung nicht Sterndeuter, „Magier“ aus Persien, dem heutigen Iran? Angehörige einer fremden Religion, „Heiden“, die das Wagnis eingehen, die Zeichen zu deuten und sich auf den Weg zu machen … Würden sie heute in einer „aufgeklärten“ Welt nicht als „Esoteriker“, irrationale Spinner oder „Querdenker“ diffamiert? Andererseits meint der Wahlspruch der Aufklärung, „Sapere aude!“, den Mut, selber zu denken und zu „schmecken“, den eigenen Erfahrungen und Intuitionen zu trauen. So kann die begegnende Welt, der Kosmos und seine Gestirne, das eigene Leben zu einem lesbaren Buch werden.

Auch in der Kirche geht es darum, gemeinsam die „Zeichen der Zeit“ zu lesen und zu deuten, wie es die Sterndeuter tun: Sie wagen den Aufbruch, um den neugeborenen König zu suchen; sie wagen aber auch den Widerspruch und Widerstand gegen die Herrschenden, indem sie nicht zu Herodes zurückkehren und auf anderen Wegen heimkehren.

PROF. DR. MARTIN KIRSCHNER, Kath. Universität Eichstätt-Ingolstadt

Gold, Weihrauch und Myrrhe

Spontan würden wir sagen: Das sind doch keine Geschenke, die die junge Familie zum Leben braucht. Man könnte meinen, die drei gelehrten Männer hätten die Situation der Familie nicht richtig wahrgenommen.

Die drei Sterndeuter sind mit ihrer tiefen Sehnsucht nach einem Heil bringenden Herrscher einem Stern gefolgt. Sie landen bei dem neugeborenen Kind, das in einer Krippe liegt, und huldigen ihm mit Geschenken. Huldigen, das meint ein verehrendes Tun, das nur gegenüber hochgestellten Personen angebracht ist. Mit ihren Geschenken bringen die drei Männer ihre Verehrung des Kindes zum Ausdruck.

Gold, das wertvollste Edelmetall, gebührt Königen. Die Verbreitung des würzigen Weihrauchdufts zur Verehrung Gottes ist Aufgabe des Priesters. Die Myrrhe, ebenfalls ein wohlriechendes Harz, diente zur Herstellung von heiligem Salböl für Könige und Hohepriester, auch zur Bestattung der Toten. Intensive Untersuchungen über die Verwendung des Wortes „Myrrhe“ zeigen, dass es einen etymologischen Zusammenhang zwischen Wohlgeruch und Prophetie gibt. Deshalb kann festgehalten werden, dass der Evangelist die drei Geschenke als Allegorie versteht für das dreifache Amt Jesu: König, Priester und Prophet.

MAGDALENA BOGNER, Theologin, ehem. Bundesvorsitzende der KFD (Kath. Frauengemeinschaft Deutschlands) und ehem. Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZDK)

Florian Ertl
Artikel von Florian Ertl
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