"Musik ist mein Glaubensduft"
Carolin Völk ist Lehrerin und leidenschaftliche Organistin am Ammersee. Im Interview spricht sie über die Freude an der Musik, die spirituelle Kraft des Musizierens und ihre musikalischen Träume.

Ich habe dich im kleinen eiskalten Kircherl in Holzhausen bei Utting Orgel spielen und singen gehört. Da war so viel Freude spürbar. Woher kommt die?
„Da mir Gott ein fröhliches Herz gegeben hat, wird er mir schon verzeihen, wenn ich ihm fröhlich diene“ – dieses Zitat von Joseph Haydn hat mir schon als Kind gefallen, nur das „verzeihen“ habe ich damals nicht so richtig verstanden, weswegen ich es für mich durch „wird er sich sicher freuen“ ersetzt habe. Auch mir hat Gott diese zwei Geschenke mitgegeben: ein fröhliches Herz und eine Begabung für die Musik. Beides zusammen mag die Freude erklären, die – wie mir oft rückgespiegelt wird – für viele Menschen spürbar wird, wenn ich musiziere.
Wie bist du zur Musik gekommen?
Solange ich mich zurückerinnern kann, gehört Musik zu mir. Ob ich mit meinem kleinen Xylophon aus Holz auf den Knien im Frühling im Garten saß, in der Küche auf meiner Blockflöte spielte, aufgrund der guten Akustik lauthals in der Badewanne sang oder bei unseren Nachbarn auf dem Klavier die ersten Akkorde zusammensuchte – mein Herzenswunsch war schon von klein auf, Musik zu machen. Neue Instrumente auszuprobieren und dazuzulernen, das hat mich immer fasziniert. Meine Mutter erzählt, wenn ich mittags aus der Schule zurückkam, bin ich zu Hause erst einmal von einem Instrument zum nächsten gewandert – ich hatte damals unter anderem ein Hackbrett, eine Gitarre, ein Klavier, eine Klarinette zur Verfügung – und habe überall ein bisschen gespielt. Ab der ersten Klasse habe ich Hackbrett gespielt, zur Erstkommunion wünschte ich mir eine Gitarre, und in der fünften Klasse fing ich an, Klarinette zu spielen, um im Schülerblasorchester mitmusizieren zu können.
Du spielst einige Instrumente. Was am liebsten und warum?
Mittlerweile spiele ich am häufigsten Kirchenorgel und Klavier. Die große Vielfalt dieser beiden Instrumente bietet einen wahren Schatz an musikalischen Möglichkeiten, solistisch (allein durch zehn Finger und zwei Füße hat man hier, wenn man so will, gleich ein ganzes Orchester dabei), vierhändig, zusammen mit einem anderen Instrument – ich persönlich liebe die Kombination Trompete und Orgel – oder als Teil einer Gruppe von Musikern. Auch die Auftrittsmöglichkeiten sind mannigfaltig: ob in der Kirche zur Ehre Gottes, konzertant oder in geselliger Runde – die Bandbreite, die Klavier und Orgel gestatten, ist wunderbar. Im Vergleich dazu spiele ich auf meinen anderen Instrumenten weniger oft, aber nicht minder gern.
Hauptberuflich bist du Lehrerin, nebenberuflich oder hobbymäßig Musikerin – warum hast du Musik nicht zum Hauptberuf gemacht?
Ich wollte, dass Musik als meine große Leidenschaft mein Hobby bleiben darf, dem ich aus purer Freude nachgehen darf – ohne den Druck, mich beweisen oder meinen Lebensunterhalt davon bestreiten zu müssen. Zudem wollte ich, da ich mich für viele unterschiedliche Dinge begeistern kann (vielleicht bedingt durch mein Sternzeichen Zwilling), auch anderen Interessen nachgehen, so zum Beispiel Sprache und Kultur, was mich dazu brachte, in Deutschland und Italien Latein und Englisch zu studieren.
[inne]halten - das Magazin 9/2025

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Hat Musik für dich immer eine spirituelle Dimension?
Dem heiligen Augustinus wird der Satz zugeschrieben: „Wer singt, betet doppelt.“ Gerade für Musikliebhaber eine schöne Botschaft: Musik geht tiefer als das bloße Wort; sie spricht andere, tiefere Bereiche der Seele an. Musik kann wie ein Sonnenstrahl sein, der das Herz erreicht oder von ihm ausgeht, Musik kann aber auch nachdenkliche, besorgte, traurige Nuancen transportieren. Die Verbindung von Wort und Melodie kann beim Beten helfen, und sie kann vielleicht sogar Suchenden einen ganz neuen Weg zu Gott eröffnen.
Welche Komponisten berühren dich am meisten?
Komponisten, die meinem Herzen durch ihre Musik, vielleicht nur durch eine bestimmte Melodie, eine wohlige Wärme vermitteln, die mir Töne – egal, ob leise oder heitere – mitgeben, die noch lange in mir nachklingen.
Gehören Glaube und Musik für dich zusammen?
Für mich ist die Musik ein ganz essenzielles Element meines Lebens im Glauben. Mahatma Gandhi soll einmal sinngemäß einem christlichen Missionar auf die Frage, wie man die Menschen für den Glauben begeistern könne, geantwortet haben: „Denken Sie an das Geheimnis der Rose. Alle mögen sie, weil sie so gut duftet. Also gehen Sie hin und duften Sie!“ Die Musik ist für mich ein ganz wichtiger Teil unseres eigenen „Glaubensduftes“.
Organisten spielen oft viel mehr, als in den Noten steht. Kannst du beschreiben, wie das Improvisieren funktioniert? Woher „fliegen“ die Ideen?
Improvisieren kann vielleicht ein wenig mit dem Trampolinspringen verglichen werden: Zunächst brauchen wir eine einigermaßen stabile Basis aus Wissen um Akkordabfolgen, Harmonien, Töne, die zueinanderpassen, die im Lauf der Jahre und Erfahrung immer tragfähiger wird. Und dann springen wir, mit vielen Melodien, die in unserem Kopf herumschwirren, und unserer eigenen Kreativität, auf dieser Basis ab, und etwas Neues entsteht.
Hilft Musik dir in schwierigen Lebenssituationen, falls es die gibt?
Musizieren lässt mich in schwierigen Lebenssituationen zur Ruhe kommen und schenkt mir Kraft, Musik ist mir eine wichtige Stütze im Leben.
In welchen Ensembles musizierst du?
Seit über 20 Jahren musiziere ich in zwei festen Formationen, aus denen auch sehr gute Freundschaften entstanden sind: Zum einen bilde ich mit dem Trompeter Hans-Günter Schwanzer ein Duo für Trompete und Orgel. Von kleinen unbeheizten Kapellen mit Eisblumen am Fenster im Oberbayerischen bis hin zum Pantheon, Santa Maria dell’Anima und Sant’Anselmo in Rom haben wir über zwei Jahrzehnte hinweg schon die unterschiedlichsten Gotteshäuser mit unseren Klängen erfüllt und CD’s eingespielt.
Mein zweites langjähriges Ensemble, in dem ich Klavier spiele und singe, ist „Die WolfGang“ – eine bunte Mischung von leidenschaftlichen Musikern: zwei Mönche, ein Architekt, eine Sozialpädagogin und ich. Unseren Sitz haben wir in der Erzabtei St. Ottilien, und wir spielen vor allem neues geistliches Liedgut, darunter auch eigene Kompositionen und viele Werke von Kathi Stimmer-Salzeder. Benannt haben wir uns als „Gang“ nach dem „Leadsänger“ und Gitarristen der Gruppe, Wolfgang Öxler, dem Erzabt von St. Ottilien, der in Pausen gern auch zum Akkordeon greift oder am Flügel in brillanter Weise Hits der Sechziger- und Siebzigerjahre zum Besten gibt. Sein Mitbruder Pater Otto Betler, ein aus Helvetia, West Virginia, stammender Amerikaner mit Schweizer Wurzeln, bereichert unsere Band durch sein großartiges Fiddle-Spiel (für mich faszinierend ist, dass er keine Noten lesen, aber herausragend nach Gehör spielen kann) und mit seinem Gesang. Alles in allem sind wir eine ziemlich ungewöhnliche, durch die Musik und Freundschaft verbundene Besetzung.
Ist die Orgel tatsächlich die Königin der Instrumente?
Wenn ich auf der Orgelbank sitze und durch die zahlreichen verschiedenen Register ein klangliches Orchester zusammenstellen kann, in dem neben Posaunen und Trompeten auch Flöten und Geigen und viele mehr musizieren, die alle dem Druck meiner Finger und Füße auf die Tasten und Pedale folgen, ist das ein einzigartiges musikalisches Erlebnis. Ich genieße es jedes Mal wieder, aus den wunderbaren Klangfarben der unterschiedlichen Orgeln, an denen ich spiele – denn jedes Instrument ist anders –, ein zum jeweiligen Stück passendes kleines Gesamtkunstwerk entstehen zu lassen, von zart und einfühlsam bis strahlend und majestätisch, jede Orgel spricht viele verschiedene Sprachen. Allein durch ihr oft imposantes, erhabenes Äußeres, aber auch durch ihre klangliche Pracht und Vielfalt trägt die Orgel ihren Ehrentitel in meinen Augen ganz zu Recht.
Kommst du in Zwiesprache mit Gott, wenn du spielst?
Das ist ganz unterschiedlich, manchmal passiert es beim Spielen, manchmal aber auch zwischen den Stücken, wenn ich beim Spielen einen Impuls erhalten habe oder auf meinen nächsten Einsatz warte.
Gibt es einen musikalischen Traum, den du unbedingt realisieren möchtest?
Musikalische Träume, die ich früher oder später verwirklichen möchte, gibt es tatsächlich viele – und es kommen auch durch neue Begegnungen immer wieder neue dazu: das Harfenspiel erlernen, mehr eigene Orgelwerke komponieren, eine Volksmusikgruppe gründen, in der ich Hackbrett spiele, ein Trompeten-und-Orgel-Konzert im Hamburger Michel geben und, ganz aktuell, die erste CD-Aufnahme mit unserer „WolfGang“ fertigstellen. Vielleicht lassen sich nicht alle Träume umsetzen, aber wie sagte schon Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach? „Nenne dich nicht arm, wenn deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur, der nie geträumt hat.“ Und wer nicht träumt, der nicht gewinnt …