Achtsamkeit
14.04.2025

An Ostern den Neuanfang wagen

Ostern ist ein Neuanfang, neues Leben bricht sich Bahn. Die Fastenzeit dagegen ist vorbei. Doch die Vorsätze dieser 40 Tage dürfen bleiben, wenn sie uns guttun. Deshalb ist es gut zu überlegen: Was möchte ich mitnehmen? Was soll mich auch weiterhin begleiten?

Yoga-Übungen und Tagebuch-Schreiben können auch über die Fastenzeit hinaus unseren Alltag begleiten. Yoga-Übungen und Tagebuch-Schreiben können auch über die Fastenzeit hinaus unseren Alltag begleiten. Foto: © AdobeStock/Timm Creative

„Jeder neue Anfang entsteht aus dem Ende eines anderen Anfangs“: Dieser Satz wird dem römischen Philosophen Seneca in den Mund gelegt. Anfang und Ende: Beides begleitet unser Leben und beides dürfen wir immer wieder erfahren. Oder müsste man nicht besser sagen: Anfang oder Ende? Weil doch beides nie klar voneinander zu unterscheiden ist. Weil ein Ende doch nie nur ein Ende ist, sondern immer auch der Anfang von etwas Neuem. So, wie es Seneca sagt: Anfänge erwachsen aus dem Ende und brechen dort auf, wo etwas anderes vergangen ist.

Anfang oder Ende: So kann man auch im Blick auf das Osterfest fragen. Natürlich ist Ostern ein Neuanfang, denn das neue Leben, das mit der Auferstehung Jesu verbunden ist, bricht sich Bahn. Ostern ist ein Neuanfang: Man entzündet die neue Osterkerze, die gedrückte Stimmung der Fastenzeit weicht den österlichen Festgesängen. Etwas Neues beginnt: die österliche Freudenzeit, die uns bis Pfingsten begleitet und damit über sieben Wochen lang anhält.

Was bleibt nach Ostern von der Fastenzeit?

Doch Ostern markiert eben auch einen Endpunkt: Die österliche Bußzeit ist zu Ende, die Fastenzeit ist vorbei. Und mit diesem Ende ist eben auch die Frage verbunden: Was bleibt eigentlich von dieser Zeit übrig? Ist mit dem Ostersonntag wirklich die Fastenzeit aus und vorbei und alles vergeben und vergessen? Oder gibt es dennoch Mittel und Wege, um etwas mitzunehmen aus dieser heiligen Zeit in die neue Zeit hinein?

Ende und Anfang sind keine trennscharfen Größen. Sondern wir nehmen immer etwas aus dem Ende in den neuen Anfang hinein. Das Ende bleibt im Anfang immer gegenwärtig, es lässt sich nicht auslöschen oder komplett vergessen. Und so ist das auch mit Ostern als einem neuen Anfang: Das, was wir in der Fastenzeit erleben durften, bleibt. Wir streifen zwar an Ostern gewissermaßen den alten Menschen ab, um den neuen, österlichen Menschen anzuziehen. Aber die Erfahrungen und Erlebnisse, die der Mensch der Fastenzeit machen durfte, begleiten uns auch weiterhin. Denn das zeigt auch Ostern: Die Jüngerinnen und Jünger Jesu erkennen den auferstandenen Herrn an den Wundmalen der Kreuzigung. Das alte Leben bleibt im neuen, österlichen Leben präsent. Es wird nicht verschwiegen oder ausgelöscht. Aber es erstrahlt in einem neuen Licht, im Schein der Osterkerze beginnen die Wunden der Kreuzigung golden zu leuchten.
    

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Was hat mir und meinen Mitmenschen gutgetan?

Ostern ist deswegen auch kein Abbruch mit dem, was vorher gewesen ist. Ostern ist vielmehr ein gleitender Übergang, bei dem das Alte mitgeht und dennoch anders präsent ist. Das hat auch für unser menschliches Leben eine Bedeutung: Wir dürfen Dinge, die wir in der Fastenzeit geübt haben, auch weiterhin in unseren Alltag integrieren. Niemand verbietet uns, dass wir auch zu anderen Zeiten im Jahr auf Alkohol oder Schokolade verzichten. Yoga-Übungen können wir auch weiterhin in unseren Alltag integrieren, das Tagebuch-Schreiben kann uns ein verlässlicher Begleiter auch über den Ostertag hinaus werden. Die Vorsätze der Fastenzeit dürfen weitergehen, wenn sie uns guttun!

Vielleicht ist gerade der Karsamstag ein guter Tag, um Reflexion zu halten. Um einmal zurückzuschauen in diese Fastenzeit und zu überlegen, welche Vorsätze uns gut gelungen sind. Was hat mir und meinen Mitmenschen gutgetan in dieser Zeit? Wovon habe ich profitiert? Und was hat mich nicht so überzeugt? Wo möchte ich gerne weiterarbeiten? All diese Fragen sind wichtig, um Rückschau zu halten und um zu sehen, inwiefern bestimmte Anregungen für diese Fastenzeit gefruchtet haben. Aber der Karsamstag ist auch ein Tag, der einlädt, Vorausschau zu halten: Was möchte ich mitnehmen? Was soll mich auch weiterhin begleiten?

[inne]halten - das Magazin 8/2025

Leid und Freude

Die Osterbotschaft ist kein „Alles wird gut“ auf Knopfdruck, meint Pater Alfons Friedrich. Sie ist eine Einladung: Glaubst du, dass der Tod nicht das letzte Wort hat?
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Unser Menschsein zum Leuchten bringen

Ostern ist ein Anfang, der mit dem Ende der Fastenzeit weitermacht: Deswegen ist es gut, wenn manche Dinge aus der österlichen Bußzeit einfach weitergehen. Nur, weil Ostern ist, müssen wir nicht mit Dingen aufhören, die unser Menschsein während der Fastenzeit zum Leuchten gebracht haben. Freilich: Den äußeren Rahmen für diese Übungen müssen wir künftig selber legen. Wir sollen aufmerksam sein, dass wir all das nicht vernachlässigen, sondern in einer Regelmäßigkeit fortführen, die uns selber stärkt und unserem Wohlbefinden dient.

Das Osterfest lädt uns ein, einen Neuanfang zu wagen. Einen Anfang, der das Alte als guten Begleiter mitnimmt und weiterführt. Einen Anfang, in dem wir vieles, was sich über die letzten Wochen eingeschliffen hat, weitermachen dürfen. Die Fastenzeit mag vorbei sein, aber unser Menschsein geht weiter. Und das kann von vielem profitieren, was nicht nur auf einen bestimmten Abschnitt im Jahreslauf begrenzt ist. Das sollten wir immer wieder neu bedenken. Dann wird Ostern wirklich zu einem Neuanfang für uns und für unser gutes Leben.

Fabian Brand
Artikel von Fabian Brand
Autor
Fabian Brand hat katholische Theologie in Würzburg und Jerusalem studiert. Neben wissenschaftlichen Publikationen schreibt der habilitierte Theologe auch Bücher aus dem Bereich Pastoral und Spiritualität. Fabian Brand ist regelmäßig mit Vorträgen zu Theologie und Brauchtum im ganzen Land unterwegs.