Fünf Prioritäten, damit dein Leben gelingt
Obwohl sie Ordensfrau ist, kennt auch Melanie Wolfers das Gefühl, dass eine drängende Aufgabe die nächste jagt und sie dem Leben hinterherhechelt. Im Ordensleben werden seit Jahrhunderten fünf Prioritäten für ein gelingendes Leben überliefert. Diese Leitsätze helfen ihr vor allem in turbulenten Zeiten, darauf zu achten, worauf es ankommt.
„Ach, so einen ruhigen und geregelten Rhythmus, wie sie ihn als Ordensfrau haben, wünsche ich mir auch!“ Wird mir dies mit einem wehmütigen Seufzer gesagt, bringt mich dies regelmäßig zum Schmunzeln, denn: Wenn ich mich nicht um einen ausgewogenen Lebensrhythmus bemühe, kommt mir dieser genauso schnell abhanden wie Anderen in der ‚Rushhour‘ des Lebens. Da jagt eine drängende Aufgabe die nächste und Wichtiges kommt unter die Räder – als ob ich dem Leben hinterher hechele. Dabei prägt doch der Rhythmus von Anspannung und Entspannung, von Einatmen und Ausatmen alles Lebendige! Was mir das Ordensleben an die Hand gibt, sind fünf Prioritäten. Die fünf Prioritäten geben Hinweise, wie wir unseren Alltag ausgewogen gestalten und eine gute Balance finden können. Sie tragen dazu bei, dass unser Leben gelingt. Die Leitsätze finden sich bereits im vierten Jahrhundert bei den sogenannten Wüstenvätern und sind in den vergangenen Jahren durch den Ordensmann Franz Jalics bekannt worden.
Für den Körper sorgen
Die erste Priorität gilt dem Schlaf. Und in der Tat: Unausgeschlafen ist der Mensch energielos und missmutig. Man funktioniert vielleicht noch, aber alles wird mühsam. Die Kraft, um Krisen zu bewältigen, wie auch die Zuversicht werden ausgehöhlt. Gut ausgeschlafen gestalte ich meinen Tag spürbar leichter und freudiger. Ich verfüge über mehr innere Stärke und Kreativität, um die täglichen Herausforderungen anzugehen. Den zweiten Platz der Liste nimmt die Sorge für den Körper ein: ausreichend Bewegung, regelmäßige und ausgewogene Ernährung… Alles, was zu einer guten Verfassung des Körpers beiträgt – und damit zugleich auch zum seelischen Wohlbefinden.
Innehalten und Gebet
An dritter Stelle stehen Gebet und Meditation. Menschen, die keinen Bezug zu Spiritualität und Glauben haben, denken möglicherweise: „Das brauche ich nicht!“ Vielleicht erschließt sich ihnen folgender Aspekt dieser dritten Priorität, den Johann B. Metz so auf den Punkt bringt: „Die kürzeste Bedeutung von Religion ist Unterbrechung.“ Es braucht Unterbrechungen; Freiräume, in denen wir aus einem Abstand heraus unseren Alltag betrachten und über unsere Motive und Wünsche nachsinnen. Nur so werden wir fähig, in einer wachen Beziehung zum Leben zu stehen – und nicht nur gewohnheitsmäßig dahinzuleben. Doch welche Bedeutung hat das Gebet für einen glaubenden Menschen? Welche Bedeutung hat es für mich? - In meiner derzeit sehr herausfordernden und allzu dichten Zeit drücken zwei Bilder aus, wie mein Herz beim Beten bisweilen weit und warm wird.
- Beten heißt, die Seele atmen lassen.
- Beten – so sollen die Eskimos sagen – bedeutet: Das Herz in die Sonne halten.
Beziehungen pflegen
Die vierte Priorität gilt den Beziehungen. Dabei sind jene Menschen am wichtigsten, denen wir am nächsten stehen. Zur Pflege dieser Beziehungen gehört, dass wir auch zweckfrei miteinander Zeit verbringen; dass wir also, ohne etwas vom anderen zu wollen, unsere Zeit miteinander teilen.
Erst an fünfter Stelle folgt die Tätigkeit oder Arbeit. Denn von dieser gibt es meist mehr als genug und sie meldet sich gewöhnlich auch lautstark zu Wort. Die Arbeit wird umso besser gelingen, je ausgewogener der Alltag ist. Wenn also die ersten vier Prioritäten zu ihrem Recht kommen und man beispielsweise nicht in die Arbeit flüchtet, um vor Beziehungsstress zu fliehen oder um vor sich selbst auszuweichen.
Gut entscheiden
Mir persönlich helfen diese Leitsätze vor allem in turbulenten Zeiten, darauf zu achten, worauf es ankommt. Und auch Ihnen kann die Prioritätenliste bei konkreten Entscheidungen eine Orientierungshilfe bieten. Etwa: Wenn Sie nach einem anstrengenden Tag auf Ihren Körper hören, dann legen Sie sich aufs Ohr und schlagen sich nicht noch die halbe Nacht um die Ohren. Denn sie werden nur dann langfristig Ihre Beziehungen, ein spirituelles Leben und Ihre Tätigkeiten erfüllt leben können, wenn Sie auf Ihren Körper achten. Und ebenso wird Ihr Alltag sich auf lange Sicht nur dann stimmig anfühlen, wenn Sie regelmäßig innehalten, einen Blick auf Ihr konkretes Leben werfen und sich fragen, ob Ihr innerer Kompass gut ausgerichtet ist.
Ich habe zwar oft keinen ruhigen und geregelten Rhythmus als Ordensfrau, aber ich bin dankbar für den spirituellen Weisheitsschatz, der sich in den fünf Prioritäten ausdrückt. Diese zu beherzigen ist eine Aufgabe, um die ich mich ebenso stetig bemühen muss wie um einen aufgeräumten Schreibtisch oder einen durchtrainierten Körper. Meine Erfahrung ist: Der Einsatz lohnt!