Kolumne
Hoffnung ist so viel mehr als die Aussicht auf ein Happy End
Oft gehen wir etwas nur dann an, wenn es die Hoffnung auf einen guten Ausgang gibt. Wie schade, meint Angela Krumpen.
Wann lohnt es sich zu hoffen? Viele Menschen packen etwas nur dann an, wenn es Aussicht auf Erfolg gibt. Angela Krumpen findet: Hoffnung heißt, die Dinge zu tun unabhängig von einem möglichen Happy End. Und manchmal erlebt man dann Überraschungen.
„Da ist nichts zu machen, die hören nicht auf Argumente, die wollen das einfach durchziehen.“ Frustriert und ein bisschen erschüttert kam ich von einer Pressekonferenz in meinem Wohnort nach Hause. Wo sich damals blühende Apfelplantagen erstreckten, sollte ein Gewerbe- und Industriegebiet gebaut werden. Das war nicht nur ökologisch furchtbar, es machte auch ökonomisch keinen Sinn. Gleich zwei Nachbarorte waren besser an die Autobahn angebunden und hatten freie, auch noch günstigere Gewerbeflächen im Angebot. Dafür also sollten Tausende Apfelbäume sterben? Ratlos kam ich nach Hause. Mein Hirn sah keinerlei Möglichkeit, wie wir gegen die Baupläne vorgehen sollten, die von der Ratsmehrheit, dem Wirtschaftsförderer des Kreises und anderen mit absoluter Entschiedenheit vorgetragenen worden waren. Was tun? Und warum überhaupt etwas tun, wenn es sowieso keine Hoffnung gab?
Auch anderswo keine Hoffnung auf ein Happy End
Erlauben Sie mir an dieser Stelle zunächst einen Szenenwechsel. 15 Jahre später reise ich für meine Arbeit nach Ruanda und Burundi. Spreche mit Menschen aus der Zeit der Völkermorde und höre erschütternde Geschichten. Ich weiß gar nicht, welche ich schrecklicher finde: die der Überlebenden, die sich nachts aus Massengräbern befreiten. Oder die der Mörder, die - obschon Bibelkatecheten - die Machete nahmen, um zu morden. Als ich mir 2016/ 2017 diese Geschichten anhöre, gibt es keine Hoffnung auf ein Ende der Gewalt. Im Gegenteil.
Wie paradox erscheint es da, dass sich alle Menschen, die ich in Afrika treffe, einem Versöhnungswerk verpflichtet haben. Hutus und Tutsis, Laien, Mönche, Nonnen, Muslime, Christen – alle zusammen stehen sie für Versöhnung ein. Trotz Völkermord. Das ist groß! Alle wissen, dass sie sich dadurch selbst in Gefahr bringen. Alle wissen, dass damals gerade wieder demonstrierende Schüler erschossen werden. Wieder flieht eine ganze Generation junger Männer, wieder zerbrechen tausende Biographien, weil sie perspektivlos in den Flüchtlingslagern der Nachbarländer ausharren müssen. Alle wissen, dass ihr Tun ohne Hoffnung ist. Eigentlich. Meditation im Museum Im Berliner Bode-Museum kann man seit einiger Zeit meditieren. Heilendes Museum heißt das Konzept. Zwischen Jesusfiguren, Madonnen und Buddhas sitzen Menschen auf Kissen, um einen Moment lang mit sich und der Welt eins zu sein. Lesen Sie im [inne]halten-Magazin unseren Themenschwerpunkt und weitere Geschichten und Berichte aus dem kirchlichen Leben.
[inne]halten - das Magazin 15/2025
Gott muss Hoffnung haben. Auf uns.
Als ich im Flugzeug durch die Nacht zurückfliege, kann ich nicht schlafen. Ich frage mich, wie ich diese Geschichten erzählen kann, obwohl es am ganzen Horizont nicht mal einen Hauch von Happy End gibt. Ja, ich weiß nicht mal, wie ich als Reporterin, also nur mittelbar, so viel Hoffnungslosigkeit aushalten soll. Zuhause recherchiere ich wild zum Thema Hoffnung. Da die Menschen im Versöhnungswerk Charles Péguy lesen und bei ihm Trost finden, fahnde ich nach diesem christlichen französischen Schriftsteller, der in den finsteren Zeiten des Ersten Weltkrieges starb. Ich stoße auf ein Juwel. Péguy schlägt uns in Sachen Hoffnung einen radikalen Perspektivwechsel vor. Er schreibt:
„Man muss Hoffnung schenken an Gott. / Jetzt muss er auf den Sünder hoffen, auf uns. / Jetzt muss er (es ist wahnwitzig genug) hoffen, dass wir uns retten. / Ohne uns kann er nichts tun. / Gott hat uns nötig, Gott bedarf notwendig seines Geschöpfes.“ (zitiert nach ZEIT ONLINE)
Danach kann ich die Geschichte der Menschen aufschreiben. Am liebsten will ich dabei Charles Péguy zurufen: Nur Mut! Solange es Menschen gibt, die den Völkermord erlebt haben und Versöhnung leben, solange gibt es für Gott Hoffnung, dass wir uns retten. Denn darum geht es bei einem guten Leben immer und überall: Wir entscheiden, wie viel Hoffnung es in der Welt gibt. Ganz besonders und vor allem dann, wenn es scheinbar keine Hoffnung gibt.
Wenn Du es tust, um etwas zu erreichen, lass es.
Als ich damals von der Pressekonferenz nach Hause kam, hat mein Mann etwas sehr Kluges gesagt: „Wenn Du es tust, um das Gewerbegebiet zu verhindern, lass es. Wenn Du es tust, weil es getan werden muss, go for it.“ Danach konnte ich tun, was getan werden musste. 7000 Unterschriften und drei Monate später entschied der Stadtrat, dass kein Gewerbegebiet gebaut wird. Und zehn Jahre später entschied derselbe Rat, dass unsere kleine Stadt einen Zusatznamen bekommt: Apfelstadt am Niederrhein.