Vor 500 Jahren starb Vasco da Gama
Wenn heute von Handelskriegen die Rede ist, dann geht es meist um Strafzölle und Einfuhrbeschränkungen. In früheren Zeiten wurde mit härteren Bandagen gekämpft, wie die Fahrten des vor 500 Jahren verstorbenen Portugiesen Vasco da Gama belegen.
Neugierig, fast herausfordernd schaut der Mann mit dem weißen Rauschebart und der dunklen Kopfbedeckung den Betrachter an. Der portugiesische Hofmaler Gregorio Lopes porträtierte den Seefahrer Vasco da Gama auf dem Zenit von dessen Macht. Dem Adeligen blieb da allerdings nicht mehr viel Zeit auf Erden. An Heiligabend 1524, vor 500 Jahren, starb da Gama mit Mitte 50 im südindischen Kochi. Wenige Monate zuvor hatte ihn der portugiesische Monarch Johann III. als Vizekönig dorthin entsandt.
Bereits bei seiner Ankunft kränkelte der Seefahrer, wie seine französische Biografin Geneviève Bouchon schreibt. Wenig später bedeckten demnach eitrige Furunkel den Hals des Vizekönigs. Immer öfter zog sich der erschöpfte da Gama zurück; Milzbrand und Venenentzündungen sollen hinzugekommen sein. Der Vizekönig muss gespürt haben, dass es mit ihm zu Ende ging. Seine prunkvolle Kleidung und die wertvollen Wandbehänge aus Seide, die er aus der Heimat mitgebracht hatte, vermachte er Hospitälern und der Kirche.
Da Gamas Leben bleibt schwer zu fassen
„Merkwürdiges Schicksal eines Mannes, der zweimal Indien entdeckte, ohne es wirklich zu sehen, und den der Tod ereilte, als er sich dort niederließ“, bilanziert Bouchon. Das Leben von Vasco da Gama bleibt schwer zu fassen, seine Unternehmungen dagegen haben die Welt umgekrempelt. So wie die Amerika-Fahrt seines in spanischen Diensten stehenden Konkurrenten Kolumbus oder die Weltumsegelung der Crew um da Gamas Landsmann Ferdinand Magellan.
Aus europäischer Sicht stießen diese „Entdecker“ die Tore zu unbekannten Gegenden auf. Doch natürlich lebten auch dort Menschen mit eigenen Kulturen – und Interessen, die von den Neuankömmlingen aus dem fernen Europa nicht selten mit aller Brutalität durchkreuzt wurden. Die erste Expedition da Gamas startete am 8. Juli 1497 mit fünf Schiffen und rund 170 Mann. Sein Auftrag: einen Seeweg nach Indien zu finden, wo der Handel mit Gewürzen und Edelsteinen üppige Gewinne versprachen.
Um das Kap der Guten Hoffnung
Da Gama passierte zunächst das Kap der Guten Hoffnung, bevor er an Weihnachten 1497, dem „dies natalis“, bei der heute zu Südafrika gehörenden Region Natal vor Anker ging. Anschließend setzten die Portugiesen ihre Reise in Richtung der muslimischen Küstenstädte in Ostafrika fort. Dort hielt man sie zunächst für Türken, also Glaubensbrüder.
Die Stimmung kippte, als die wahre Identität da Gamas und seiner Begleiter bekannt wurde. Beide Seiten belauerten sich argwöhnisch. Wie auch bei seinen späteren Expeditionen vermied da Gama voreilige Landgänge. Stattdessen versuchte er, mit einer Mischung aus Drohungen und Diplomatie seine Ziele zu erreichen. Im heute kenianischen Malindi ging die Strategie auf: Er erhielt einen Lotsen, der ihn und seine Mannschaft nach Indien führte. Am 20. Mai 1498 erreichten die Portugiesen die Stadt Calicut, heute Kozhikode.
Unterkühlter Empfang
„Hol euch der Teufel, was führt euch hierher?“, sollen zwei leicht entgeisterte Tunesier die Reisenden begrüßt haben. „Wir suchen Christen und Gewürze“, lautete deren Antwort. Darin spiegelt sich nach Ansicht des Historikers Wolfgang Reinhard der doppelte Zweck der Expedition. Man habe mit christlicher Hilfe den Zugang zu neuen Märkten bahnen und die Muslime im Rücken packen wollen.
Letztere dominierten bisher den Handel mit Gewürzen und Luxuswaren von Indien bis zu den Umschlagplätzen in Arabien und Ägypten. Das Ende dieser Lieferkette lag in der Republik Venedig. Das Auftauchen der Portugiesen versetzte muslimische Händler in Alarmstimmung. „Ihre Augen waren blau wie bei Wüstengespenstern, sie urinierten wie Hunde und brachten mit Gewalt reine Menschen von ihrer Religion ab“, hieß es in einem arabischen Manuskript über die Portugiesen. „Sie wollten Pfeffer und Ingwer für sich selbst und anderen nichts als Kokosnüsse lassen.“
Profiteure des Gewürzhandels
Auch italienischen Bankiers wie Girolami Priuli schwante nichts Gutes. Nun würden „die Ungarn, die Deutschen, die Flandrischen und die Franzosen sowie alle jenseits der Alpen“ eher in Lissabon ihre Spezereien einkaufen als in Venedig. Doch das war nach der Rückkehr von da Gamas erster Expedition im Sommer 1499 noch keineswegs ausgemacht. Widerstandslos würden sich die bisherigen Profiteure des Gewürzhandels nicht in ihr Schicksal ergeben.
Zwischen 1501 und 1505 liefen 81 Schiffe mit rund 7.000 Mann von Portugal nach Indien aus, eine dieser Fahrten leitete abermals da Gama. Es ging nicht nur um Handel, sondern auch darum, die Konkurrenz militärisch in Schach zu halten. Mit Gewalt und Gnadenlosigkeit, aber auch einer gehörigen Portion Glück sicherten sich die Portugiesen schließlich für die nächsten 100 Jahre die Vorherrschaft über den Indischen Ozean.
Die längste Reise da Gamas
Das spiegelte sich auch im neuen Titel des portugiesischen Königs wider: „König von Portugal und der Algarve, Herr der Eroberungen, der Seefahrt und des Handels mit Indien, Äthiopien, Arabien und Persien.“ Seine längste Reise trat da Gama, der den Seeweg um das Kap der Guten Hoffnung nach Indien etabliert hatte, übrigens erst nach seinem Tod an. Bestattet wurde er zunächst in Kochi. Einige Jahre später überführte man seine Gebeine nach Portugal in die Kleinstadt Vidigueira, aus der er stammte. Die letzte Etappe folgte dann Ende des 19. Jahrhunderts: da Gama erhielt ein Ehrengrab im Hieronymus-Kloster in Belem/Lissabon.
Joachim Heinz