Kultur und Wissen
18.03.2025

Erich Fromm, Humanist und Kritiker

Schon vor Jahrzehnten warnte Erich Fromm vor einer Welt, in der Menschen ausschließlich funktionieren. Er analysierte Liebe, Freiheit und Verantwortung – mit tiefgründigem Blick, der zeitlos bleibt. Zum 125. Geburtstag werfen wir einen Blick auf einen kritischen Menschen, der seiner Zeit voraus war.

Erich Fromm im Jahr 1974 Erich Fromm im Jahr 1974 Foto: © Müller-May

Was hätte er wohl zu künstlicher Intelligenz (KI) gesagt? Vielleicht, die Menschen seien „nicht mehr in Gefahr, zu Sklaven zu werden, sondern zu Robotern“. Zur grassierenden Einsamkeit passt seine Erkenntnis, wie entscheidend die Sicherheit sei, „zur übrigen Menschheit“. Und zu Dating-Apps wie Tinder hätte er womöglich angemerkt, bei ihnen gehe es vorwiegend um „die Befriedigung von künstlich stimulierten Fantasievorstellungen“. Der Urheber dieser Zitate ist seit 45 Jahren tot – doch Erich Fromm war seiner Zeit in vielem voraus.

Am 23. März 1900, vor genau 125 Jahren, wurde er in Frankfurt am Main in eine strengreligiöse jüdische Familie geboren. Zunächst wollte er Rabbiner werden, erhielt Talmud-Unterricht und engagierte sich als Student in zionistischen Kreisen. Nach seiner Hochzeit mit der Psychoanalytikerin Frieda Reichmann begann er selbst eine Ausbildung in diesem Fachgebiet, und das Paar gab die jüdisch-orthodoxe Lebensweise auf.

Kritik an Kirchen, Plädoyer für den Glauben

Erst spät sollte Fromm wieder zur Religion finden – über Buddhismus und Zen-Buddhismus. So sagte es Rainer Funk einmal dem Deutschlandfunk; der letzte Assistent des humanistischen Denkers verwaltet dessen Nachlass und leitet das Erich-Fromm-Institut in Tübingen. Fromm habe kirchlichen Machtmissbrauch verachtet und sei „sehr atheistisch eingestellt“ gewesen. Später äußerte er beißende Kritik am aufkommenden Esoterik-Markt – und mahnte, ohne Glaube werde der Mensch „steril, hoffnungslos und bis ins Innerste seines Wesens furchtsam“.

Ab 1930 leitete Fromm die Sozialpsychologische Abteilung des Frankfurter Instituts für Sozialforschung. Nach der Machtübernahme Adolf Hitlers verließ er Deutschland gen USA. 1940 erhielt er die amerikanische Staatsbürgerschaft, später engagierte er sich in der Friedensbewegung. Sein konsumkritisches Spätwerk „Haben oder Sein“ (1976) wurde in den entsprechenden Kreisen zu einem regelrechten Kultbuch. Zeitweise lebte der Analytiker in Mexiko und in der Schweiz, wo er 1980 nach mehreren Herzinfarkten starb.
  

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Medienkritik und Größenwahn

Fromm führte Ideen von Sigmund Freud oder Karl Marx weiter, bezog etwa Marx’ Ausspruch von Religion als „Opium für das Volk“ auf Fernsehen oder Sportveranstaltungen: Blieben sie den Menschen längerfristig verweigert, drohten Nervenzusammenbrüche oder Angstzustände. Die Übertragung auf Smartphone und Streaming-Dienste scheint aus heutiger Perspektive ein kleiner Gedankensprung zu sein.

Wer wiederum Fromms Überlegungen zu Autoritarismus und Narzissmus liest, wird fast zwangsläufig manch zeitgenössischen Politiker vor Augen haben: Menschen, die Großartigkeit erleben wollten, neigen nach Worten des Analytikers eher dazu, narzisstischen Personen zu folgen. In „Die Flucht vor der Freiheit“ (1941) beschreibt er den Wunsch nach strikt vorgegebenen Linien in unsicheren Zeiten. Die aktuelle Jahrestagung der Erich-Fromm-Gesellschaft befasst sich mit „Kommunikation in Krisenzeiten“.
 

[inne]halten - das Magazin 9/2025

Papst Franziskus ist tot.


Ein Pontifikat des Zuhörens, der Barmherzigkeit und der Nähe ist zu Ende gegangen.

In unserer aktuellen Ausgabe von [inne]halten blicken wir zurück auf das Leben und Wirken von Papst Franziskus, auf seine Zeichen der Demut, seine Reformimpulse und seine Botschaft an die Welt.
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Liebe als Kunst, nicht als Kitsch

Auch zählt Fromm zu jenen Wissenschaftlern, die früh den Zwiespalt des modernen Menschen beschrieben, zwar in größerem materiellem Wohlstand und größerer Freiheit zu leben als je zuvor, aber zugleich massiv von psychischen Erkrankungen betroffen zu sein. Einen Grund dafür sieht der Autor darin, dass der Einzelne zumeist nach seinem „Marktwert“ beurteilt werde, austauschbar und unpersönlich, und sich äußeren Verpflichtungen anpassen müsse, um zu bestehen. Auf Dauer führe dies zu einer Entfremdung von sich selbst und von anderen, erklärt Fromm: Wachstum müsse menschlich vonstattengehen, und Sinn sei eher jenseits von Konsum zu finden.

Seine Definition menschlicher Grundbedürfnisse – Verbundenheit, Kreativität, Verwurzelung, Gefühl für Identität sowie ein Orientierungsrahmen – wird heute ebenso wie seine Auffassung von Liebe immer wieder zitiert. Liebe sei nicht einfach ein schönes Gefühl, sondern erfordere aktives Bemühen, könne – und müsse – eingeübt werden. Die Positive Psychologie hat dies auf andere Regungen wie Mut oder Hoffnung übertragen – und „Die Kunst des Liebens“ (1956) gilt bis heute als Fromms meistgelesenes Werk.

Von Paula Konersmann (KNA)

Zum Weiterlesen
Fromm, Erich Die Kraft der Liebe
Über Haben und Sein, Liebe und Gewalt, Leben und Tod
  • DIOGENES, 2025
  • Gebunden
  • ISBN/EAN: 9783257261875
  • Deutsch
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Einsichten und Gedanken aus Erich Fromms Werk - aus seiner Tätigkeit als Psychoanalytiker, aus seiner Erfahrung als Mensch. Erich Fromm war zeit seines Lebens bemüht, Wege zur Entfaltung der menschlichen Möglichkeiten in einer unmenschlich gewordenen Gesellschaft aufzuspüren. Die ausgewählten Gedanken spiegeln sein Lebenswerk in wenigen prägnanten Worten wider. Ob zum Thema Liebe oder Gewalt, Aktivität oder Passivität, Haben oder Sein, Kunst oder Technik - ihre Einfachheit ist bestechend, sie regen zum Nachdenken an und geben neue Antworten auf die eigenen Fragen des Lebens.
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Fromm, Erich Humanismus in Krisenzeiten
Texte zur Zukunft der Menschheit
  • DTV, 2025
  • Kartoniert/Broschiert
  • ISBN/EAN: 9783423352598
  • Deutsch
  • 1. Auflage


Erich Fromms Erkenntnisse über die Pathologie der Normalität, menschliche Destruktivität und den Gruppennarzissmus sind von einer erschütternden Gegenwärtigkeit. Seine Antworten darauf sind weiterhin aktuell. Fromm hat den neuen Humanismus vorgedacht, der heute wichtiger ist als je zuvor.


Krieg, Angst, Gruppennarzissmus: Texte von bestürzender Aktualität

Erich Fromm hat als Sozialpsychologe ein beeindruckendes Werk geschaffen. Seine Erkenntnisse über die Pathologie der Normalität, menschliche Destruktivität und den Gruppennarzissmus sind von einer erschütternden Gegenwärtigkeit. Seine Antworten darauf sind weiterhin aktuell. Fromm hat den neuen Humanismus vorgedacht, der heute wichtiger ist als je zuvor.

Rainer Funk, Fromms letzter Assistent und sein Nachlassverwalter, hat bestechend hellsichtige Texte ausgewählt und mit einem Vorwort eingeleitet.
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Fromm, Erich Die Kunst des Liebens
  • DTV, 2015
  • Kartoniert/Broschiert
  • ISBN/EAN: 9783423361026
  • Deutsch
  • dtv Taschenbücher 36102
  • 25. Aufl.


Den Menschen verstehen mit Erich Fromm.


Das bekannteste Werke Erich Fromms: 'Die Kunst des Liebens'.

Lieben ist eine Kunst, die gelernt sein will. Der Lernprozess ist der einer jeden Kunst: Man muss sowohl die Theorie als auch die Praxis beherrschen. Da dies aber bekanntlich nicht so einfach ist, muss einem - so Erich Fromm - »die Meisterschaft in dieser Kunst mehr als alles andere am Herzen liegen.«

Nur leider tut sie es viel zu selten. Auch wenn die Liebe in all ihren Facetten heute mehr denn je beredet, beschrieben, gedreht und gewendet wird - wir vergessen darüber allzu leicht, dass sie nach wie vor und vor allem Arbeit an uns selbst bedeutet. Erich Fromms bekanntestes Werk berührt und bewegt seine Leser seit vielen Jahrzehnten. Er weist uns darauf hin, dass man sich nicht nur lieben lassen darf, sondern auch etwas tun muss, um das Lieben zu lernen.Nur der Glaube an die eigenen menschlichen Kräfte und der Mut, auf diese Kräfte zu vertrauen, macht uns zu Menschen, die anderen Liebe geben können. Nic
ht lieben lassen, sondern lieben lernen ist das Motto.
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Fromm, Erich Haben oder Sein
Die seelischen Grundlagen einer neuen Gesellschaft
  • DTV, 2014
  • Kartoniert/Broschiert
  • ISBN/EAN: 9783423342346
  • Deutsch
  • dtv Taschenbücher 34234
  • 51. Aufl.


Erst wenn der Mensch sich nicht mehr durch das bestimmt, was er hat, sondern das, was er ist, kann er zu sich selbst kommen.




Das neben der 'Kunst des Liebens' berühmteste und bedeutendste Buch Erich Fromms

1976, vier Jahre vor seinem Tod, erschien mit 'Haben oder Sein' das neben der 'Kunst des Liebens' berühmteste und bedeutendste Buch Erich Fromms, in dem er Gedankengänge früherer Werke bewusst anschaulich und prägnant resümiert. In seiner Darstellung steht die Existenzweise des Habens für die Übel der gegenwärtigen Zivilisation, die des Seins aber für die Möglichkeit eines erfüllten, nicht entfremdeten Lebens. Der Mensch, der nicht mehr vom Haben, sondern vom Sein bestimmt wird, kommt zu sich selbst, entfaltet eine innere Aktivität, die nicht mit purer Geschäftigkeit zu verwechseln ist, und kann seine menschlichen Fähigkeiten produktiv einsetzen.
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KNA
Artikel von KNA
Katholische Nachrichten-Agentur
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