Gerechtigkeit
14.04.2025


Frauenwehrpflicht

Wehrpflicht für Frauen: Pro & Contra

In vielen Ländern Afrikas gibt es Wehrpflicht für Frauen, ebenso in Israel. Hierzulande ist nach dem Koalitionsvertrag die Wehrpflicht für alle zwar zunächst vom Tisch – aber diskutiert wird weiter. Eine junge Frau erzählt.
    

Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 24.000 Soldatinnen. Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 24.000 Soldatinnen. Foto: © imago/photothek

Miriam liebt Geigenspiel – und Sport. „Ich mag es zu rennen“, erzählt die 16-Jährige, die ein Gymnasium in Berlin besucht. „Beim Lauftraining in der Schule stirbt man zwar immer. Aber nachher ist das Gefühl, alles gegeben zu haben, einfach cool. Ich teste gern meine Grenzen aus.“ Vielleicht hat sie sich deshalb auch schon mit der Frage beschäftigt, wie es wäre, nach dem Abitur zur Bundeswehr zu gehen. „Ich finde es gut, dass sich die sozialen Schichten da mischen. Für die Gemeinschaft ist das wichtig.“

Miriam hätte sich auch einen verpflichtenden Wehrdienst für junge Männer und Frauen vorstellen können. Laut Koalitionsvertrag von Union und SPD ist das aber vom Tisch – „zunächst“ jedenfalls, wie es heißt. Stattdessen einigte man sich am Mittwochabend auf einen Wehrdienst, der auf Freiwilligkeit basiert. Männer ab 18 Jahren müssten demnach einen Fragebogen ausfüllen; ein Teil von ihnen würde gemustert. So soll die Bereitschaft erhöht werden, dass sich mehr junge Menschen für den einjährigen Wehrdienst entscheiden. Derzeit leisten mehr als 180.000 Soldatinnen und Soldaten Dienst in den Streitkräften der Bundeswehr. Davon sind rund 10.000 freiwillig Wehrdienstleistende.

Juristin für Freiwilligkeit

Dass jetzt – erst einmal – kein Pflichtdienst kommt, sieht Kathrin Groh, Professorin für öffentliches Recht an der Universität der Bundeswehr in München, für die Frauen positiv: „Der Staat ist übers Grundgesetz verpflichtet, bestehende Nachteile von Frauen gegenüber Männern auszugleichen. Und daraus lese ich auch ein Verschlechterungsverbot“, sagt die Juristin.

Ihre Argumente gegen ein Pflichtjahr für Frauen, ob Wehrdienst oder soziales Engagement: „Die Frauen sind diejenigen, die die Gesellschaft sowieso schon zusammenhalten. 70 Prozent der sozialen Berufe werden von Frauen ausgeübt, und sie machen auch immer noch größtenteils die Care-Arbeit. Zudem verlieren sie Zeit durch Schwangerschaft und Elternzeit und verdienen immer noch weniger als Männer. Warum sollte man ihnen zu Anfang ihres Berufslebens ein weiteres Jahr wegnehmen?“
  

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„Frauen in der Truppe sind ein Gewinn“

Bei ihren Studentinnen, die sich freiwillig für zwölf Jahre verpflichtet haben, werde oft darüber diskutiert, wie es der Bundeswehr gelingen könne, mehr Frauen für den Bund zu rekrutieren – aber freiwillig. „Das werden zurzeit, zumindest in den geisteswissenschaftlichen Fächern wie bei mir, eher weniger statt mehr“, sagt Groh.

Grundsätzlich sei sie „absolut dafür“, dass die Rolle von Frauen in der Verteidigungspolitik aufgewertet werde. „Frauen in der Truppe sind ein Gewinn. Oft haben sie mehr Einfühlungsvermögen, sind auch diplomatischer. Und sie können je nach individueller Voraussetzung dieselben Aufgaben erfüllen wie Männer.“ Auch Kampfschwimmerinnen und Fallschirmjägerinnen können sie werden, wenn sie den Test bestehen: „Das sind mit die anstrengendsten körperlichen Verwendungen“, sagt Groh. Derzeit gibt es in Deutschland mehr als 24.000 Soldatinnen.

Disziplin lernen durch Dienst beim Bund

Einen Dienst beim Bund: Das fände Miriam auch deshalb gut, weil sie „manchmal sehr unordentlich und ungeplant“ sei. „Ein bisschen mehr Disziplin wäre nicht schlecht“, sagt der Teenager selbstkritisch. Auch mit ihren gleichaltrigen Freundinnen hat sie sich über diese Möglichkeit ausgetauscht: „Die meisten von ihnen sind aber gegen Wehrdienst“, sagt sie. Das habe mit der aktuellen Situation, mit der Aufrüstung des Militärs in Deutschland, zu tun. „Schließlich kann man auch Jahre nach dem Dienst eingezogen werden.“

Hat sie davor nicht auch Angst? „Ich habe Vertrauen in Deutschland und hoffe, dass es nicht so weit kommt“, sagt sie. „Aber wenn es so wäre: Irgendjemand muss ja dann an der Front kämpfen. Ich finde es selbstsüchtig, zu sagen: ,Das sollen andere machen!‘“ Sich für die Gesellschaft einbringen – sei es durch einen Wehrdienst oder einen anderen Dienst im sozialen Bereich: Das sollten sich ihrer Meinung Frauen und Männer gleichermaßen. „Ich bin sehr für Gleichberechtigung auf allen Ebenen“, so die Schülerin – auch wenn Frauen durch Familienarbeit und Pflege ohnehin schon mehr Zeit als Männer in gesellschaftliches Engagement investierten. „Da muss sich die Gesellschaft verändern“, kritisiert sie.
   

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„Ein Jahr zur Orientierung“

Dass ihr durch ein Pflichtjahr Zeit verloren gehen könnte, sieht Miriam nicht: „Man ist ja noch sehr jung, wenn man aus der Schule raus ist, viele wissen gar nicht, was sie machen wollen. Ein Jahr zur Orientierung wäre nicht schlecht.“

Auch Eva Högl (SPD), Wehrbeauftragte des Bundestags, ist für ein gesellschaftliches Pflichtjahr für Frauen und Männer – perspektivisch jedenfalls. „Das wäre zeitgemäß, würde den Zusammenhalt stärken und auch jedem und jeder Einzelnen guttun“, so Högl. Der Dienst in der Bundeswehr könne dann ein Teil eines solchen Gesellschaftsjahres sein, während sich andere im sozialen Bereich, im Katastrophenschutz, im Klimaschutz oder in der Denkmalpflege engagierten.

Für Israelinnen ist Wehrdienst Alltag

Für israelische Frauen, die bereits seit 1949 Wehrpflicht leisten, ist der Dienst an der Waffe längst Alltag, in Friedens- wie in Kriegszeiten. Nach dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 erlangten nach einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung besonders zwei Panzerbesatzungen besondere Aufmerksamkeit: Sie bestanden nur aus Frauen und töteten Berichten zufolge am besagten Morgen in stundenlangen Kämpfen mehr als 100 Hamas-Terroristen.

Die Soldatinnen selbst beurteilten damals den Einsatz – und die daraus folgende mediale Aufregung – nüchtern. „Jungen, Mädchen – was spielt das für eine Rolle?“, sagte eine von ihnen in einem Interview mit einem israelischen Fernsehsender. Mit den Begriffen „Heldin“ und „historisch“ könne sie nur wenig anfangen, antwortete eine andere. Sie habe ihren Job als Soldatin gemacht, mehr nicht.

Von Nina Schmedding (KNA)

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Artikel von KNA
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