Vor 100 Jahren gründete Hitler die SS
Wie keine andere Organisation steht die Schutzstaffel für die monströsen Verbrechen des NS-Regimes. Als „Reichsführer-SS“ wurde Heinrich Himmler zu Hitlers rechter Hand bei der „Endlösung der Judenfrage“.

Ein erfolgloser Schauspieler war der erste Chef. Vor 100 Jahren, im Frühjahr 1925, beauftragte Adolf Hitler seinen Vertrauten und späteren Chauffeur Julius Schreck, eine Schutzstaffel aufzustellen. Von München aus wollte der radikale Antisemit Adolf Hitler die kurz zuvor neu gegründete Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei zu einer im wahrsten Sinne des Wortes schlagkräftigen Bewegung formen. Mit der Schutzstaffel verfolgte er zunächst das Ziel, „zumindest eine Hand voll gewaltbereiter Männer zu seiner persönlichen Verfügung zu haben“, wie Historiker Bastian Hein schreibt.
Schrecks „rechte Hand“ war der arbeitslose Alois Rosenwink; die ersten Männer der Einheit kamen aus dem Umfeld des „Stoßtrupps Hitler“. Diese 1923 kurzzeitig existierende Sondereinheit der Sturmabteilung „hatte schon damals die Funktion als Hitlers Leib- und Prügelgarde übernommen“, so Hein. Im Vergleich zur SA führte die SS allerdings zunächst eher ein Schattendasein.
Straßen- und Saalschlachten
Für Zeitgenossen waren beide Gruppierungen anfangs nur schwer auseinanderzuhalten. SA- wie SS-Männer klebten Plakate, sammelten Spenden für die Partei. Sie trainierten den Umgang mit Waffen in wehrsportlichen Übungen und lieferten sich in der politisch aufgeheizten Atmosphäre der Weimarer Republik Straßen- und Saalschlachten mit politischen Gegnern, wobei die SS schon damals durch besondere Aggressivität auffiel.
In der Presse war reichlich nebulös von „Hitler-Mordbuben“ oder
„Hakenkreuzlern“ die Rede. Noch 1934 – über ein Jahr nachdem Adolf
Hitler und die NSDAP in Deutschland an die Macht gekommen waren – hieß
es, über die SS sei bislang wenig bekannt. Doch zu diesem Zeitpunkt
hatte sich längst jemand in Position gebracht, der laut Historiker Hein
„zum wohl zweitmächtigsten Mann des Dritten Reichs“ aufsteigen sollte:
Heinrich Himmler.
Ausbau der SS unter Himmler
Vorgänger Erhard Heiden hatte wohl Parteigelder veruntreut und – aus Sicht der Nazis noch viel ungeheuerlicher – SS-Uniformen bei jüdischen Lieferanten geordert. Am 6. Januar 1929 übernahm Himmler den Posten des Reichsführer-SS. Eine etwas hochtrabende Bezeichnung für eine damals aus 280 Mann bestehende Einheit. Aber zielstrebig baute der gebürtige Münchner seinen Einfluss aus. Nur drei Jahre später zählte die SS 50.000 Mitglieder.
Aus der Leib- und Prügelgarde formten Himmler und seine
Gesinnungsgenossen eine Formation, die zur „radikalsten rassistischen
Tat- und Täterorganisation des Nationalsozialismus“ wurde, wie Bastian
Hein es formuliert. Per Eid verpflichteten sich die SS-Männer auf
„Gehorsam bis in den Tod“ gegenüber dem „Führer“ Adolf Hitler und den
von ihm bestimten Vorgesetzten. Der „Orden unter dem Totenkopf“, wie
Journalist Heinz Höhne seine 1967 veröffentlichte Geschichte der SS
nannte, verbreitete Terror und Schrecken in Deutschland und weit darüber
hinaus.
[inne]halten - das Magazin 10/2025

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Errichtung und Betrieb der Konzentrationslager
SS-Männer waren maßgeblich an Errichtung und Betrieb der Konzentrationslager beteiligt, bespitzelten „Volksgenossen“ und schikanierten Oppositionelle, sicherten sich Zugriff auf die Polizei und zogen an der Seite der Wehrmacht ab 1939 in den von Deutschland begonnenen Zweiten Weltkrieg. Über allem stand die mörderische Ideologie der Nationalsozialisten.
In seinen berüchtigten „Posener Reden“ ging Himmler im Herbst 1943 vor SS- und Parteispitzen auf ein „ganz schweres Kapitel“ ein: die „Ausrottung des jüdischen Volkes“. Die meisten wüssten, was es heiße, „wenn 100 Leichen beisammenliegen, wenn 500 daliegen oder wenn 1.000 daliegen“, so Himmler. „Dies durchgehalten zu haben, und dabei – abgesehen von Ausnahmen menschlicher Schwächen – anständig geblieben zu sein, das hat uns hart gemacht. Dies ist ein niemals geschriebenes und niemals zu schreibendes Ruhmesblatt unserer Geschichte.“
Ganz normale Männer als Mörder
Himmlers perverse Parolen verfingen. Gerade höherrangige SS-Leuten waren laut Bastian Hein nicht „bloße Karrieristen“, sondern „hochgradig motivierte ,Weltanschauungstäter‘“, die sich mit Haut und Haar dem Kampf um Lebensraum und gegen die Juden verschrieben hatten. Ein Blick auf die Anfänge der Schutzstaffel deutet zugleich an: Die selbst ernannte Elite rekrutierte sich aus allen Teilen der Bevölkerung. Auch „ganz normale“ Männer konnten zu Mördern werden.
Von Joachim Heinz (KNA)