Persönlichkeitsentwicklung
20.01.2025


Lifestyle

Vorteile eines Lebens ohne Alkohol: Gesunde Räusche statt Kater

Alkohol gehört in unserer Gesellschaft dazu – Hochzeiten, Fußballspiele, gutes Essen. Ernährungsexperte Bas Kast und Journalist Felix Hutt haben sich beide für die Abstinenz entschieden. Ihre Beweggründe unterscheiden sich.

Foto: © Johannes/AdobeStock

Auf einer Hochzeit mit Orangensaft anstoßen, das Spiel des Lieblingsfußballvereins mit einer Cola Light in der Hand verfolgen, zum guten Essen ein stilles Wasser trinken und bei der Geburtstagsfeier gibt es Saftschorlen für alle. Kaum vorstellbar, oder? Alkohol zu trinken ist in unserer Gesellschaft selbstverständlich. Es gehört zur Sozialisierung, dass viele positive Events nur in Begleitung von Alkohol stattfinden. Wer nicht trinkt, muss – in den meisten Fällen – einen triftigen Grund angeben: Schwangerschaft, Training auf ein anstehendes Sportevent, Unwohlsein oder Ähnliches. Die Erfahrung hat auch Autor und Journalist Felix Hutt gemacht: „Alkohol ist die einzige Droge, für die du dich rechtfertigen musst, dass du sie nicht nimmst.“ Der Münchner hat sich vor zwei Jahren entschlossen, ein Jahr keinen Alkohol zu trinken. Dieser Selbstversuch hat sein Leben grundlegend verändert.

Alltagsalkoholismus: Die unterschätzte Gefahr in der Mitte der Gesellschaft

Der heute 45 - Jährige wollte auf die große, breite Masse schauen, „die denkt, sie hat alles unter Kontrolle“. Er wollte einer von denen sein, „die vom Stammtisch aufstehen und aus ihrer Sicht berichten, ohne sich zu isolieren“. Hutt spricht vom Alltagsalkoholismus: Von Menschen, die mehrere Abende in der Woche im Wirtshaus sitzen und dort jedes Mal mehrere Helle trinken. Die funktionieren in ihrem Alltag, sind vielleicht Akademiker: „Die wachen nicht jeden Morgen zitternd auf und müssen sich übergeben.“ Gleichzeitig nennt er auch den „stillen Alkoholismus“: von Menschen, die heimlich zu Hause trinken, deren Schicksale nicht sichtbar werden. Für Felix Hutt ist das ein „riesengroßes gesellschaftliches Problem“. Es geht ihm darum, nicht nur auf die Extreme zu schauen, sondern einen Blick auf die „Millionen von Deutschen“ zu werfen, „die wirklich abhängig sind und in der Mitte unserer Gesellschaft leben.“ Er selbst war einer davon.

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Deutschland weist im internationalen Vergleich seit vielen Jahren einen sehr hohen Alkoholkonsum auf. Der Verbrauch an Reinalkohol pro Kopf im Alter ab 15 Jahren betrug 10,0 Liter im Jahr 2020. Alkoholkonsum verursacht in Deutschland erhebliche gesundheitliche, soziale und volkswirtschaftliche Probleme. Insgesamt 3 Millionen Erwachsene zwischen 18 und 64 Jahren hatten im Jahr 2018 in Deutschland eine alkoholbezogene Störung (Alkoholmissbrauch: 1,4 Millionen; Alkoholabhängigkeit: 1,6 Millionen). 7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung konsumieren Alkohol in einer gesundheitlich riskanten Form. Bei 9,0 Millionen Personen liegt ein problematischer Konsum vor. (Quelle: Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V)


Vor Beginn seiner Abstinenz empfand Hutt „große Unsicherheit“. Seit seiner Jugend hat Alkohol dazugehört. Mit 13 hat er sein erstes Bier getrunken. Zwei Drittel der Zeit, die er mit Freunden verbracht hat, war auch Alkohol mit im Spiel, schreibt er in seinem Buch „Ein Mann, ein Jahr, kein Alkohol“. Dabei trank er immer nur in der Gastronomie, nie zu Hause.

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Nüchtern auf dem Oktoberfest

Autor und Journalist Felix Hutt verzichtet seit seinem Selbstversuch auf Alkohol. Autor und Journalist Felix Hutt verzichtet seit seinem Selbstversuch auf Alkohol. Foto: © Matthias Ziegler


Eine echte Herausforderung während des Selbstversuchs war für den geborenen Münchner das Oktoberfest. Nüchtern fragte er sich im Bierzelt, wie er zu Songs wie dem Fliegerlied von Tim Toupet abgehen konnte. Interessant war für ihn auch die Beobachtung, dass es ihm gleich besser ging, als ihm sein alkoholfreies Getränk in einem Maßkrug serviert wurde. In dem Moment sei er sich nicht mehr wie ein Aussätziger vorgekommen. Für Situationen, in denen es nicht anders ging, hat er sich in dem Jahr „Joker“ zugestanden – und auch genutzt. Doch gut ging es ihm danach nie!

Zunächst hat er das Jahr Abstinenz als ein sportliches Projekt betrachtet. Tag für Tag hat er abgehakt, es aber nicht verinnerlicht: „Und wie bei vielen Diäten kam dann der Boomerang.“

 Im Sommer hat es ihn ein paar Mal „richtig böse zerrissen“. Nach einem „ganz, ganz schlimmen letzten Rausch“ habe sich bei ihm ein Schalter umgelegt. Am Tag danach hat seine Tochter bei ihm übernachtet. Er war ein Wrack und ließ sie an dem Tag Kinder-Netflix schauen, beschreibt er in seinem Buch. Da sei ihm bewusst geworden, dass er ihr keine Verlässlichkeit und Sicherheit bieten könne. Für ihn ein Wendepunkt. Er beschloss, seinen „abstinenten Felix Hutt“ aufzubauen: „Du musst das anders angehen. Du musst das in deinem Leben wirklich verinnerlichen, und dir muss klar sein, dass das einfach besser für dich ist.“

Alkohol und Gesundheit: Selbst geringe Mengen sind gefährlich

Auch Ernährungsexperte Bas Kast hat die Vorteile eines alkoholfreien Lebens für sich entdeckt. Während Felix Hutt vor allem aus persönlichen Gründen auf Alkohol verzichtete, war es bei Kast die Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, die ihn überzeugte, auf sein abendliches Glas Wein zu verzichten. Lange galt das Glas Rotwein am Abend als risikoarm, sogar als herzschonend.

Eine Studie aus Kanada zeigt nun, „dass nicht mehr ein bis zwei Gläser am Tag okay sind, sondern ein bis zwei Gläser die Woche das Maximum sind“, so Kast. Für den Autor von „Warum ich keinen Alkohol mehr trinke“ war das der Moment, wo er dachte: „Jetzt kann ich es genauso gut sein lassen.“ Überrascht hat ihn, wie sehr Alkohol das Krebsrisiko erhöht. Eine britische Untersuchung setzt eine Flasche Wein mit 10 Zigaretten für Frauen und 5 für Männer gleich. Auch das Risiko für Brust- und Darmkrebs steigt schon bei geringen Mengen an Alkohol an. Die langfristigen Auswirkungen auf die Gesundheit in Zusammenhang mit der Art, wie ich lebe – und dazu gehört auch der Alkoholkonsum – haben viele nicht im Blick, beobachtet Felix Hutt: „Da böllert man jetzt und hat das Gefühl, der Krebs, der Herzinfarkt, Gehirn- und Leberprobleme entwickeln sich zufällig. Ist aber nicht so.“

Ernährungsexperte Bas Kast haben die neusten medizinischen Studien dazu bewogen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Ernährungsexperte Bas Kast haben die neusten medizinischen Studien dazu bewogen, keinen Alkohol mehr zu trinken. Foto: © Mike Meyer

Mehr Freiheit durch Alkoholverzicht

Hutt erlebt die Vorteile durch seinen Alkoholverzicht am eigenen Körper: Er sei weniger krank, könne sich besser konzentrieren, und seine Frustrationstoleranz gegenüber seiner Tochter sei viel höher, sagt er heute. All das möchte er nicht mehr riskieren und missen. Das Nicht-Trinken würde ihm auch viel mehr Freiheit und Unabhängigkeit schaffen, die Zeit zu gestalten. Denn wer abends trinkt, muss sich am nächsten Tag mit dem eigenen Körper herumschlagen. Den schlechten Rausch mit „Kater, Aspirin und Gereiztheit“ will er nicht mehr erleben. Stattdessen berichtet er von „gesunden Räuschen“, die er erlebt und die „auch viel länger anhalten“. So spielt er wieder Tennis, ist mittlerweile so gut wie in seiner besten Jugendzeit. Vor Kurzem ist er zweiter bayerischer Meister bei den Senioren geworden: „Ich hatte eine Woche was von diesem Rausch. Ein herrlicher Rausch.“

Zelebration von Alkohol: Was wir unseren Kindern weitergeben

Auch Bas Kast hat den Sport für sich entdeckt. Statt abends eine Flasche Wein zu öffnen, macht er jetzt Krafttraining und geht anschließend in die Sauna. Am Ende stellt sich dann ein Gefühl des Stolzes bei ihm ein. Das gibt ihm mehr als das Glas Wein und ist besser für seine Gesundheit. Aus seinem heutigen Wissen leitet der Psychologe und Biologe Bas Kast eine Verantwortung gegenüber der nächsten Generation ab, das eigene Verhalten mit Alkohol kritisch zu hinterfragen. Er, der aus einer Winzerfamilie kommt, erinnert sich an Situationen, in denen der Sekt geöffnet wurde und der Korken durch den Garten flog: „Die Kinder fanden das toll, und ich habe mir auch nichts dabei gedacht.“ Alkohol wurde zelebriert. Heute würde er es so nicht mehr machen.

Auch Felix Hutt lebt weiterhin abstinent. Er geht aber „milde“ mit sich um: „Ich habe gemerkt, wenn man zu hart gegen sich selbst ist, dann ist das auch kontraproduktiv.“ Er habe für sich beschlossen, auf Alkohol zu verzichten, aber würde sich auch nicht verdammen, „wenn dann an einem Abend mal ein Glas Rosé oder eine Flasche Rosé mit Freunden rausrutscht“. Gerade hat er kein Bedürfnis, die Vorzüge im Leben überwiegen. Und mittlerweile ist es so, dass er sich „nicht mehr gegen Alkohol, sondern für ihn entschieden muss“.

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Katharina Sichla
Artikel von Katharina Sichla
Redakteurin
Berichtet über aktuelle und bunte Themen rund um Kirche und Glaube.